11/30/2012

The Woman, Lucky McKee

Hölle, ja. Hier und hier. "Daddy, can we keep her?" Vati findet eine wilde Frau und kettet sie in der Garage an. Dieser erbarmungslose Splatter-Thriller nimmt sich also des Sexismus an, der sich transfamiliär und intrakorporal Bahn bricht und die Leiber fliegen lässt. Wie, das ist alles übertrieben? Was soll denn hier übertrieben sein? Manche Frauen haben eben Grund zur Wut. Wenn sie keine Sprache haben und gut mit Zaunlatten umgehen können, dann krachen sie eben zähnefletschend durch das Haus. Keine Leine hält ewig.

Die letzte Einstellung ist sensationell und gibt dem Schocker eine fast epische Note.

11/29/2012

The Virgin Suicides, Jeffrey Eugenides

Dies nochmal. Hier. 5, 4, 3, 2, 1. Keins. Das Drama der welkenden Mädchen spielt sich im Flüsterton ab, wenn die sich erinnernden ehemaligen Jungs vom Tod ihrer und ihrer eigenen Jugend erzählen. Coppola's Filmversion wurde noch immer nicht konsumiert. Man traut sich nicht. Die bittersüßen Bilder des Romans sollen durch vielleicht allzu rundgelutschte Filmszenen nicht verdrängt werden.

Skyfall, Sam Mendes

Alle Jahre wieder. Hier und hier. Sitzt und passt. Wenn bei einem Film kurz der Projektor ausfällt, wird man sich in der plötzlichen Helligkeit der Künstlichkeit des Produktes gewiss. Bei Bond mit Craig und von Mendes ist das angenehm. Es ist (jetzt schon) wie die Rückkehr in die zweitliebste Bar der Straße. Deutlich und ehrlich werden die Symbole und Routinen des frühen franchises zerstört: Autos, Unfehlbarkeit, Edelmut.

Der Feind ist freilich super. Gelernt ist gelernt, Herr Bardem: demnächst bitte den Grinch oder etwas mit Raumschiffen. Er beweist, dass es keine schlechten und undankbaren Rollen geben kann.

Mit Skyfall endet die Bond-Werdung und das Schönste an diesem kompakten und nur selten überraschenden Film ist, dass man sich tatsächlich auf den nächsten freut.

11/25/2012

Sag Harbor, Colson Whitehead

Hier und hier und hier. Aus Benji soll Ben werden und das möglichst schnell. Der Sommer in den 1980ern wird im Ferienhaus verbracht und die Kumpels, auch alle schwarze Amerikaner, sind schon am Strand. Der Erzähler hatte also einiges vor.

Aber der sich erinnernde Ben lässt sich Zeit mit der Rekapitulation und erzählt mit süffisantem Unterton vom bizarren Pop einer seltsamen Dekade und wie er und sein Bruder zwischen Run DMC und Bill Cosby zu navigieren hatten. Auch beleuchtet er nachhaltig die Gestaltung und die Veränderung einer Gemeinschaft von Saison-Urlaubern, die sich jedes Jahr leicht entstellt zum BBQ wiedertreffen. Diverse erste Male ereignen sich und Benji mag ein wenig scheu gewesen sein, doch in der Erinnerung bringt er punktgenau die Unwägbarkeiten und Dämlichkeiten einer geschützten und doch endenden Jugend zum Ausdruck.

Ein richtig, richtig guter Roman. Ehrlich und überhaupt nicht infantil und laut. Überhaupt nicht wie populäre Darstellungen amerikanischer Jugend.

The Skeleton Key, Iain Softley

Hier und hier. Das ging schnell. Spukhaus, verwegene Vorgeschichte, pittoreske Verwendung des sumpfigen Südens der USA mit seinem Verlangen nach reinem Blut, Neuling nutzt Schlüssel und Türen und entdeckt verborgene Zwischenräume, Verschwörung wird durch Neuling aufgedeckt, bitteres Ende.

Die nächste, bitte.

Citizen Kane, Orson Welles

Hölle, ja. Hier und hier. Dieser eine Bürger kann es schaffen - wenn er als Kind überrumpelt und in  potentiell vielversprechende und vermögende Hände gegeben wird. Welles liefert ein beispielloses Werk des produktiven Narzissmus ab, der sehr gut als Illustration des Identitätskults der amerikanischen Mittelschicht verstanden werden kann. Schwarze Freitage können keinen Bürger aufhalten, solange er (und es muss ein "er" sein) tollkühn und selbstgerecht handelt. Man kann ja nicht "selbstgerecht" sagen, ohne "gerecht" zu sagen.

Letztlich kann der Bürger auch seine Kategorie sprengen und zum Kaiser werden: inmitten eines transzendentalen Palastes voller Ramsch kann sich Kane endlich als Mitte des Universums und seines eigenen Versagens (was freilich das Gleiche ist) begreifen. Mehr von allem. Hängt die, die von weniger reden.

Max Payne 3, Rockstar Vancouver

Hier und hier. War kurz und voller cut scenes. MP3 will sich als körperschindender Aktionsfilm inszenieren und schafft das auch - die bullet time hat diese Marke eh schon cineastischer gemacht als viele andere. Neu ist ein passables Deckungssystem - aber trotzdem kann man sich plump in den Raum hechten und die Protoleichen in Zeitlupe erledigen. Und jetzt wird auch erzählt. Und erzählt. Und erzählt. Eine weibliche Protagonistin wird vermisst: bei MP2 gab es noch Mona. Für die begriffsstutzige Masse werden einzelne Phrasen auch eingeblendet, so dass ich ein Surrogat bildet, eine Noir-Hülle. Das muss sein. Tiefe Charaktere sind da ja eh nicht wirklich erwünscht oder möglich.

Für Abwechslung sorgen die verschiedenen Schauplätze. Stadt, Büro, Slums, Rollfeld. Fein. Auch der Umstand, dass Möbel und Oberflächen durchaus Schaden nehmen können, gefällt. Und Herr Schmerz macht sich irgendwann die Haare fein. Weniger fein, aber wahrscheinlich dem guten Ton geschuldet ist der Umstand, dass die Feindeskörper vor allem intakt herumliegen. Man könnte doch den Effekt von Schrotflinten, Granaten, und 9mm unterscheidbar machen, oder? Ist doch in echt auch so. Vielleicht fliegen bei MP4 Finger, Rippen, Kiefer durch die Gegend. Die Menschen wären dem Mobiliar dann ebenbürtig.