3/17/2012

Karte und Gebiet, Michel Houellebecq

Hier und hier. Fast schon gemütlich ist er. Und so sauber! Das Anstößige ist kaum sexuell und äußerst konzentriert. Man muckelt so vor sich hin. Künstler, Kommissare und der fiktionalisierte Autor selbst wohnen und schlafen und überleben so vor sich hin. Die Erzählung deutet auch in die Zukunft: wie schon bei den Möglichkeiten einer Insel wird die Gegenwart durch ferne auktoriale Prophezeiungen genichtet. Was bleibt, sind die Krümel im Jetzt.

Vorwerfen kann man H., dass er eine PoMo-Einführung von 1994 oder so genommen hat und dann eine mehrseitige Allegorie hineindichtete. Stumpf, wie er nunmal ist, lässt er Hirst und Jobs persönlich auftreten, die dann vom Protagonisten ins spätkapitalistische Panorama eingebunden werden. Sich selbst freilich auch. Behäbige Systemkritik ist seine Sache nicht.

Schaurig wird diese Belanglosigkeit mit Abstand. Gibt es wirklich kein Draußen mehr? Ist das das Ende, geht es wirklich in Frankreich, Europa und dem Rest nur noch um die Anhäufung und Umverteilung von Geld? Karte und Gebiet kommt ohne Apokalypse aus: das Extreme schlägt nur auf den Autoren selbst ein, der (wenig glaubwürdig) von einem diffusen Dr. Satan und seinem Laser-Skalpell zerteilt wird.

Langeweile bis zum Tod. Trotzdem ist der Roman selbst durchweg unterhaltsam, da man bis zum Schluss mit diesem beiläufigen Plauderton nicht zurecht kommt. Der Titel trägt einiges dazu bei, dem Roman so einiges an intellektuellen Absichten abzugewinnen (oder hineinzuprojizieren): Die Karte ist ja nicht das Gebiet, das ist der Systemtheorie erster Streich. Alles, was an geo-tagging und map-making und Ortungen möglich ist, lässt das reale Gebiet immer nur in endlichen Punkten, nie aber in seinen diskreten Kurven erscheinen. Isohypsen sind nicht echt. Isohypsen sind Hilfsmittel. Das Echte beinhaltet keine Stufen - das Echte beinhaltet nur Wellen. Die Karte ist der bescheidene Schatten des Gebiets. Die Karte ist aber auch das einzige, das ein Mensch nutzen kann, da man die Gesamtkomplexität eines Gebietes (und sei es noch so klein) nie in die endlichen Synapsen wuppen kann.

Theorie statt Kritik. Eine schöne Erinnerung. Ein bisschen gruselig, wie alles Schöne, aber schön. Sollen doch die Feuilletons weiterkritisieren: bezahlt werden die eh nicht mehr lange und dann sind sie tot und weg, und das ganz ohne irren Meuchel-Chirurgen.

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