4/18/2011

Decasia, Bill Morrison

Und die Säge, die hat Zähne. Hier und hier und hier.

Jawohl, Film ist eigentlich Reibung, Aufreibung: Decasia besteht aus Filmmüll, der zum Zeitpunkt seiner Zerreißung noch einmal abgefilmt wurde. Die Bänder hängen aneinander und sind fleckig, brüchig und brachial - Gespenster tauchen auf, die in ihrem einst intendierten Sinnzusammenhang vielleicht nur Beiwerk zu irgendwelchen Erzählungen waren. Widergänger, Wiedergänger... der gothic Aspekt ist bei Decasia riesig. Erstens sind alle Menschen, deren Umrisse, Fratzen und Zuckungen hier schimmern und schattieren, sehr tot. Auch die Kamele (waren es Dromedare?) sind bestimmt nicht mehr da. Nur der Zerfall. Bestürzende Zerstürzung.

Von allein ist der Film weder auf Schock, noch auf Grusel getrimmt und doch stellt sich ein leichtes Schaudern beim Sehen ein, da der schwarzweißgraue Bildersturm zwar inhaltlich erklärbar ist aber eben doch leichte Wehmut mit geschundener Schönheit verbindet. Ein Film, der keine Produkte verkaufen will. Ein Film, der keine menschliche Bedarfsempathie propagiert. Gruselig.

Maßgeblich zum Schauerlebnis beitragen kann der Soundtrack: hier wird gerauscht und geschrammt und gerumpelt, aber rhythmisch und jenseits aller wohltemperierten Klaviere. So atmen Fabriken, so hört sich eine Autofahrt vom Inneren des Vorderreifens an. So sterben Bilder - das heißt im Umkehrschluss auch, dass sie einmal lebten. Leben heißt vielleicht nur "Frequenzwechsel" und Neuüberlagerung.

Und noch eine Ebene Zerfall: Decasia verzeichnet die letzten ihrer Art, denn im Zeitalter digitaler Bilder und Speichermethoden wird solch ein Geschrammel eher selten werden. Dann kommen glitches und Systemabstürze auf, dann poppen blue screens auf und beenden die Restbilderschauen abrupt. Hier schleppt es sich alles weiter, und steht der Projektor auch in Flammen: da raucht es erst ein wenig, bevor die Filmschnur reißt.

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