8/17/2008

Deadwood, Pete Dexter

Deadwood ist mehr als ein Western. Es ist gleichzeitig ein historischer Roman und fiktionalisiertes Sachbuch. Charlie Utter, Wild Bill Hickock und Calamity Jane treten auf, ab, und verwickeln sich und andere in allerlei Widrigkeiten.

Dass Dexter Thriller schreiben kann, ist seit Paris Trout bekannt. Hier in Deadwood geht er ähnlich sorgfältig mit seinen Figuren um und verheizt sie keinesfalls als bloße Duellisten und Skalpjäger (obwohl sie beiden Tätigkeiten freilich nachgehen). Einer historischen Verklärung macht er sich nicht schuldig. Die groteske Persönlichkeit von Martha "Calamity" Jane Cannary-Burke veranschaulicht er durch leise Drolligkeit.

Und derb ist es damals auch gewesen: enorm verdreckte Menschen rutschen zwischen einer riesigen Bordellkultur und improvisierten Badehäusern umher, Mexikanerköpfe werden gesucht und gefunden und für Chinesen werden Krematorien improvisiert. Zurückgebliebene "Weichköpfe" reichen Schwämme und sammeln Flaschen. Stumpfe Gewalt durchdringt Stadt und Land. Fast denkt man wieder an McCarthy, aber nur fast.

Als Illustration hier der Hatfield Clan 1897. Weder örtlich noch zeitlich hat diese Sippe etwas mit Deadwood als Ort oder Roman zu tun, doch bei der Lektüre spukte das Bild trotzdem hinter der Stirn herum. Erstens ist der kleine Junge rechts, der vor der unscharfen Zwergin steht, eine sehr eigentümliche Erscheinung - ernst, überbewaffnet und debil steht er da. Er scheint den Wilden Westen in Realität und Klischee darstellen zu wollen. Zweitens soll die historische Familienfehde durch ein genetisch bedingtes Phäochromozytom verursacht worden sein - einen Tumor, der womöglich Aggressivität und Brutalität verursacht. Das stimmt auch nachdenklich, denn anders kann man sich den ungeheuren Tatendrang der Hatfields und der Akteure von Deadwood nicht erklären. Ruhelos walzt sich die Welt voran, man schürft und schießt und hurt und schuftet und säuft bis man vom Schlamm verschluckt wird. Kurzum: der gemeinsame Nenner von diesem Bild und Deadwood als Fiktion und Dokumentation ist der prächtig schlammverkruste schopenhauersche Wille. Erbarmungslos, quasi.

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