7/06/2007

Diabolus in Musica, Slayer

Manchmal verrotten die Dinge besser mit Abstand. Tod und Verfall und das Aufbäumen gegen beziehungsweise die Beschleunigung von selbigem sind ja Leitmotive der illustren Satanisten-Schar. Moment: Satanisten? Wohl kaum. Slayer sind seltsam altbacken und haben mit dem make-up Geknurre nichts zu tun. Es wird auch nicht geröhrt, sondern gerufen. Kreischen, ab und an.

Die Platte wurde jüngst zum vielleicht elften Mal seit fast neun Jahren gehört. Und endlich, endlich, fällt der blutige Groschen. Es ist schlichtweg ein Soundtrack für Massaker und je mehr man sich mit letzterem beschäftigt, desto eher machen diese Akkorde Sinn, Satan hin oder her.

Diabolus ist trotzdem eine Teufelsplatte. Die Thematik wird bis aufs Mark ausgeschlachtet (huahuahua). Slayer begeistert. Slayer erdet. Das ist ein Talent.

Neon Bible, Arcade Fire

Wie kann das sein? Woher wissen die was im Graben gespielt wird, wenn die Kutsche vorbeifährt und sich die Räuber auf der Laderampe balgen? Wie kann das sein? Warum wissen Arcade Fire, wie sich höchst persönlicher Herzbruch anfühlt (beziehungsweise mutmassenderweise anfühlen könnte)?

"Keep the car running" ist beispielsweise wie ein akustisches Polaroid zum späten Freitagnachmittag. Der Konsum des ganzen Albums in öffentlichen Verkehrsmitteln gestaltet sich als schwierig, da einfach viel zu viele viel zu gut passende Worte in optimal vertonter Weise durch den Mandelkern schallen.

Allerhand.

Nee, jetzt echt mal. Die Kapelle spielt ja in einer alten Kirche ihre Lieder ein und besteht auch aus vielen Musikanten. Heraus kommt eine grossartige epische Wucht, die trotzdem am alptraumhaften "Rock-Oper"-Konzept wie auch am Emo-Label vorbeischaukelt.

Grandios, und das alles ohne Gefiepe sondern mit Orgeln.

7/05/2007

Der Tod in Venedig, Thomas Mann

Und so kriecht der Konsum ineinander. Beim Lesen erklingt fortwährend die Stimme von Armin Mueller-Stahl im Kopf. Das hat Herr Mann nicht verschuldet und Herr Mueller-Stahl auch nicht. Eigentümlich. Dabei wurde das öffentlich-rechtliche biopic (muahahaha) gar nicht zur Gänze konsumiert.

Zur Sache. Hier handelt es sich um eine Novelle, und Novellen sind im Deutschunterricht (eine unleidige Pflichtvokabel beim Namen "Mann") beliebt weil kurz. Soweit so gut. Inhaltlich baut der Text vortrefflich auf Oberstufen-Geisteswissenschaft auf: der apollinisch-kühl-zivilisierte Schriftsteller Aschenbach sieht in Venedig einen Knaben, der ihn verzücken lässt. Na gut. Venedig ist allerdings ein finsterer Ort und spätestens als die verlotterten Musikanten aufspielen ist der dionysisch-verdorbene Unterton offenkundig. So wie die Stadt einer seltsamen Krankheit und einem Fieber erliegt, so geht auch der Schriftsteller an diesem Ort zu Grunde. Der Knabe bleibt blosses Objekt der Betrachtung. Die unmoralische Hinwendung des alten Mannes zum Knaben manifestiert sich in der triefschwülen Krankheit, die die Stadt schüttelt.

Noch ein Wort zur Zeit damals, und das hat schon bei den Buddenbrooks und vor allem dem Zauberberg verwundert: wieviel Urlaub konnte man damals eigentlich machen? Hatten die Herrschaften wirklich nichts weiter zu tun, als wochenlang in Cafés rumzulümmeln? Wie kann man denn VIER wochen urlauben? Das wird beschrieben wie ein nicht enden wollender Sonntagnachmittag. Da muss etwas schiefgehen, weil eben nichts "geht" ausser dem schwülen (ha!) Wind (hier der "Scirocco"). Stillstand ist der Tod. Vielleicht wusste Herr Mann das besonders gut.

Die sprachliche Einmaligkeit versteht sich. Es ist ein wundersamer Ton, den Herr Mann da anschlägt, sowohl präzise als auch spielerisch. Er hat es nicht verdient, nur mit TV-Produktionen und Deutschstunden assoziiert zu werden.

7/04/2007

Live Free or Die Hard, Len Wiseman

Die Actionfilmreihe mit dem wohl prägnantesten Imperativ als Titel ist hier bekannt durch die Verwurstung im Fernsehen. "Genrebildend" fällt einem auch ein. Nun also endlich im Ur-Format.

Keine Brüller: es gibt keine running gags mit irgendwelchen Kollegen. McClane ist ein einsamer harter Hund, jetzt sogar mit Tochter. Die Hard ist nicht Lethal Weapon. Wann kommt da eigentlich der nächste? Die Scherze bleiben klein, die grosse Ironie-Keule (eine tricky Sache) wird nicht geschwungen. Das mit dem Frauenverprügeln ist nicht wirklich neu. Trotzdem witzig weil vollkommen unmoralisch.

Leider weiss der Film um seine Vorgänger und ruht sich irgendwie auf seinen Lorbeeren aus - aber was will man da erwarten? Dinge explodieren. Ja, sicher, das muss sein, aber wie soll man das denn aufregender machen? Actionfilme sind nie glaubwürdig. Aber der Ansatz der Plausibilität (sagenwa mal so) wird von DH 4 komplett ignoriert. Flugzeug! Verdammt noch mal! Flugzeug! Sah gut aus, aber... EIN HUND IM BÜRO?!?!? Vielleicht hat sich Len Wiseman daran verhoben. Der hat vorher Underworld gemacht. Und Mark Bomback (Buch) hat vorher Constantine halbwegs gerettet.

Am interessantesten ist die Implementierung dieses Nerd-Stereotyps, eben des jugendlichen Windeis, das lieber ego-shootert statt Baumhäuser zu bauen. Erst veralbert Vater John die Comic-Sammlerfiguren, dann muss er sich von ihm, dem Bengel, den Plan der Bösen erklären lassen. Ein Höhepunkt ist das Auftreten von Kevin Smith, dem uneingeschränkten König der Fanboys. Diese Thematik macht Sinn, nicht nur wegen der Macher: nach Die Hard 3 (und Sam Jackson ist wirklich unersetzlich) wuchsen die Möglichkeiten des Genres. Der frische StarMatrixRings-Hype hat die Zielgruppe korrumpiert und mit vollständigerem Eskapismus versorgt. Jetzt poltert also das seit Jahren langsam sterbende Arbeitspferd McClane oberflächlich gegen diese neuen Zeiten... früher war alles besser. Da hatten wir auch nicht diese ganzen Internets und den Tüddelkram.

Die neue männliche Generation ist somit verweichlicht und kann mit Gewalt aber geheilt werden. Helden brauchen freilich Narben, und manchmal bekommt man die nur auf einer rampage tour mit John McClane.

Immerhin ist DH 4 auch ein Film für Vati und Mutti.

Wann kommt 5? Na los.

7/01/2007

Blood Makes the Grass Grow Green, Johnny Rico

Untertitel gibt es auch:
A Year in the Desert with Team America - Confessions of a Citizen in Afghanistan

Ebendies ist es. Johnny zieht in den Krieg aber keiner zieht mit und so sieht er sich dem Nichts (in seiner sowohl landschaftlichen als auch erkenntnistheoretischen Dimension) gegenüber. Er erlebt persönlich, wie sich seine 20er Jahre in Luft auflösen. Infamerweise ist das lustig. Die Nähe zu Jarhead ist eklatant und doch wird die gleiche Geschichte auf andere Art und Weise erzählt. Swoffords Bericht gab sich den Tatsachen hin und hat als erstes Buch zum Thema durch seine nüchterne Art und Weise erschüttert (und so den Gyllenhall-Film verursachte), da macht Rico erst mal Scherze.

Der Junge hat auch ohne Krieg ziemliche Probleme. Mit diesem Namen ist er nicht geboren.

Ist es Literatur? Eher nein. Es ist eher ein Hybrid aus New Journalism, dem grossen U, und einer Groteske. Die naheliegenden Verweise auf Catch 22 und die ersehnte Hemingwayesque Erfahrung werden artikuliert und nicht umschifft.

Humor und Krieg verträgt sich gut, aber nur wenn ersterer auch über Leichen geht. Es ist ein seltsames Gefühl, so ein Buch zu lesen. Zum einen unterhält man sich durch das Leid anderer, zum anderen erwartet man ja auch keine strahlende Heldengeschichte. Was wiederum traurig ist. Das Epos des Krieges muss zerstört werden. Vermutlich damit die Daheimgebliebenen glauben, sie hätten nichts verpasst. Haha.

Und von wegen An Army of One. Ein sehr unorganisierter Haufen, der sich mit Flipflops und PSPs durch die Zeltstädte schleppt, stets auf dem Weg zum shitter oder von da weg. Und ständig schauen sie Dirty Dancing oder Platoon. Man hat's geahnt.

Das mit der Katze war fies, aber stimmig.

"Fuck, I want to shoot someone, anyone."