11/08/2012

Psycho, Alfred Hitchcock

Zweiundfünfzig Jahre alt. Hier und hier. Unter all der popkulturellen Kruste sitzt ein verwegen guter Film. Hitchcock und Paramount haben dieses Vehikel beispielhaft geplant und durchdacht und setze zum einen freilich auf die Mundpropaganda des "Schockers," haben aber zum anderen nicht die etwas kühleren Kinobesucher vergessen. Psycho ist ein Genre-Mix aus Noir, Horror, aber auch dem öffentlichen Raum des Fernsehens: der Film schlachtet (!?) die Mär von Ed Gein aus, die damals bereits durch die Gazetten geisterte. Es ist ein Fortführung und genüssliche Zuspitzung bereits kursierender Meme, die durch den fantastischen Einsatz von Leigh und Perkins in den Orbit katapultiert werden.

Und diese letzte Einstellung ist noch immer... etwas besonderes. Die wurde bei der Erstbeschau vor einigen Jahren glatt verdrängt. Zu recht. Jetzt flackert es wieder.

Looking for Alaska, John Green

Hier. Zäh gestaltete sich der Konsum dieses eigentlich recht zügigen young adult Romans. Das Dumme ist und war, dass die Hauptperson namens Alaska, die die Handlung und den Erzähler tüchtig voran bringt, gar nicht sympathisch ist, sondern ziemlich öde. Sie ist ein MacGuffin, und ihr Verscheiden macht die Mitte des Buches und den Ursprung der Ver- und Entzauberung aus, die jugendliche Helden eben so erfahren müssen.

John Green hat mit Will Grayson, Will Grayson einen vielfach überlegenen Roman für und über die Zielgruppe (mit-)geschrieben, und das nicht nur wegen dem queeren Unterton dort. Alaska? Warum nach ihr suchen? Im Norden bleibt es kühl und frisch und öde. Life's a beach.

11/06/2012

DC One Million, Grant Morrison

Hier. Damals war die Welt noch in Ordnung. Es gab eine Zeit, da war das DC Universum noch nicht von dieser neorealistischen Farbe durchzogen, da ging es kosmisch umher und ironiefrei und bunt. One Million ist so ein famos-drolliges Zeugnis dieser Ära, das mit der (zugegebenermaßen genialen) Idee daherkommt, dass die JLA der fernen Zukunft was in der Gegenwart zu schaffen hat. Zeitreise, ja, schon wieder: aber super sci-fi-sierte Kostüme! Und so plumpt man sich durch die Jahrtausen, immer mit dem Auge auf das Verhältnis von Variation und Wiedererkennung.

Zum fast retro-mäßigen Lektüreerlebnis trägt der grobe Papierdruck bei. Ach, DC. Marvel ging zuvor nur ins Jahr 2099, hu? Durch irgendein Erlebnis damals (äh, dann) gibt es der derzeit ein futuristisches Spider-Girl in NYC. Oder einen Spider-Man? Jedenfalls einen mit SciFi-Vibe. DC musste wieder übertreiben: gleich die ganze JLA und gleich eintausend Millenia weiter.

Little Big Planet 2, Media Molecule

Hier und hier. So, endlich mal innovative Spieleideen. Moment. "Innovativ" wie in "neu"? LBP2 (und LBP1 wohl auch) sind Teil eines dekadenalten Genres, und das hieß und heisst Jump'n'Run. Von der Seite schauen, in die Fläche scrollen und hüpfen, hüpfen, hüpfen.

OK, einen Helden wie "Sackboy" gab es noch nicht so oft, immerhin kann man seine Gesichtszüge mit den linken Tasten beeinflussen. Debil grinsend sieht das Gespringe freilich noch niedlicher aus. Und man man kann ihn (oder sie) anziehen, wie bei GTA. Äh, ja.

LBP2 ist vor allem auf multi-player angelegt, die Kampagne für einen ist aber durchaus unterhaltsam. Früher gab es bei Jump'n'Runs immer so knifflige Stellen, bei denen man einen Schulfreund (oder, noch schlimmer, -bekanntschaft) bitten musste, sie zu spielen. Lianen, Feuerfontänen, trallala. Bei diesem Produkt hier ist der Schwierigkeitsgrad sehr versöhnlich, es geht ums vorankommen und Zeit vergeuden und weniger um sportlichen Ehrgeiz. Aber ohne Interesse für andere Menschen im multi-player ist der Reiz von LBP2 recht schnell erloschen.

10/30/2012

Ham on Rye, Charles Bukowski

Zum vierten oder fünften Mal. Hier. Diesem Klassiker steht wenig entgegen - wieder ist es die Kombination aus Härte und kühler Beobachtung, die einen wohlig erschaudern lässt. Der Titel impliziert es und es wäre wohl nur rechtens, wenn HoR jeder Ausgabe des Fängers im Roggen hinzugefügt würde. NYC vs. LA, Katharsis vs. Aushalten. Immer wieder gern.

Being John Malkovich, Spike Jonze

Hier. Noch'n Jonze hinterher: dieser Klassiker ist lächerlich gut und klug und keineswegs auf das Wohlwollen seines Hauptakteurs angewiesen ist (obgleich das freilich fein ist und Herr M. einiges schafft).

Die graue, graue Großstadt endet in New Jersey und die sogenannten Berühmtheiten helfen der trottenden Bevölkerung, den Mist zwischen Fleisch und Beton besser zu ertragen. Ein Loch im Beton führt also in ein land of plenty: hinter die Augen eines Avatars ohne blaue Tönung.

10/28/2012

Adaptation., Spike Jonze

Doch, da ist ein Punkt im Titel. Hier. Immer so ein Kopfkino! Diesmal sogar mit zwei Körpern. Herr Cage kann ja machen, was er will, ab und zu trägt er zu grandiosen Stücken bei. Hier ist er der Autor und die Geschichte und verkörpert die furchtbare Aufgabe, Geschehenes in eine kommensurable Form zu pressen.

Freilich sind die üblichen Verdächtigen nicht weit: bewährte Begriffe wie Original und Fälschung, Bewegung und Zeit, sowie Gehirn und Gespür treten in Konflikt. Das alles vor herrlich inkompatiblen Kulissen, nur mit der Geschichte und der Geschichte zweiter Ordnung vor der Kamera. Klingt alles verkopft, ist aber schmissig und verspielt und zur richtigen Zeit wieder ernsthaft. Es endet im Sumpf, wo Bewegung schwierig und spannend wird. Man verlässt das bekannte Territorium der Flächen und plumpst in den Morast - wie beim Konsum feiner Geschichten. Recht so.

10/26/2012

Building Stories, Chris Ware

Hier. Dies ist ungelogen das Schönste und Nachhaltigste, was seit Wochen auf und durch Papier in den letzten  Monaten genossen wurde. Ware gibt sich auf beeindruckende Art und Weise mit dem regulären Buchformat *nicht* zufrieden: in einer recht großen Papp-Box kommt BS daher und beinhaltet farbige Druckwerke unterschiedlicher Art. Zeitungen, Handzettel, Bilderbuch. Ware aktualisiert das Verhältnis von Medium und Inhalt und schafft es dabei auch noch, betont flache Innenräume zu einem weiten Kosmos zu verflechten.

In jedem Teil des Ganzen ist eine Geschichte der Bewohner dieses einen gewissen Hauses notiert. Die Geschichten überkreuzen und beeinflussen sich. Mit jeder neuen Einheit wird die abstrakte Geschichte des gesamten Gebäudes weiter geschrieben und verdichtet. Es ist keine Lesereihenfolge vorgegeben, und so ergibt sich bei stetiger Lektüre ein einmaliger Blick auf den Stand und den Verfall der Dinge.

Die flachen Innenräume, die strenge isometrische Perspektive unterstreicht die Flachheit des Jetzts zugunsten der Komplexität der Erinnerung. In filigraner Feinarbeit stellt sich Ware nicht gegen die Bildboxen, Dialogblasen und Monologkisten, sondern verbindet sie nachhaltig. Das könnte Melancholie im weitesten Sinne sein, das ist jedenfalls das Nachsinnen alter Wohngegenden. Spuren auf dem Teppich, Sprünge im Geschirr, unpassende Vorhänge. Alles Indizien der schlechten Entscheidungen. Jeder von Wares Helden denkt und räsoniert und resümiert und müht sich ab. Jedes Gebäude ist eine potentielle Ruine - der Moment des Glücks ist derjenige, bevor man neues Glück braucht (irgendwie hängt das Gespenst von Don Draper in diesem Gebäude fest). Und trotz der künstlich-kargen Optik bringt Ware den Leser zum Mitfühlen und fordert detektivisches Gespür für Wurzeln von Verzweiflung und materielle und spirituelle Ermüdung.

Uncharted: Drake's Fortune, Naughty Dog, Cerny Games

Hier. Ein feines rundes Ding. Kurzweilig wie nur was, da alle bekannten Abenteuerprodukte sich durch jeden Pixel ziehen. Lara, Indy, was auch immer. Die Bewegungen sind fein flüssig und sinnvoll und eine große Menge cut scenes treibt die Handlung, die sich in einem Rutsch abspult, voran.

Ungut allerdings der sehr massenhafte Einsatz von Schusswaffen. Da wären mehr Rätsel feiner - natürlich haben die Aztekenmayatlantis-Schergen damals ihre Katakomben an jeder Ecke mit Hebeln, Steinverschiebe- und Bilderrätseln ausgestattet.

Letztlich ist "episch" aber anders: das Gehüpfe und Geballere hält eine sehr konservative Geschichte zusammen (Zombiefluch, verschwitzte Ladies zum Wegretten, Kolonialismuskritik mit der Dichte einer Milchschnitte, etc.). Mehr Landschaft! Vulkanausbrüche! Mehr Kometen, bitte! Vielleicht bei Teil 2?

10/25/2012

Green Lantern: Rebirth, Ethan Van Sciver, Geoff Johns

Schon wieder Kopfschmerzen. Hier. Sehr viel Grün und sehr viele unterschiedliche Kostüme: das hat man nun davon, wenn die Superkraft ein intergalaktischer MacGuffin ist, der aus einer kosmischen Fabrik kommt und somit auch nicht wirklich einzigartig ist. Neineinein, der Green-Lantern-Ring ist keine billige Kopie des Einen Rings (to rule them all and in darkness bind them) und auch kein Hinweis auf die erzählerische Struktur.

Der Ring ist eigentlich ein Vehikel, um es dem Zeichner einfach zu machen. Soll der Riesenroboter mit einem Riesenhammer bekämpft werden? Da ist er, in grün. Und riesig. Bauz! Warum Grün? Und was sagt der Kryptonier dazu?

Rebirth könnte also als Ringstruktur arrangiert werden, wurde es aber nicht. Es ist eher ein Durcheinander von diversen Kostümvariationen und der, äh, gelben Gefahr, die von Sinestro ausgeht. Ja, so ist das hier. Farben haben Gewicht.

10/15/2012

Savages, Oliver Stone

Hier und hier. Der Film konnte nicht gefallen, da er zu lang war. Er hat sich nach zwei Dritteln neue Protagonisten gesucht. Er hat das bekannte Glitzer-Gewalt-Kalifornien gezeigt, dass man aus MTVnfizierten Alpträumen kennt. Der Film hat keine Protagonisten, denen man eine Entwicklung zutraut oder wünschen kann.

Die wundervollen Blockbusterarbeiter del Toro und Hayek ergeben sich der mexploitation, da sie mittlerweile getrost darüber stehen können. Sie sind Lichtblicke in einem ansonsten gleißenden Neonalptraum, doch auch sie sind fundamental als Nebendarsteller eingebaut und bekommen außer feinen Einzelszenen nichts zugestanden. Das ist ärgerlich.

Der Thriller selbst ist teils sehr unlogisch. Jaja, Geld ist im Internet. Scharfschützen liegen immer in der prallen Sonne. Vom Kiffen wird der Strand noch strandiger. Autos detonieren von alleine. Ach, Mr. Stone. Was soll nur aus Ihnen werden?

10/12/2012

Infinite Crisis, Geoff Johns

Hier. Lies doch mehr DC, haben sie gesagt. Du musst deine Hausaufgaben machen, haben sie gesagt. Du verstehst die Wucht der Zahl und Marke "52" nie ohne Infinite Crisis, haben Sie gesagt.

Dass es hier um einen bösen Superboy geht, der mit einer Teilrüstung erst durch eine Sonne geschmissen werden muss, um von seinen Verwüstungen abzulassen, davon sagten sie nichts. Es geht bei Infinite Crisis eher um einen atmosphärischen Kampf: das alte DC Universum mit seinen Helden und lachenden Vagabunden und bunt-kosmischen Herrlichkeiten will das neue(re) DC Universum ausschalten. Letzteres ist nämlich zu dunkel, die Charaktere sind hier zu selbstzweifelnd und Batman weint im Schlaf und manche sidekicks haben Heroin genommen ("Speedy!!!").

Das ist natürlich ein verlegerischer Alptraum. Und es ist wahrlich eine gute Idee, diesen formalästhetischen Konflikt für einen serienübergreifenden Rundumschlag zu nutzen. Da kann man dann so DC lesen und sich voll literaturtheoretisch stimuliert fühlen.

Nachteil an IC ist die Wonne und die Hingabe der Illustratoren. Leider kann der Konsument kaum drei oder vier Seiten blättern, ohne dass ihm vor lauter Farben, split frames und Detonationen schlecht wird. Dieses Produkt hat tatsächlich geschafft, was ein Film nie schaffte: eine optische Übersättigung, ein Zuckerschock. Dadurch kann man der Handlung auch nur bedingt folgen... der Wikipedia-Eintrag klärt (monochromatisch) über die Details auf.

Die letzte DC-Neuerung scheint derweil aber wieder andere Ziele zu folgen: eine deutlichere Orientierung an der Filmwirtschaft und eine Abkehr von den halberwachsenen Fans, die eh nur nörgeln, hin zu den Kindern, die mit bunten Kostümen noch nachhaltig unterhalten werden können. Wo man wieder bei Superboy wäre: der hat ein neues Schwarz-Rotes-Naniten(?)-Ding an, das besser ist als jede Variation des klassischen Superman-Leibchens.

10/07/2012

The Horse Soldiers, John Ford

Hier und hier. Täratetäretääätetäääreteräää! Zwei edle Streiter für das Gute mit unterschiedlichem m. o. werden durch das große Projekt des rechtschaffenen Krieges geeint und dürfen ihre unterschiedlichen Meinungen und Fähigkeiten präsentieren.

Dies ist eine embryonale Vorstufe des Buddy-Movies - hier wird nicht zusammen geblutet, hier wird vielleicht mal die Hand geschüttelt. Das muss reichen und für echte Kerle reicht das auch.

Die Handlung erhält Bewegung durch den Bürgerkrieg, der mit edlem Pathos als humanistische Notwendigkeit ohne klare Abwertung des Gegners inszeniert wird. Ist klar, denn der Duke ist ja auch im Süden beliebt. Verblüffend dabei die beiden Frauen: die sehr weiße southern belle muss erst vom nordischen Rauhbein gezähmt werden, um dann unfrisiert und abgeregt endlich mitzuhelfen. Die schwarze Frau ist besorgt und eifrig und vollkommen unsichtbar. Dann gerät sie ins Sperrfeuer und dient der weißen Frau zur Entrüstung und zur Inbetriebnahme eines südstaatlichen Stolzes im Sinne der Nordstaaten.

Allen zeitgeistigen Irritationen zum Trotz: John Ford ist großartig in seiner Deutlichkeit und Kraft; seine Bilder erzählen von ganz allein, wie die Welt ist oder zumindest, wie sie zu sein hat. Hier wird nicht angedeutet, hier wird abgeschossen.

The Perks of Being a Wallflower, Stephen Chbosky

Hier. It was the best of times, it was the worst of times. Zum Glück verschwendet Chbosky keine Zeit und keine Zeiten sondern erzählt präsent und stetig von der ersten Seite an von den Abenteuern und Erkenntnissen des pubertären Helden. Selbiger scheint zerebral irgendwie besonders: ein teils beklemmender Autismus zieht sich durch den Briefroman (die Kapitel sind direkt an den unbekannten Leser gerichtet), der teils aber auch als etwas exaltierte Ausdrucksweise durchgehen mag.

Am tollsten an diesem Roman ist der Sex, denn der ist weder sensationell, noch lächerlich oder traumatisch. Diese Dimension tut sich einfach allmählich auf und das Mauerblümchen hat eine einmalige Perspektive auf das Geschehen, ohne sich am Ende dafür rächen zu wollen. Dies scheint ein Menschenbuch zu sein, für Menschen bevor sie ausziehen und eigene Menschen produzieren und somit etwas anderes werden.

Bald im Kino nebenan.