4/07/2014

Filth, Jon S. Baird

Hier und hier. Die Drecksau. Die Lektüre des Romans von Irvine Welsh hat vor vielen Jahren maßgeblich zur Geschmackskonstitution des Konsumenten beigetragen. Hier gibt es kein Erbarmen. Hier wird gelitten aber nicht gejammert sondern dafür gesorgt, dass andere Menschen auch leiden. Hölle, ja.

Überraschenderweise spielt McAvoy, der Hollywood-Hallodri mit X-Men-franchise und Optionen im Gepäck, ein fantastisches Schwein. Der Film scheint sich so sehr um ihn zu drehen, dass die anderen Darsteller fast schon verblassen. Wer das Buch nicht kennt, mag dies bemängeln, doch es macht letztlich Sinn: schließlich geht es ja auch um den verrotteten Kern, die Länge des Bandwurms innen drin (der auch von Bildern grüßt). Und dann kommt die unheilige Frage: was wäre, wenn das was man als Schmutz bezeichnet, konstituierendes Merkmal einer Person oder einer Gruppe ist? Hygiene ist ein Versprechen von ewiggestrigen nüchternen Gutmenschen. Scheiß auf die.

4/06/2014

Männer, die auf Ziegen starren, Grant Heslov

Hier und hier. Das Buch wurde ja auch schon gelesen, hier. Es geht um amerikanische Versuche, mit Telekinese und -pathie und dergleichen mentale Agenten auszubilden. Alles beruht auf recht bizarren, realen Geschichten und beleuchtet einmalige Biographien. Der Film ist auch ohne den historischen Hintergrund unterhaltsam und begeistert mit sehr, sehr motivierten Schauspielern.

Sehr fein ist der Verweis auf "Jedi"-Kräfte und den echten Jedi-Ritter, Onkel Ben/Ewan, im Zentrum des Geschehens.

4/05/2014

Saga Vol. 3, Brian K. Vaughan, Fiona Staples

Hier und hier. Die beste aktuelle SciFantasyCrossoverEpik die es derzeit mehrfarbig gibt. Der Humor bleibt, die Charaktere bleiben spannend und der Tod bleibt eine nur minimale Pause vom großen Spektakel.

Und die Olle ohne Arme wird fast schon sympathisch.

4/04/2014

Prophet Vol 2: Brothers, Brandon Graham & Simon Roy & Farel Dalrymple

Hier. Sequel zu jenem. Guardians of the Galaxy, ich kenne eure Vorfahren. Derbst gibt es hier harte SciFi mit einem Team an extraordinären Extraterristrischen, die sich in herbster Wucht durch planetare Blut- und Fleischkrusten fräsen.

Der Krieg soll vorbei sein, und doch wird hier ordentlich nachgetreten. Das eiskalte Universum, dass der Vorgänger so betont im Dunklen ließ, wird hier ein wenig erhellt - aber nur zögerlich. Das tut ihm gut und Teil Drei sollte auf dem Weg sein.


Story Power, Vera Birkenbihl

Hier. Eins von diesen Arbeits- und Denkbüchern eines Coaching-Dinosauriers. Interessent zu sehen wie viele Ideen aus den allerstaubigsten Geisteswissenschaften Frau B. so handlich herunterkochen kann. Die Schreibe geht nur nach vorn - hier soll gehandelt werden. Wer über das Handeln nur liest, der liest nur über das Handeln. Just Do It. Just Tell It.

4/03/2014

The Amazing Spider-Man, Marc Webb

Hier und hier. Garfield ist eine feiner Parker und beim Betrachten dieses (*gähn*) Neustarts wird klar, warum es keinen Teil 4 geben konnte: Bei Spider-Man geht es vor allem um das Heranwachsen und Jugend und Initiationen. Etablierte Superhelden schaffen das nicht - und weil die Zeit nicht nach einem "Spider-Boy" verlangt darf der junge Mann eben nie erwachsen werden.

4/01/2014

The Place Beyond the Pines, Derek Cianfrance

Aqui. Mit großem Erstaunen musste festgestellt werden, dass dieser Film ein Epos in drei Akten ist, welches auf fast schon klassische Art und Weise das Thema "Schuld" behandelt. Vorherbestimmung, Tragödie, Sollbruchstelle... nur alte Gewalt schafft so knackige Gesamtsituationen.

Rein optisch macht der Film erstaunlich viel her: die Innen- und Wohnräume bieten eine behäbige Enge, die die Helden wirklich hinauspresst, ins Äußere - vielleicht auch hinter die Pinien. So passt es sehr gut, dass der tragisch justierte Vater rückwärts aus dem Fenster kippt. Ihn hat das Haus und die Schwerkraft hingerichtet, er hatte sein martialisches Moped nicht dabei und musste in und an der Todesfalle namens Familie scheitern. Den Söhnen geht es dann nicht anders.


3/31/2014

Tinker Tailor Soldier Spy, Tomas Alfredson

Hier das Buch und hier der Film. Vier Spielfiguren, ein Brett. Und einer schummelt. Dieser Film befasst sich mit Spionen, aber eben nicht mit Doppelnullen. Hier geht es um Netze und Bedingungen und einigermaßen wahre historische Gegebenheiten.

Beim erfolgten Erstkonsum verhedderte man sich auch sogleich im Netz. Die Szenen selbst sind wunderbar, aber als dann der Übeltäter erwischt wird, kommt man ins Raten, warum. Für's Auge ist der gesamte Film etwas: die Dinglichkeiten der Smartphone-freien Epoche tragen immens zur generellen Stimmung bei; diese Muster im Biederen sind schon sehr fein und schwer zu beschreiben. Der grandios gespielte Held legt sich auch bald eine neue Brille zu, die heute retro wäre, damals aber die begrenzte Form- und Farbauswahl widerspiegelt. Ist das ein Modefilm? Jedenfalls ist es ein modischer Film und viele Menschen haben sich viele Gedanken über Oberflächen gemacht. Recht so.

3/30/2014

The Hunger Games: Catching Fire, Francis Lawrence

Hier und hier. Das lockt also die Massen an die Kassen? Es besteht also noch Hoffnung. Denn erstens ist das hier optisch von Materialien bis Kameraeinstellungen sehr fein. Und zweitens besticht die Geschichte selbst durch sehr erwachsene Düsternis: da ziehen sich einige Sollbruchstellen zusammen und man schaut den brüchigen Allianzen sehr zweifelnd beim wachsen zu. CF ist nicht nur das Gegenteil einer love story sondern kommt eben auch nicht als angestrengte Inversion/Satire derselben daher: hier baut sich etwas Neues und das ist im Kern das, was gute SciFi (wenn auch im anthropozentrischen Rahmen) machen sollte.

Der Cliffhanger ist gemein, so wie selten einer ist. Und der dritte Teil wird fast schon als Zwangskonsum verbucht.

3/29/2014

Captain America: The Winter Soldier, Anthony Russo, Joe Russo, Joss Whedon

Hier und hier. Jawohl, jawohl, jawohl. Oscars gehen an andere Filme und die dürfen sie auch behalten aber das Fanboy-Herz wird monatlich abgemolken und will es auch. Dieser zweite Kapitän ist besser als sein etwas unbeholfener Vorgänger, da nun die Entstehungsgeschichte nur noch korrigiert, aber nicht produziert werden muss. Vor allem ist das Zusammenspiel des Teams sehr gelungen: der Erste Patriot ist eben auf seine Freunde angewiesen und formt mit ihnen ein sehr sympathisches A-Team (ha!).

Dass Herr Redford den Antagonisten gibt macht großen Sinn (inhaltlich: "Heil Hydra!"; äußerlich "OK, als RR muss ich nicht dauerhaft in einem franchise mitmachen). Der reuige Ex-sidekick verspricht spektakuläre Läuterung in weiteren Teilen und kann dann bei Avengers 5 oder so ein paar Szenen retten. Der Fanboy wird weiterhin angefüttert mit weiteren Charakteren aus Marvel's zweiter und dritter Reihe. Eine Freude. Auch für normale Menschen geht natürlich viel kaputt und die Akrobatik mit dem Schild macht Bock auf Frisbee oder Vibranium im Allgemeinen.

One Cap fits all.

Preacher Book One, Garth Ennis, Steve Dillon

Hier. Immer wieder als Referenz bemüht, wenn es um Erwachsenencomics geht, nun endlich anverdaut. Das Ergebnis ist nüchtern: vielleicht war es zu seiner Zeit innovativ, doch so richtig mitreißen kann die Geschichte um den Super-Priester, der Leuten mit elysischer Stimme befehlen kann, nicht. Eventuell ist die Zusammenstellung der Hefte in einem Buch nicht gelungen. Vielleicht fehlen ganz viele Präludien.


Letzten Endes ist es eine kurzweilige und sehr splatternde Bearbeitung der himmlisch-irdischen Sachzwänge wie zum Beispiel "schlechte Kindheit" oder "unqualifiziertes Führungspersonal". Die Winchester-Jungs bedienen dieses Feld in einem anderen Medium aber viel sympathischer.


Taken 2, Olivier Megaton

Hier und hier. Wer nimmt wen? Die Bösen natürlich die Guten. Ansonsten alles beim alten (Mann): Vati boxt die Sippe raus und bestraft die Nehmer, die ihrerseits eigentlich nur für Teil 1 Rache nehmen wollen.

Der erste Teil gefiel, da er das Thema Rache so konstruktiv bemühte: man kann das unmoralische Handeln dann besser verstehen und verteidigen, denn der Held wird ja von äußeren bösen Kräften zu allerlei Leichenproduktion gezwungen. Der zweite Teil fällt fast durch, da außer der typischen Besson-Aktions-Bebilderung wenig übrig blieb. Irgendwie ein bisschen wie der Transporter mit seinem BMW.

3/25/2014

Autobiography of Red, Anne Carson

"A Novel in Verse". Hier. Nach einiger Zeit verschwimmen die Verse und man beginnt den Text in enorm handlichen Brocken einzusaugen. Ähnlich wie bei einem Revolver-Bong. Da passiert etwas, da sind seltsame Anspielungen auf uralte Epik, da ist das Klischee des Bildungsromans... alles kommt zusammen und formt eine seltsame und sehr beeindruckende Textflut, die leider viel zu schnell abebbt. Und das wäre vielleicht der einzige Makel an diesem Werk: es geht schnell vorbei.

Aber. Aber, aber, aber. Wenn es nicht so flüchtig wäre, stünde es seinem Thema entgegen. Der junge Protagonist ist eben nicht in der bewährten Taktung Anfang-Mitte-Schluss, er ist im Flug, er ist im Sturz, im Umsturz vielleicht. Da ist es egal ob in der Handlung Jahre vergehen oder Ozeane durchkreuzt werden. Anne Carson hat nicht weniger als die Schnittmenge von Herz, Hirn, Text, und Satz im Ziel. Manchmal kann eine Geschichte in einen Satz passen und manchmal reichen zehntausend Sätze nicht aus, um einen einzigen Moment/Blick/Geschmack/Verdacht zu beschreiben. Intimidating.

On Being Different, Merle Miller

"What It Means to Be a Homosexual." Soso! Hier. Dies ist also eine Quelle im historischen Sinn, eine wichtige publizistisch relevante Ansammlung von Sätzen eines bestimmten Autoren aus einer Zeit, als es noch Politik gab. Ein Bild von Stonewall oben drüber und fertig ist die Laube.

Im Gedächtnis bleibt der Wechsel von autobiographischem und politisch-forderndem Jargon und man fragt sich, ob und wie das heute möglich wäre. Damals wäre es wohl in anderer Form eben genau nicht möglich gewesen. Fortführende Frage wäre, ob man jemals die eigene Biographie dabei außen vor lassen kann - es wäre schön, wenn die academy das schaffen könnte. Das vorliegende Essay ist zum Glück mit Vor- und Nachworten ausgestattet, die den zeitgeistigen Diskurscharakter des Textes schon allein durch ihre Anwesenheit widerspiegeln. Ja, so war das damals. Wie ist es heute? War es damals wirklich so und wie kann es werden? Das Gegenteil von Belletristik, aber letztlich erbaulich.