12/20/2007

Saisonbedingte Ausfälle

Zu gewissen Zeiten im Kalendarjahr muss man sich stetig präsenten Ängsten stellen. Und es gibt ja zweifellos wenige Menschen auf der Welt die bedrohlicher sind als Billy Idol. Das war so und das wird immer so sein.

Billy ist mit der Gabe der Lungenentzündungsimmunität gesegnet. Deswegen braucht Billy auch nie einen Schal oder die oberen fünf Knöpfe vom Hemd. Billy hat nie etwas zu verschenken gehabt und sein Musikant trägt die Sonnenbrille nur weil Billy ihm soeben die Augen herauskaute.

Billy freut sich so weil hinter der Kamera ein Bus voller Klosterschüler brennt.



Ist das ein Symptom? Ist das ein Zeichen? Ist das die letzte Warnung oder der Anfang vom Ende? Hoffentlich ist Billy auf unserer Seite.

Mehr infame Jahresendzeittracks bei der Times Online.

Todeszug nach Yuma, James Mangold

Warum Western? Weil sie das wohl gnädigste Vehikel für klassische Dramatik sind. Die Bühne ist vorgefertigt und jedes neue Werk kann sich wahlweise ins Genre einnisten oder es in Frage stellen.

Mangold hat auch Cop Land und Walk the Line gemacht. Die Stilisierung von hadernden Herren scheint ihm im Blut zu liegen. Hier sind es Bale und Crowe, die sich ein knackiges Duell liefern, wie es in so vielen Western abläuft: der ehrliche Farmer ist verkrüppelt und arm und nur der Gesetzlose kann sich kultivieren und sich die Freiheit nehmen, die das Land verspricht. Wie bei Jesse James wird die Frage der nachwachsenden Männlichkeiten auch angesprochen: der respektlose Farmerssohn lernt seine Lektion doch der psychopathische Robin des Gangsters hat keine Zukunft mit seinem haltlosen Lebensstil. Unheil ist für alle da, doch nur einige haben die richtigen Strategien dagegen.

Yuma hat jede Menge Abstand zu Jesse James, Western/Fanboy-Schema/Todeszelebration hin oder her. Yuma ist griffiger, ruppiger und geradliniger. Die Bilder von Jesse sind herber, frischer und verstörend elegisch. Aber Kumpanenwirtschaft, die Logik von Revolvern und Dynamit sowie die tickende Uhr bleiben Grundmotive in Yuma und anderswo.

12/17/2007

Suttree, Cormac McCarthy

Wie kann das sein? Wie macht er das?

Das große Bild ist der Fluss. Ja klar, gähn-gähn. Aber nein.

Manche leben unter Brücken, manche werden hier ihren Müll los. Andere brechen winters ins Eis und verschwinden. Dann sind da noch Fischer wie Suttree: sein Hausboot steht im stehenden Gewässer.

Suttree ist ungebunden und somit haltlos. Da waren nie Stricke die hätten reißen können. Unter den Menschen ist der Sumpf. Wo hört das schwarze Wasser auf und wo fängt die Erde an? Manchmal tritt der Fluss über die Ufer und frisst eine Straße oder unterhöhlt den Friedhof und versenkt Grabsteine. Die Menschen sind blinde, einfarbige Insekten, die zwischen Provisorien und Fäkalien arbeiten, saufen und strampeln.

Im Knast lernt Suttree Gene kennen, einen Menschen der bald zum Child of God werden kann. Das Attribut "einfach" hat schon zuviele Silben, um ihn zu beschreiben. Wie er versucht, ein waidwundes Schwein mit einem Zinneimer und einem Holzscheit zu erschlagen, ist atemberaubend. Oder die Sache mit den 42 Fledermäusen.

Vielfarbige Galle ist und bleibt ein Thema.

Faulkner war nie so sichtbar wie hier. Diese Sprache: grob und körnig und treffend und schwarze Löcher reißend. Das Unwort "Erhaben" geistert herum, aber nein: das würde ja heißen, das Verstand und Vernunft irgendwie beteiligt wären. McCarthy schreibt nicht für Menschen. Harold Bloom nennt ihn den wichtigsten alten weißen Literaten der USA neben Roth, Pynchon und Delillo. Recht so. Bei Suttree ist der Leser eines der Insekten, das nur kurz in jenem Kosmos zu Besuch ist, ohne ihn ganz zu verstehen.

Und das verstörendste daran ist der humoristische Einschlag. Jawohl, Suttree ist irgendwie komisch. Wie kann das sein?

Dieser Eintrag mag verfrüht sein, denn er entsteht auf halber Strecke. Suttree ist eines der wenigen Bücher, bei denen das Umblättern weh tut weil man damit dem Ende näher kommt.

Jagut, das mag nur eine effiziente Selbsthypnose sein. Keiner ist wie Cormac und der Enthusiasmus lässt sich nur schwer zügeln.

Kaufen, fressen, lachen, weinen.