6/04/2011

The Social Network, David Fincher

Na endlich. Hier.

Am Anfang stand die Furcht - Furcht vor dem vielleicht ersten nur mittelguten Fincher-Film, der die unsäglich breitgetretene StartUp-WWW-Nerd-Mär aufwärmt bzw. allgemein konsumierbar macht. Freilich ist der letzte Eintrag eine fixe Assoziation bezüglich des allgemeinen Mediendiskurses, der mit TSN neuen Auftrieb erhalten hat - einen durchweg positiven Auftrieb allerdings. Puh. Erleichterung.

TSN wendet sich gegen die seltsamen Hurra-Rufe sogenannter Demokraten, die ein Wachstum der Welt online mit einer konfliktfreieren Welt offline gleichsetzen. Und deshalb will TSN eben nicht euren Mütter das Internet erklären sondern besinnt sich auf das Wesentliche, nämlich die Einsamkeit. Im Vorbeigehen werden Macht und Ohnmacht des Mediums dargestellt, allerdings ohne dass beim Zuschauer auf ein Wow gewartet wird. Nein, es ist ja viel eher ein Biopic, da geistern sogenannte echte Namen durch die Geschichte. In (Anti-)Helden-Verehrung verzieht sich die Geschichte allerdings nie, auch eine Art Mondlandungspatriotismus kann sich nicht einstellen (selbiger hielt sich ja auch nicht lange).

TSN ist ein unmöglicher Film: basierend auf wahren Begebenheiten und dem wohl plumpesten Themenkreis der Massenmedien macht er sich eben nicht als Melodrama aus dem Staub. Zitatfrei und konzentriert wie der Reznor-Soundtrack (eh super) wird sachlich eine Begebenheit von vor fast zehn Jahren erzählt. Und heute ist alles nicht besser oder schlechter oder befreiter oder versklavter sondern komplizierter. Vielleicht liegt es am Nutzen der Farbe Schwarz. Keine Chance den Bonbons. Harvard wird wohl auch in hundert Jahren so aussehen. Enttäuschte Gesichter auch. Danke, Herr Fincher. Gern wieder.

6/02/2011

Dermaphoria, Craig Clevenger

Dieser hier, noch einmal. Mittlerweile dürfte es recht klar sein, dass Breaking Bad hier einiges abgestaubt hat - freilich für ein ganz anderes Genre, aber die Mystik des Kochs bei Clevengers Halluzinogenwüste brummt schon ordentlich.

In der Mitte der Geist, der über den Wassern schwebt: wieviel davon ist Erinnerung, wie speist sich daraus ein Ich? Wie kann sich der Geist in der Welt bewegen, vor allem in einer Welt voller uppers, downers, screamers und dreamers? Wer oder was trifft sich in oder an der Außenhaut? Eine Pille macht dich kleiner, eine andere größer und die andere gibt dir geniale Ideen auf Zeit, denn Drogenrausch ist mit einem Abonnement verbunden. Zufriedene Kunden dürfen es nicht bleiben und müssen Mehr wollen wollen. Überhaupt: das Mehr. Auch im Roman mit einem dicken M geschrieben, eins wie memory und mind. Hunger scheint keine allein physische Affektion zu sein.

Dermaphoria herrscht, weil es zum einen eine findige Thriller-Erfahrung ist und zum anderen jedem mit einem Kognitionslexikon unzählige Angriffspunkte zum Nachschlagen gibt. Wenn Memento nicht wäre, könnte Dermaphoria ein feiner mittelgroßer Novemberschocker im Kino werden.

Tourism, Nirpal Dhaliwal Singh

Ah, England. Hier und hier. Der Held ist nicht weißer Britenstandard und leidet trotzdem am Ennui der Gegenwart. So grob formuliert hätte der Text durch die Lektorate gepitcht werden können. Hier hält der Inder eben nicht für eine Auffrischung des nationalen Lebensgefühls her, indem er einen Breitensport o. ä. gut ausführt und voll gut und menschlich daher kommt. Hier leidet der Held nicht ein bißchen in vorgefertigtem Rahmen, um dann kurz vor Schluss zum (natürlich herkunftsübergreifenden) Mittelstandsoptimismus zurückzufinden, der sich durch gelungene Mahlzeiten und eine kollektive Genügsamkeit auszeichnet.

Deshalb kann Tourism gefallen. Weil es das eben nicht tut. Es schnoddert sich stattdessen dem ganzen Ethno-Gutmensch-Gebräse entgegen. Sein Held ist zynisch, faul und hedonistisch, er hängt so rum und ab und bemüht eben nicht explizit die große Metaerzählung der Wurzellosigkeit. Was er sieht, ist nicht wirklich beeindruckend. Modern, globalisiert, ok, aber eben nichts von Dauer oder Wert. Die Slogans des guten Lebens in der westlichen Zivilisation erkennt der Tourist als Farce und würdigt die Schablonen des Ethno-Gemurmels mit ein paar schnellen Abwertungen.

Mit Houellebecq kann man als Vergleich nicht kommen, so wie es die Verlage bestimmt gern hätten. Es gibt ja mehr als zwei Touristen auf der Welt. Karte und Gebiet harrt noch der Konsumierung hier.

Double Indemnity, James M. Cain

Das Buch zu diesem Film. Ganz alte Schule. Eine viel zu selbstbewusste Krankenschwester will das große Ding reißen und konspiriert mit einem Versicherungsagenten auf den Unfalltod ihres reichen Gatten hin.

Kann man das so sagen, Versicherungsagent? Das klingt schon fast zu mondän. Eigentlich ist dieser ruhmreiche Klassiker auf die kleineren Menschen ausgelegt, auf eine amerikanische Massengesellschaft die in Kalifornien angekommen ist und seit kurzem das Frauenwahlrecht verstehen muss. Das ist gar nicht höhnisch gemeint: es muss ja faszinierend sein, wenn die heiratsfähigen Damen politische Entitäten sein können wobei doch bei Muddi noch die Fronten klar geregelt waren. Die männlichen Protagonisten müssen auf einmal aufpassen und können Frauen nun weniger als Ware und Lebensstilutensil sondern als patente Mitkonsumentin sehen. Obacht, die Blonde hat Gefühle. Und Begierden. Fatale Frau.

Der Held schleudert sich durch einen moralischen Limbus und robbt schließlich sogar zur Stieftochter der Wahnsinnigen (oder Konsequenten). In irgendeinem Alter muss man die Damen doch kontrollieren können! Herrje! Und das Geld, das schöne Geld? Das hat nichts mit Arbeit und Erfolg zu tun, nur mit Raffinesse. Es ist Belohnung für kühne Taten zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Was soll der Angestellte da nur tun, bei dem die jährlichen Provisionen nur seine Sackgasse beleuchten? Es ist zum aus-dem-Zug-springen.

5/29/2011

Postcards from the Future: The Chuck Palahniuk Documentary, Joshua Chaplinsky & Kevin Kolsch

Hier. Das Dokument, die Dokumentation, ist ziemlich alt - fast eine Dekade. Ernüchternd die Freundlichkeit des gefeatureten Autoren, der in Socken auf Mensatischen verstummten amerikanischen Wonneproppen Lyotard erklärt, ohne "Lyotard" zu sagen.

Noch ein Wort. Es ist ja eine Art Fan-Film und ebendieses Wort, das im Englischen durchaus auch "Luftbeschleuniger" meint, steht ganz gruselig im Mittelpunkt. Menschen erzählen, wie und warum sie zu CP gekommen sind. Folgerichtig gestehen der Autor und die Dozentin, die ihn auf den Campus lud, dass solche Literatur für Nichtleser geeignet ist. Menschen, die sonst gar nicht lesen, könnten von Fight Club und Lullaby und Invisible Monsters abgeholt werden und dann vielleicht sogar für Poe und King (aber wohl nie für James oder Updike) gewonnen werden. Bah, Pädagogik wie man sie von den Postern in der South Park Elementary kennt. Aber mit einem sehr charmanten Conferencier mit kniffligem Nachnamen.

Fans sind stets Quelle zeitgemäßem Ungemachs. Die steigern sich in etwas hinein. Die übertreiben. Die verbinden zwei Räume, deren Trennwand CP immer wieder bearbeitet: das Private und das Öffentliche. Wann kann man von Geheimnissen sprechen, wann von einer inconvenient truth und wann von Fan-Treffen im Gegensatz zu Terrorzellen? Project Mayhem besteht aus so einer Gegenöffentlichkeit. Wann wird mein Dreck unser Dreck? Wann haben wir alle Ichs kontaminiert und sind wir es längst? Wiegenlied vs. Virus, Aufzucht vs. Abtrieb. Falsches Leben im richtigen bzw. umgekehrt. Sehr breite Themen: und wenige stellen sie so entschieden und unterhaltsam dar wie CP. Selbiger gesteht auch irgendwann, dass er nicht jeden Fan versteht. Ein guter Moment.

Gut und erfreulich ist auch der Videobeweis zu Guts. Freilich hat der Medienkonzern diesen Schauwert erkannt und lässt die Dokumentation genüsslich hinein und hinaus argumentieren. Sei's drum. Worte gegen Bewusstsein, fast zu gut um kein Hoax zu sein.

Die Palme des Konsumenten heißt übrigens auch Chuck. Aber nicht als Referenz zu Herrn P., sondern zu LucasArts. Ihm/Ihr geht es gut und er/sie säuft seit Wochen wie ein Loch.