9/10/2007

Als wir träumten, Clemens Meyer

Der Titel macht mehrfach Sinn, doch nicht ganz. Es ist eine Sammlung von Erinnerungen - grobe Stücke, aneinandergereiht durch eine bemerkenswerte raufeine Sprache.

Achje, Leipzig: die Vergangenheit ist herb und hart. Jungs und Hunde werden verprügelt, es wird gesoffen und gequarzt und gelitten und gebissen. Im Zuge der Auflösung ostdeutscher Fussballclubs bleiben die Fans auf der Strecke, die sonst eh nichts hatten. Oder sie verlaufen sich in den Mob der gegnerischen Fans, Aggro-Glatzen aus Berlin. Prost. Einer der Höhepunkte ist die Prügelei im Swinger-Club am Ende. So manche Passage ist so lustig, dass man sich schämt. Irvine Welsh scheint nah zu sein, doch das hier ist nicht Schottland - das ist Sachsen.

Die Abwesenheit von Träumen ist wohl das beachtlichste am Text. Jugendzeit ist Wendezeit und Aufbruch hat diese seltsame Nation kurzzeitig ziemlich geschüttelt. Träume wurden wahr und neue entstanden - geographische und auch temporale Navigation wurde möglich und wichtig. "Als wir träumten" ist traumfrei: es gibt keinen Punkt am Horizont, an den die Protagonisten sich wünschen. Es werden keine Ziele ausgemacht, um dem finsteren Leipzig zu entkommen. 'Home' und 'heart', jaja, weiss man doch.

Wagen wir mal den sozialhistorischen Kommentar: Jungs wie Daniel und seine Kollegen scheint es viele zu geben. Ihre Existenz erklärt den Narbendrang einer entwurzelten (männlichen Jugend): Rammsteins Erfolg, der Maske-Rocky-Hype (danke, RTL), Nazi-Trolle und vieles mehr könnten so erklärt werden. Muss es aber nicht, und Meyer versucht es auch gar nicht. Er erinnert sich und man darf teilhaben. Gut so.

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