2/07/2008

Into the Wild, Sean Penn

Die Buchversion von Into the Wild wurde anhand von Chucks Leseliste in die Nähe des Grabens gespült. Filmpromotion hat damit nichts zu tun, neinein.

Die Geschichte ist freilich faktisch die gleiche wie im Roman doch in der Tiefe anders. Jon Krakauers Stimme selbst verstummt - es ist die kleine Schwester, die Chris' quest aus dem off dokumentiert. Die Darstellung der Eltern ist im Film eindeutig tragischer, vor allem weil William Hurt gut in dem ist, was er tut. Des Knaben Mutter wird von der verstörenden Marcia Gay Harden gespielt, die schon als Bibelbiest im Nebel verstörte. Im Buch sind die Eltern eher Randnotiz und Teilbedingung - im Film könnte man sie als maßgebliche Sündenböcke verstehen.

Der Kinosaal war voll mit der Zielgruppe. Sind die alle wegen der Promotion hier? Haben die alle das Buch gelesen? Die überwiegend aus NEON-Konsumenten bestehende Klientel hat beim tragischen Ende freilich artig ge-hach!-t. Tod und Jugend, uh, geht das gut in der Gruppe.

Als Vorgewarnter weiss man von dem bitteren Ende, man hach!-te also schon bei der Lektüre und tut es nicht erneut im Saal. Doch der Film hat etwas, was das Buch nie haben könnte, nämlich Bart, den Bären. Kurz vor Schluss steht der naseweise Wildnisdilettant ausgemergelt, gelblich und fiebrig vorm Bus und der Bär kommt vorbei. Und was tut der Bär? Er ist riesig groß vor dem zarten Menschlein und schnuppert und grollt. Dann lacht er ein großes Bärenlachen und schlurft davon.

Sean Penn hat einiges verstanden.

2/03/2008

House of Leaves, Mark Z. Danielewski

Eine Mordsgaudi. Allerdings. Die Lektürefreude war enorm und mit ein wenig Trauer im schlaflosen Auge wurden die letzten Seiten sehr schnell erreicht. Das muss am Anfang dieser Notiz betont werden, denn die folgende rudimentäre Umschreibung dieses Artikels wird vielleicht ein wenig abschreckend anstrengend klingen, nach kopflastigem Deppendrama mit zuviel Schall und zu wenig Wahn.

Also. Inhaltlich kann man beim House of Leaves vier Ebenen ausmachen. Da sind einmal die Videos von einem Mr. Navidson, der mit seiner Familie in ein Gruselhaus einzog und dort unter anderem einen Bruder und vielleicht auch seinen Verstand verlor. Dann gibt es zum Zweiten einen blinden alten Mann, der eine gewaltige Arbeit über jene Videos schrieb/kompilierte (eine Verneigung vor dem Gesamtwerk von Señor Borges). Und zum Dritten gibt es Johnny Truant, eine Tattoo-Shop-Aushilfe, die jenes Manuskript findet und sich an dessen Überarbeitung macht. Als letztes gibt es da noch die ominösen Verleger, die Fußnoten und Fußnoten unter Fußnoten setzen und die untergeordneten Texte wiederum eingrenzen.

Und alle brabbeln durcheinander. Alle erzählen diverse Seiten- und Untergeschichtchen. Besonders verstörend ist der stetige Bezug auf Zitate (von Professoren bis Letterman), die hinaus in die Öffentlichkeit führen. Alle reden von Navidsons Haus. Warum nicht der Leser?

So weit, so wenig Spaß versprechend weil kompliziert. Sprachspiele, baby! Differänz mit 'ä'! Trotzdem ein stabiles U.

Danielewski präsentiert sein Werk in optionalen Stückchen. Wo Pynchon Durchhaltevermögen fordert, da lädt der Autor hier zum Überspringen und zur Selektion ein. Die Kohärenz bleibt dank der gewaltigen Übermetapher des Hauses, des Raumes, des (Gedanken-) Gebäudes. Dies wird von den Navidsons wie auch von allen anderen, inklusive dem Leser, erforscht. Es gibt immer wieder Spannungsmomente, die das Interesse wecken und an denen man sich durch die Kapitel hangelt. Ausverkauf? Sei's drum.

Der Roman zielt zwischen die Definitionen von Hoax und Hype und Halluzination und spielt somit mit durchaus akademisch relevanten Themen. Besondere Aufmerksamkeit erhält der wie gesagt echte/gedachte Raum. Die Brisanz vom spatial turn verdeutlicht sich. Sie wird ja auch von Sloterdijks Raumfahrt bescheinigt (deren zweiter Band derweil in stetiger Verzehrung im Graben ist). Sowohl Mark als auch Peter zitieren Gaston Bachelard, dessen Poetics of Space wohl ihren Weg in die ToDo-Liste finden muss.

Im Navidson Haus kollabiert Raum ins Nichts: man findet eine furchtbare Wendeltreppe, die hinunter in die All-Abwesenheit führt. Downward Spiral, ho! Somit wird sogar Trent Reznor zitiert.

Man mag nun auch spottend sagen, dass Danielewski eigentlich "Deconstruction for Dummies" schreiben wollen. Aber das träfe sowohl die Sache selbst als auch den vorliegenden Roman. Wie unheimlich! Wer hat denn hier das Sagen? Letztlich der Leser, aber er weiß es nicht. Der Leser ist die fünfte Ebene, mindestens.

Und witzig ist Danielewski auch noch. Es werden an einer Stelle Interviews mit bekannten Menschen geführt, darunter Stephen King und Jacques Derrida (!). Der Autor suhlt sich mit solchen Einfällen in Offensichtlichkeit und trägt somit zum Charme des Romans durchaus bei. Er unterstreicht die Nähe vom Ausverkauf der gothic fiction und intellektuell gelebter Verunsicherung. Somit beleuchtet er das Grunddilemma der Relevanz bei der Arbeit mit Literatur und Texten im Allgemeinen und Speziellen.

Insgesamt stellt House of Leaves (das Haus der Blätter und der Abschiede) eine Huldigung an den Prozess und das Ergebnis des Lesens dar. Ein ziemlich cooles Vehikel, bei dem der eine oder der andere wahrscheinlich erfrieren wird wie im extradimensionalen Kellergewölbe des Hauses. Genau diese Hermetik kitzelt und verunsichert zugleich.

Beim Wiki-Eintrag kann man einige Beispiele des ambitionierten Layouts und weitere Verweise finden.

He, und Bret Easton Ellis findet's auch gut. Auf geht's in den örtlich fixierten Lunar Park.

Tsotsi, Athol Fugard

Afrika, Afrika. Der sogenannte schwarze Kontinent bricht einem das Herz im Vorbeigehen und gibt einem dann keine lindernde bittersüße Medizin zum Abschied. Fugard schildert die Identitätssuche eines Verlassenen aus dem township: ein soziopathischer Gangster findet ein Kind und erinnert sich langsam seiner eigenen Herkunft.

Stählern schwere Sätze lassen keinen Funken (Galgen-) Humor aufkommen. Das Martialische dominiert die Bühne und Metaphern mit Ewigkeitsanspruch türmen sich auf. Das Kind als zerbrechliche Zukunft weist den Weg in die eigene, verdrängte Vergangenheit welche das Grauen der Gegenwart teils bedingt und teils vorwegnimmt. Tsotsi wird das Symbol des ruhelosen Brandstifters; er ist einer, der auf einmal Milch sucht statt Blut vergießt. Township und Lump, Henne und Ei, trallala.

Die Lektüre gestaltet sich wie der Einsatz der im Roman erläuterten Fahrradspeiche. Sie wird benutzt, um im Menschengedränge dem Opfer durch die Achsel das Herz anzustechen. Und wieder muss ein körperliches Beispiel herhalten, um narratologische Wucht zu erläutern. Ach, Afrika.

Doch obacht: eine Afriploitation könnte entstehen. Der Kontinent könnte zum blanken Lehrstücklager für satte reiche Menschen werden. Im Kino ging das ganz fix: Blood Diamond und Der letzte König von Schottland haben letztes Jahr den Kinosaal ächzen lassen. Es muss doch auch andere Geschichten aus Afrika geben außer jenen, die zu den grauenhaften Bildern in der Glotze passen.

1/30/2008

Bloggifizierung, Informationsmanagement und Mediascapegoating

Das hier kommt vom teils verstörenden Blog The Googlization of Everything. Der kurze Film beleuchtet die weiteren Schritte gewisser www-Platzhirsche.

Klick da.

Na, wenn das keine unbequeme Wahrheit ist, hu? Mit besten Grüßen freilich an den Platzwart dieser URL welcher bestimmt offen ist für derlei Kritik. Für alles weitere beachte man den bewährten Disclaimer am Ende dieser Seite.

My Blueberry Nights, Wong Kar-wai

Wong Kar-wai hat vor diesem amerikanischen Debüt den prachtvollen 2046 gemacht. Eine gewaltige Bilderflut hat sich da auf den Zuschauer ergossen, alle möglichen Farben haben sich mit matrixmäßigen Animationen in eine verstrickte Liebesgeschichte geschummelt.

Und auch hier ist alles schön bunt. Die Gesichter, die Theken, das Essen, der Himmel - alles bunt wie selten.

Norah Jones ist überraschend überzeugend - sie macht es sich ja nicht ganz so leicht wie Alicia Keys, die bei Smokin' Aces die überzogene Mörderbraut gab. Jones ist die herzgebrochene Elizabeth, die sich durchs Land kellnert und allerlei Menschlichkeiten mitbekommt. Die Farben fließen ineinander und auch ihr Name verändert sich stetig von Beth zu Betty zu Lizzy und zurück. Nach der Läuterung gehts dann zurück in Jude Laws Bar in NYC, aber als Gast.

Unter dem Zuckerguss liegen aber keine wahrlich originellen Geschichten. Die orgiastische Verschachtelung von 2046 sucht man hier vergebens. Aber lecker ist es.

Das wunderbare Gleichnis der Gastronomie. Aufessen, stehen lassen, abwaschen, Rechnung zahlen, wiederkommen, Verdauungsschnäpschen. Und ohne Dessert sind die meisten Mahlzeiten eben doch nur Nährstoffaufnahmen die einen nicht wirklich weiter bringen.

1/27/2008

The Omega Man, Boris Sagal

Boris wer? Natürlich ist der Regisseur dieses Filmes niemand geringeres als der Vater von Katey Sagal! Unglaublich. Und Charlton Heston war dieser Kerl aus Planet der Affen und dem ollen Ben Irgendwas. Der lange Film mit dem Heiland in einer Nebenrolle. Ja, genau, Wagenrennen und so.

Aber genug gescherzt. Die Sache ist ernst. The Omega Man ist die zweite Verfilmung von Mathesons I am Legend und geht der Version von Francis Lawrence mehr als dreißig Jahre voraus. Die Geschichte ist ähnlich, aber nicht dieselbe.

Zunächst einmal können die Infizierten reden. Nach dem durch B-Waffen herbeigeführten Untergang sind sie gegen Sonnenlicht allergisch und bilden einen anti-aufklärerischen Mönchsorden. Dieser Kuttenmob versucht nun, den immunen Omegamann zu kriegen. Die Modernisten sind ja für das Joch verantwortlich, dass die Überlebenden nun tragen müssen.

Da sind wortlos hechelnde Horden irgendwie spannender.

Der Verweis auf Woodstock und die großen (medial kommunizierten) Massenumwälzung der 1960er ist recht interessant. Der weiße männliche Karrierist kann da ja nur Beklemmungen kriegen. Da bleibt Mann einsam an der Spitze... der letzte seiner Art halt, wenn die Bälger nicht artig studieren wollen sondern Pillen schmeißen. Der Mob vereint das Grauen der konformen Anti-Masse und kann bestimmt als Hinweis auf Charlie Manson und seine family verstanden werden. Eine gänzlich andere Lebenskultur ist es, die da vom Rande heraus in die Mitte der Welt hineinwuchert und sich von allein reproduziert. Sozialrevolution dank genetischer Evolution.

Unüberbrückbare Gegensätze. Da fällt das Abdrücken nicht so schwer, wo man doch eh genug Munition dabei hat.

Der Film ist kurzweilig, aber selbstgefällig. Heston zieht fix und oft sein Hemd aus und das verstört gründlichst. Er kommt mit der farbigen Widerstandskämpferin zusammen - was als ungelenke Anbiederung an den Zeitgeist wirkt. Heston scheint zu sagen: Schau her, Kirk, ich hab auch eine Uhura. Der Omega-Mann bleibt aber stets das Alpha-Männchen (wie James ja auch). Und noch eine Anmerkung bezüglich der Hautfarbe: die Infizierten werden alle weiß. Aber der Oberschurke ist natürlich auch noch Anglo unter der Schminke und somit allen anderen überlegen. Heston macht einmal sogar Scherze diesbezüglich. Witzig ist das nur bedingt.

Infam ist der Score. Eine Art Softcore-Disco-Muzak passt einfach nicht zur Prügelei mit MP und Fackeln - zumindest nicht in diesem Film. Haben Starsky und Hutch etwa auch überlebt? Das muss an Los Angeles liegen. New York hätte diese vibrations bestimmt nicht.

Aber vielleicht kann man Heston heutzutage eh nicht mehr als Schauspieler sondern nur noch als unironisierbaren amerikanischen Teilaspekt sehen. In dieser Hinsicht gewinnt der frischere I am Legend auf jeden Fall. Smith ist weitaus sympathischer als Heston, obwohl auch letzterer mit Schaufensterpuppen spricht.

In dreißig Jahren kommt dann die nächste Version ins Kino. Wie wirken Hestons und Smiths Darbietungen wohl dann?

Carnival of Souls, Herk Harvey

Eine Perle von 1962. Mal wieder ist das Teil ein wenig unfreiwillig gruselig: neben groben Schnitten sind die schauspielerischen Leistungen recht fahrig und seltsam. Der gesättigte Konsument heutzutage wittert hinter dem Laienspiel freilich irgendeine zweite Ebene, doch da ist eigentlich keine. Soviel leiernder Dialog ohne Ziel? Unangenehm! Und dann auch noch schwarzweiß... nicht etwa wegen der Atmo, nein, eben weil's billiger ist. Brrrr!

Viele Bilder kennt man aus den schicken Goth-Anleihen diverser Musikvideos der 1990er, von den Smashing Pumpkins hin zu Reverend Manson.

Die Story selbst ist aber interessanter als man denkt. Eine blonde Ische überlebt einen Unfall und tingelt dann als alleinstehende Organistin (!) nach Utah (!!). Dann wird es langsam spooky, denn sie sieht finstere Gestalten. Freilich glaubt ihr keiner, denn blonde junge unverheiratete Frauen sind eh nicht recht bei Trost. Sie arbeitet (zunächst) in einer Kirche und fühlt sich von einem verlassenen Jahrmarkt magisch angezogen - beides sind Orte der Öffentlichkeit, und beides sind eher Orte für's Herz als für den Verstand. Wenn die Dame doch nur nicht so gefühlskalt wäre, wie es der nichtsnutzige Nachbar beklagt.

Auf infernalische Art und Weise erinnert jener räudige Nachbar an Logan Huntzberger. Das ist WIRKLICH gruselig.

Das Ende wartet dann doch noch mit einer kleinen Überraschung auf. Ganz mutige Zuschauer dürfen diesen Film als Vorläufer von The Sixth Sense beurteilen.

For Whom the Bell Tolls, Ernest Hemingway

Die Lektüre gestaltete sich überraschend zäh doch nach ihrem Abschluss kann vermutet werden, dass Mr. H. dies beabsichtigte. Der amerikanische Aushilfsguerilla und Dynamitexperte Robert Jordan harrt mit anderen spanischen Bürgerkriegern in einer Höhle aus. Er ist verantwortlich für den großen Knall doch weit über 400 Seiten gehen dahin mit kleineren Versteckspielen und Scharmützeln. Alle warten und warten... bis eben die Stunde (akustisch vernehmlich) schlägt.

Jordan liebt Maria. Nicht nur ist ihr Name schön gewichtig, nein, auch ihre Vergangenheit läßt nicht auf ein happy end hoffen: sie hat ihre Unschuld an die rape squads des Feindes verloren und ihr geschorenes Haar wächst gerade erst nach. Jordan nennt sie rabbit und sie wirkt wie die fleischgewordene Allegorie auf den Kriegswahnsinn. Rabbit wurde so stark ihrer Subjektität und ihrer Würde beraubt dass sie fortan nur noch als Objekt in der Höhle herumsteht. Ein Häschen halt, an der Wand oder im Schlafsack. Im krassen Gegensatz zu ihr steht Pilar, die angewelkte und recht derbe Frau des wankelmütigen Bandenchefs.

Hemingway hat eine frotzelnde Ader. Manchmal bricht es aus ihm hervor und er lässt Robert Jordan und die anderen fluchen und speien. Drollig dabei die plumpe Benutzung des Wortes "obscenity" an den entsprechenden Stellen. Dabei wird der Roman aber nie lächerlich oder gar hard-boiled: nein, er ist und bleibt ein reichhaltiger (mitunter polarisierender) Textbrocken.

Wie schon bei A Farewell to Arms ist das Ende hier wuchtig. War das nicht Tschechow mit der Pistolenregel in einer Geschichte? Wenn eine Waffe im Schrank versteckt wird, dann muss sie auch irgendwann einer abfeuern. Hier ist es halt Dynamit. Ei, wie drängend da doch die Verbindung zum Nobelpreiskommittee ist...

Dann schlägt endlich die Stunde: Jordan bombt die Brücke, eine Verbindung zwischen zwei Punkten reißt ab. Außerhalb der Höhle zeigt sich der Krieg endlich zwischen Trümmern, Pferden und Panzern. Zeit an sich verändert ihre Relevanz. In einer sehr schönen Passage kurz zuvor meditiert/fiebert Jordan über dem Jetzt: Come now, now, for there is no now but now. Yes, please now, only now... one and one is one. Der Amerikaner ist nach einem Fluss benannt und somit ist Stillstand der sichere Tod. Aus Jordans Handfläche können die gypsies jedenfalls keine Zukunft lesen. Da kann man dann weiter fabulieren bezüglich der Rolle von Brücken, die ja auch Flüsse überspannen.

Doch, die Lektüre lohnt sich. Auf jeden Fall macht sie neugierig auf die Filmversion. Gary Cooper als Jordan in einem Blockbuster von 1943.

1/23/2008

Der Nebel, Frank Darabont

Verfilmungen von Stephen-King-Stoffen können auch schief gehen. Diese hier nicht. Darabont hat schon die erfreuliche Green Mile und die grandiose Shawshank Redemption gemacht. Als er sich dann mit The Majestic eine blutige Nase holte, ging er anscheinend fix zurück zum Bewährten.

Der Nebel ist nicht der Nebel sondern der Nebel: The Fog hat mit diesem Nebel, im Original The Mist geheißen, nichts zu tun. Das verwirrt ein wenig. The Fog ist ja so einer dieser 70er-Jahre-Klassiker (nagut: 1980), die wie TCM für eine frische Schar Teenies neu aufgelegt wurde. Doch The Mist ist frisch.

Dieser Nebel hat wildes Viehzeug und das Szenario erinnert ein wenig an das Universum von Half Life. Allerdings ist es hier die ländliche Kleinfamilie, die erst getrennt und dann vor die Hunde geht. Schön dabei ist die Klaustrophobie im matt-körnig bebilderten Supermarkt und die genretypische homo-homini-lupus Dramatik. Tom Jane macht das alles sehr gut und auch das Kinnhaken-Ende weiß nicht zuletzt durch seine Darstellung zu überzeugen.

RIP, gutes Konsumgewissen

Eine kleine Anmerkung bezüglich des unglücklichen Ablebens des Schauspielers Heath Ledger, nicht mehr und auch nicht weniger.

Der erste Gedanke beim Lesen der Nachricht betraf den bald anlaufenden zweiten Batman-Film von Christopher Nolan. Der Gedanke lautete nicht: ein junger Mensch starb viel zu früh, sondern: hoffentlich hat er den Film abgedreht. Hoffentlich muss der Kinostart nicht verschoben werden. Hoffentlich müssen die Produzenten nicht aus lückenhaftem Material eine neue, unbefriedigende Version zusammenhacken.

Das ist nicht nett.

Man beachte den unbedachten Tonfall im Konsumgraben-Eintrag bezüglich Batman Begins.

Es bleibt spannend, wie das Marketing auf das Ableben der zweiten Hauptrolle reagieren wird. Schließlich ist der Joker einer der bekanntesten Comic-Charaktere bei DC überhaupt. Man denke nur an Jack Nicholson, der ihn in Tim Burtons Erst-Neuauflage von 1989 verkörperte. Der Joker stand immer für eine einmalige Kombination von rasierklingenscharfer Ironie und war stets ein Bollwerk grotesker Düsternis, einer dem nichts heilig ist und der *aufteufelkommraus* nicht ernst sein konnte. Ein Massenmörder der Unterhaltung, der für das persönliche Amusement auf spektakuläre Art und Weise Menschen meuchelt - kindgerecht und publikumswirksam. Nicholson konnte damals so gut sein, da er vorher einmal das Shining hatte und somit schon einmal jokeresque Wege beschritt. Das Publikum hat ein Elefantengedächtnis.

Doch keine Angst, ihr Nerds. The Dark Knight ist abgedreht und angesetzt. Die Welle rollt und Ledgers Tod wird für das Einspielergebnis sicherlich von Vorteil sein. Das Echte, das Wirkliche hat eine (teure, aber freilich auch triviale) Comic-Verfilmung veredelt. Die finstere Aura des Jokers bekommt nun einen Beigeschmack der Einmaligkeit, der Letztmaligkeit. Schaun wir mal, was passiert. Es sei hier kurz an Hollywoodland verwiesen, einen Film der das Thema U-Produkt und den "Echten Tod" auch recht klug behandelt. Manche Dinge wiederholen sich anscheinend.

Die Filmplakate werden wohl überarbeitet werden. Die Frage "Why so serious?" lässt sich einfach zu gut beantworten.

Aber Mr. Ledger wird demnächst nicht nur als Todes-Clown zu sehen sein. Nein, er spielt auch eine Version von Bob Dylan - höchstwahrscheinlich popcorn-inkompatibel und etwas geistvoller. Dylan selbst ist ja auch eine fast mythische Figur, ein Etwas zwischen Ikone und Individualität in dem Mensch, Name, und Aura seltsam verschwimmen und ggf. auch polarisieren. Die Entscheidung, den alternden Musiker von diversen Schauspielern verkörpern zu lassen unterstreicht das komplexe Feld zwischen Massenkultur, Reproduktion und dem Un-Wort Person.

Der Titel jenes Films ist ebenfalls nicht frei von düsterer Komik: er heißt I'm Not There.

Die Bilder sind von der FAZ und von der offiziellen Seite von The Dark Knight.

1/22/2008

Thumbsucker, Mike Mills

Bei der Jugend nicht viel neues. Oder doch? Am Daumen zu lutschen ist wohl das berühmteste aller freudianisch interpretierbaren Symptome - der Film nimmt es als plakativen Ausgangspunkt für allerlei intrafamiliäres Drama. Oh wie schön ist Oregon!

Justin ist ja nicht der einzige Leider in dem Film. Der Kampf um Orientierung und Zielsetzung wird auch von Vater und Mutter (Tilda Swinton spielt erfrischend un-ätherisch) ausgestanden. Mal wieder ist das prä-adoleszente Kind der Familie sonderbar altklug und alltagsweise, so wie die Helden von South Park oder die Gören in Delillos Büchern. Besondere Erwähnung verdient schließlich uns' Keanu als hippiesquer Zahnarzt, der kein bloßer Mentor ist sondern ebenfalls diverse innere Renovierungen erledigen muss.

Den direkten Vergleich mit Hallam Foe verliert Thumbsucker knapp. Dafür sind die die Bilder ein wenig zu bekannt, die Weisheiten ein wenig zu breitgetreten. Das heißt freilich keineswegs, das die Welt nicht noch mehr von dieser Art Filme braucht. Coming-Of-Age-Geschichten müssen notwendigerweise beliebt sein, denn nirgendwo sonst können antike Dramen so leicht implementiert werden und nirgendwo sonst können Sex und Gewalt so unschuldig (sic) ausprobiert werden. Insbesondere Thumbsucker stellt artig die Frage, wieviel Pharmazie in die erkrankte Jugend hineingetragen werden sollte und wie man sich einen gesunden Teenager vorzustellen hat.

Hallam Foe und Thumbsucker stinken freilich beide gegen The Graduate ab, aber das war ja zu erwarten. Der Tauchanzug ist das Goldene Kalb der Adoleszenz.

1/20/2008

Black Sheep, Jonathan King

Dich mähen wir auch noch. Ja, es geht um Zombie-Schafe auf einer neuseeländischen Farm und ja, Neuseeland ist das Land wo Peter Jackson herkommt und ja, es erinnert an dessen Frühwerk Bad Taste.

Alles, was ein Film haben muss.

Control, Anton Corbijn

Corbijn ist sich seiner Sache sicher und hat seinen bekannten Stil in bewegte Bilder verpackt. Und irgendwie passt die Musik ziemlich gut zu schwarzweißem Grobkorn.

Control schmeckt für ein Musikanten-Biopic angenehm europäisch. Die gängige Stationenfolge von naivem Mut, Enttäuschung und finaler Seligsprechung durch die kreischende Masse steht als Referenz in weiter Ferne. Allerdings ist eine Ikone wie Ian Curtis existenzbedingt rauh und grob und der rundgelutschten Mainstreamerzählkultur eher verschlossen. Nein, Corbijn hätte Ray wohl eher nicht machen können.

Joy Division sind eh komplizierter als gedacht. Erstens: die entsprechenden Alben sind hier durchaus bekannt doch das Ganze klingt soviel besser im Kino. Der Postpunk von vor der MTV-Explosion braucht wohl doch Bilder (und die liefert Sam Riley ziemlich gut). Ob er wirklich wie Curtis wirkt, müssen Augenzeugen entscheiden. Zweitens stehen Joy Division in Verbindung mit dem Manchester Hype, anscheinend eine Art englisches frühes Seattle. Hier weiß man noch recht wenig davon aber Control macht auf jeden Fall neugierig. Ah, diese Briten.

1/18/2008

I am Legend, Francis Lawrence

Lawrence hat der Welt die Verfilmung von Constantine beschert, in der Keanu Reeves eher zögerlich versucht hat, sich vom Schatten des Mr. Anderson loszuspielen. Smith hat nicht nur als Ulknudel und Hip-Pop-Musikant Geld verdient sondern ist durch ID4 zum Oberliga-Hollywoodhelden erhoben worden. Eines Tages wird er Präsident.

Und nun alle zwei zusammen in einer weiteren Verfilmung des Romans von Matheson. Und siehe da: es klappt.

Der unvorbereitete Kinogänger mag von der entvölkerten und dialogarmen Zukunft in Manhattan und der daraus resultierenden Überpräsenz von Smith verstört sein. Doch das gehört sich so. Die Veränderungen am Plot sind durchweg sinnvoll und stimmig. Smith ist freilich als Ikone erkennbar, doch er macht seine Sache gut: graue Stoppeln, zweifelnder Blick und ganz viel ehrliche Hundeliebe zeichen ihn aus.

Die Zeit hat geschrieben, dass die Mutanten nicht gut aussehen. Das kann hier im Graben nicht nachvollzogen werden. Man hat ja bewusst einen Science-Fiction- und keinen Horror-Alptraum zitieren wollen. Desweiteren muss man den Film als nordamerikanischen Blockbuster und somit als filmisches Größt-Produkt erkennen: spätestens die englischen 28 Days bzw. Weeks haben die Symbolik der degenerierten hungrigen Massen aus der B- und C-Sektion des Films geholt. Hollywood hätte die Mutanten nicht anders darstellen können. Viel Schleim und Gedärm geht in Amerikas Kinos nicht. Also Daumen hoch für Nackten mit der Rasselatmung: haarlos wie die Maus mit dem Ohr auf dem Rücken sind sie, haarlos wie die Hundemenschen zum Kuscheln von Patricia Piccinini.

Ausgezeichnet, gern wieder. I am Legend ist nicht mehr aber auch nicht weniger als die Vorlage. Nur irgendwie seltsam dass der ebenfalls positiv zu bewertende I, Robot (2004) auch mit der ersten Person Plural beginnt. Wie gesagt: Will wird in der Welt von morgen ein Anführer.

Das ganze bei IMDB.