7/22/2014

We the Animals, Justin Torres

Hier. Eine Novelle! Ein Text zum sofortigen Verschlingen, hier trotzdem in zwei Zügen genossen. Und bei der zweiten Portion kam die erste fast wieder hoch, denn das Ding dreht sich um 180 Grad, so scheint es.

Der Titel ist so weise, so prägnant, so genial wie nur irgendetwas: erst die Meute von kleinen Brüdern, einmalige Sprache und eindeutige Perspektive auf Eltern und einander und die Umgebung. Dann die Aussonderung, die Ablösung, die Erstarrung.

Tiere brechen Herzen, Tiere fressen Herzen, Menschen lassen alles verkommen. Es ist egal wie fröhlich ein Kind lacht, irgendwann liegt die gealterte Kreatur in der kalten Finsternis und speichelt auf den Boden.

The Beaver, Jodie Foster

Hier. Zunächst wurde das Ding im Kino gesehen, und da funktionierte es auch ganz gut. Jetzt, nachdem gefühlte siebentausendundvier Prozac-Geschichten konsumiert wurden, erscheint der Biber wie eine zu geradlinige, manchmal unangenehm rührselige Weissbrot-Geschichte, die keinerlei Einsichten oder Provokationen enthält.

Der Biber ist ein Bonus, ähnlich wie Alf, der die Allmacht der Familie nur erneut beschwört und dann bestätigt. Die Hauptdarsteller sind sympathisch und die Leichtbauweise amerikanischer Häuser wird außerdem offenbar.

7/21/2014

My Struggle, Book Two, Karl Ove Knausgård

Und weiter damit. Hier, hier, hier. Und gleich auch noch den zweiten Teil vertilgt, da das System KOK immer noch nicht so ganz verstanden wurde.

Diesmal ist er Vater und Ehemann und zeigt eine schlimme Person: eine Mutter und Ehefrau, aus deren Klauen sich der arme mittelalte Autor nicht befreien kann. Unleidliche Kinder helfen auch nicht, die Stimmung zu heben. Diese Frau: was für eine penetrante, selbstsüchtige, egozentrische, debile Furie. Eine schizophrene Kleinstadttussi-Notaufnahmenhusche-Sofakissenschlägerin die dem Karl seine Testikel in einem Safe hinter ihren Eierstöcken festgemacht hat.

Schwierig zu sagen: Warum heiraten Menschen? In diesem Buch ist das noch prägnanter: Warum heiratet dieser Typ genau diese Frau? War die in Band 1 geschilderte Jugend wirklich so schlimm?

Auch sehr fein hier: Karl erzählt wie er das Buchprojekt begann, dass hier konsumiert wird. Das Ende ist der Anfang ist das Produkt. Außerdem geht es um Freundschaft und wie sie sich ändert. Freilich wiederholt sich Karl hier, aber das ist sehr legitim und es wäre unaufrichtig wenn nicht: Menschen wiederholen sich nunmal, da sie an einem bestimmten Charakter festkleben, und "My Struggle" ist ja ein Menschenbuch.

Freilich liegt Band 3 schon hier. Verwirrend.

Harsh Times, David Ayer

Hier und hier. Schon wieder Bale, schon wieder Los Angeles. Abstieg, Euthanasie, große und kleine Verbrechen und nicht vorhandene Selbstdisziplin. Der Film konnte nur mäßig gefallen, da Ayer keine Freunde gewinnen wollte. Das wiederum beeindruckt beim Abspann. Kriegstraumata sind schwer umzusetzen, da sie um die Opfer|Täter-Achse oszillieren und oft nicht über neunzig Minuten hinaus tragen. Ayer will nichts tragen und nutzt seine Hauptdarsteller, um von Anfang an die Ausweglosigkeit derlei Entstellter zu zeigen. Katharsis ist was für Zivilisten.

7/14/2014

Bronson, Nicolas Winding Refn

Hier und hier. Ja, Refn von Drive und Hardy von Batman. Ähnlich wie Valhalla Rising ist hier der Kunstfilm, der Videoclip prominenter vertreten als die ehrliche Zurschaustellung eines berüchtigten Verbrechers und professionellen Asozialen. Bronson braucht seine Bühne und zeigt sich gern. Zieht sich aus und kloppt sich. Reine Physis als alternative Existenz. Dazu das Gefängnis: Zelle oder Hafen? Zuhause oder Ziel? Grab oder Kreißsaal? Vielleicht ist es der beengte Raum der Bronson schließlich Bühnen erfinden lässt, ein großes Publikum. Hardy wiederum konnte diesen Film als Casting-Video gut gebrauchen: die laute und plakative Art setzt ihn ins Zentrum und ein geduldiges Publikum ist dankbar, dass er dann doch auch noch in einem BMW ein herrliches Kopfdrama spielen kann.

The Fighter, David O. Russell

Hier und hier. Eine wahre Geschichte und dann auch noch die Themen Familie, Klassenkampf, Drogen und das Alter. Ausgeführt mit einem Mords-Cast und in Müll-Pastell abgefilmt. Sollte klappen, oder? Tut es aber nicht, da Bale den Junkie-Bruder zu gut spielt und sich keinerlei positive Emotionen einstellen - Wahlberg als zentraler Bruder bleibt nur eine Art Normalitätsreferenz. Vielleicht klappt The Fighter nicht, weil der Fight eben so erbärmlich ist. Das Motiv des Boxens polarisiert automatisch, gerade wenn man eher kopflastig (aber eben nicht hakenlastig) durch die Weltgeschichte wankt.

The War of Art, Steven Pressfield

Hier. Ein weiteres prägnantes Rüttelschüttelbuch von Herrn Pressfield. Es liest sich wie eine etwas ausuferndere Version seines Do the Work. Wieder bleibt die Einstellung in Erinnerung: unverwüstlich marschiert der Autor durch die sogenannten Blockaden und ist nicht dialogbereit, wenn es um ihre nachhaltige Beseitigung geht.

7/10/2014

Sex Criminals Volume 1, Matt Fraction & Chip Zdarsky

Hier. Ein richtig guter, leichter und kluger graphischer Roman zu einem Thema das schnell zotig und dumpf abgewirtschaftet wird.

Die Helden halten die Zeit an wenn sie kommen und setzen das dann gewinnbringend ein. Aber diese Formel à la "XXX-Men" reicht nicht aus: es wird in furiosen panels nicht nur das Mysterium Geschlechtsverkehr sondern auch menschliche Anziehungskraft im Allgemeinen behandelt. Das geht vor allem mit einem aufrichtigen und sehr sympathischen Humor, der die Dinge selten bis nie vereinfacht.

Fraction hat schon mit Hawkeye zutiefst beeindruckt und wahrscheinlich Marvel selbst überrascht. Jetzt schafft er das mit Chip Zdarsky zum ubiquitären Thema Sex. Wow.

7/08/2014

Mysterious Skin, Gregg Araki

Hier und hier. Richtig so. Was soll man Pädophilie auch ausklammern aus dem Kino? Weil das Marketing dann knifflig wird, achso. Hier also zwei Jungs, die nach dem Übergriff auf diametrale Art und Weise damit arbeiten. Einmal nach Außen (Stricher, bring it on, whatever) und einmal nach Innen (Flucht in die Entführung durch Außerirdische).

Araki lässt laufen: die Kinder, aus denen später die besonderen Erwachsenen entstehen, werden in qualvoll langen Szenen der Gewalt ausgesetzt, die eben nicht die klassische allein physische Bemächtigung oder Einverleibung darstellt. Es ist alles viel komplizierter, denn die mysteriöse Haut, diese fleischliche Begrenzung des Ich, wird auch durch äußere Kräfte geformt. Blaue Flecken sind simpel, die gehen weg. Andere Verletzungen sind fundamentaler und setzen Wechselwirkungen in Gang. Treudoofe Deppen reden dann vom Trauma und von Strafe und Ursache und Wirkung - aber mit diesem Film kann man Gewalt eben in ihrer größeren Tragweite zumindest erahnen. Richtig so.

Quantum of Solace, Marc Forster

Hier und hier. Autos, Waffen, Ischen, Tourismus. Auch beim Re-Konsum zum Joghurt-essen überrascht Bond nicht, das darf er ja auch gar nicht. Wieder die Erkenntnis: Craig ist gut gecastet. Schade für den Menschen an sich, der bestimmt auch normaler Schauspieler sein möchte (er war enorm unterfordert im ziemlich witzigen Cowboys & Aliens). Bis dahin liefert er knackige Agentenaktionsunterhaltung, so verlässlich wie Ravioli aus der Dose.

7/04/2014

Super, James Gunn

Hier und hier. Eine kleine herbe Geschichte mit dem Motiv des Superheldentums und unter Verwendung einer Rohrzange. Aufpassen: hier ist tatsächlich der gleiche Regisseur am Werk der der Welt die Guardians of the Galaxy bescheren wird.

Hier heißt herb auch nah am Trash und am Splatter: wie auch beim herrlichen Slither geht es eher preisgünstig aber von Herzen zur Sache. Das Ende ist unversöhnlich, aber eben doch schön. Das Konstrukt des maskierten Rächers bleibt eine fruchtbare Provokation für Gut und Böse und anderen ausgedachten Mist.

7/01/2014

My Struggle, Book One, Karl Ove Knausgård

Hier. Scherze über skandinavische Klischees sind vollkommen unangebracht in dieser (zumindest laut Marktpropaganda) unerhörten Reichweite dieses Werkes. Da schreibt Herr K. also Dinge aus seinem Leben auf, aber mit einer Dichte und einer Feinheit und einer Atemlosigkeit die teils an ein Murmeln und teils an ein Zweifeln erinnert.

Der Konsum stand an, da amerikanische Postillen sich mit diesem Ding, dieser auf mehrere Bände ausgelegten Autobiographie eines Menschen der nicht Astronaut oder Verbrecher oder Politiker ist, aufopfernd beschäftigen. Vielleicht ist es die vermeintlich harte Ehrlichkeit eines exotischen Atheisten, die hier zur allgemeinen Begeisterung breitgeschrieben wird. Vielleicht liegt es daran, dass es hier um ein Buch-Buch geht - hier wird gelesen und nicht geschaut. Bei seiner Entstehung wurde keine Verfilmung in Aussicht gestellt.

Warum ist das auf deutsch tatsächlich "Mein Kampf" heißende Buch hier so schnell (400+ Seiten in 4 Tagen, Schlafentzug und Internet ignoriert und alles) konsumiert worden? Labels wie "Realismus" und "Fokalisierung" oder "Authenzität" (LOL) helfen freilich nur wenig um das Verschlingen zu beschreiben. Auch der ständige von der Presse aufgegriffene Vergleich zu Proust ist balla-balla denn wer hat schon Zeit für Proust wenn es Batman gibt. Und Knausgård schreibt auch keinen Krimi, obgleich er gern Informationen vorenthält (es sind aber auch zu viele).

Aber er hilft, profanen Quatsch besser zu verdauen und zu verstehen. Immer geht es um Dinge und Objekte und Teile und eben des Autoren Schreibe, die das alles in ein mäanderndes Universum einfügt. Assoziative Ketten bauen sich auf, vergehen, und nach ein paar Dutzend Seiten ändert sich die Klangfarbe - das macht Herr K. aber stets süffig und mit lebendiger, direkter Sprache. Er leistet sich Essays, Versuche des Nachdenkens über seine Erlebnisse. Min Kamp ist mehr als nur eine Erzählung, es ist auch eine orgiastische Grübelei, die aber stets rege und zumindest nachvollziehbar bleibt.

Wo wird denn gekämpft? Zunächst freilich in der Jugend. Bier besorgen und im Schnee verstecken. Vater aushalten. Mutter verstehen. Dann die Bitternis des Erwachsenseins: Vater beerdigen. Oma verstehen. Fäkalien aus Eigenheimen extrahieren. Saufen. Essen. Frauen im Allgemeinen.

Der zweite Band ist schon halb durch. Vielleicht lodert das Feuer noch bis zum dritten. Go, Karl, go.

Zodiac, David Fincher

Hier und hier und hier. Der kalifornische Ripper also wiederholt konsumiert. Das Rätsel an sich verspricht ja beste Unterhaltung und ist es nicht der Sinn des Krimis, dass der Konsument miträt und sich kognitiv einbringt? Hier haben wir auch noch die echte Welt auf unserer Seite und können uns fragen, was "true crime" eigentlich für ein Genre ist und ob Zodiac als echter Person oder Zodiac als Finchers Film hier einen Kommentar formuliert. Wer war Zodiac, was kann er sein? Das Rätsel steht in den Sternen und es kann saisonabhängig neu gelesen werden. Keine Antwort trägt durch alle Jahre.

6/29/2014

Pain & Gain, Michael Bay

Hier und hier. Dieser furchtbare Film ist wie erwartet viel zu lang und schlägt eine ähnlich aggressive Verrohung an wie Bad Boys 2, dem wohl erniedrigendsten Blockbuster des jüngeren Kinos.

In seiner Furchtbarkeit hat P&G aber Schauwert für Gaffer wie wir alle es sind, rühmt er sich doch auf wahren Begebenheiten zu beruhen. Das irrationale Verbrechen und Gier in Verbindung mit Dummheit lassen immer wieder aufhorchen und die supersimple "Kritik" am amerikanischen "Traum" stimmt in die Tonart des Dramas.

Das Ende der Zivilisation, das Ende der Maskulinität, der Abstieg in die moralische Schwerelosigkeit. Hey, das ist ja eine Dokumentation.