12/24/2008

Mit freundlichen Grüßen an alle potentiellen Diabetiker

Ticktack, ticktack. Tempus fugit.

Nach dem wilden Billy von letztem Jahr hier etwas Versöhnlicheres, wenn auch süßlich Verunstaltetes. Zur Rehabilitation des Ur-Produkts wird auch diese Interpretation nicht führen. Bei Jimmy Eat World ist ja immer irgendwie Weihnachten.



Zum Ehrentag aller Konsumisten und ihrer Bürgerpflicht verbleibt der Konsumgraben mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen für eine erfolgreiche Jagdsaison. Guten Appetit!

Transsiberian, Brad Anderson

Jetzt aber. Anderson präsentierte einst den faserig-schönen Maschinisten mit Chrissi Bale und nun darf er sich in fast klassische Thriller-Untiefen begeben.

Die Optik ist dezent und unterstreicht die (freilich auch menschliche) Kälte der eisigen Wildnis. Beengte Räume sorgen ja meistens für Spannung und in der Geschichte kommt das urtümliche Prinzip der Eisenbahn schön zur Geltung (es geht nur vorwärts, Abteile sind eindimensional angeordnet, die Haltestellen sind festgelegt, die Geographie wird blind durchschnitten...). Schuld und Sühne und Lügen und Gier verheddern sich zwischen zwei Stahlschienen zu einer gefährlichen Machtstruktur. Tschu-tschu-tschu.

Transsiberian und seinen Schauspielern ist nichts vorzuwerfen. Nur nach dem Crescendo geht das Ganze fast ein wenig zu gefällig aus.

Frisk, Dennis Cooper

Sonderbare Minderheitensexualität? Einst (19. Jahrhundert) Vampirgemumpe, heute (die millenniale Epoche der Umwälzung) der Zoo der Perversionen. Ist das sozialkritischer Realismus oder nur Spaß oder Hölle, Hölle, Hölle?

Nach Closer also Frisk. Wieder eine Novelle voller bizarrer Körperwelterfahrungen mit grenzgängerischen jungen Männlichkeiten. Wieder gibt es Koprophilie, -phagie, S trifft M, die Erforschung (und Freilegung) des sinnhaft Inneren. Einige Themen, die bei The Sluts so rockten, sind hier schon angelegt: der sogenannte "Autor" wird zum Ich-Erzähler und erzählt und schockt und sagt dann, es sei alles nur erfunden. Doch allein die Geschichte schürt das Interesse an den Tabus, die sie bricht. Wem ist zu glauben? Welches Snuff-Theater arrangiert hier eigentlich wer? Wo die Protagonisten sich der brutalst-möglichen Körperinspektion widmen wird Herr Cooper zum Gespenst. Und was ist eigentlich die Geschichte hinter den neon-grellen Bizarrerien? Hoppla! Ja, wer ist denn da im Lunar Park gelandet?

Wieder ein wichtiges Buch, und dabei überhaupt nicht schön.

Cooper ist jenseits von populären Feuchtgebieten und Argumenten und es ist eine (seltsame) Freude, ihm zu folgen. Er gibt keine Antworten und lässt den Leser fein schmoren, ohne eine bestimmte Garzeit festzustellen.