12/02/2007

Altered Carbon, Richard Morgan

Solcherart Literatur muss einen gleichzeitig in den Arm nehmen und ein bisschen zu fest zudrücken. Morgan schafft beides. Zunächst trifft man auf altbekannte Motive und Kaufgründe für den Fan an sich. Bei Altered Carbon wäre das Philip K. Dicks Blade-Runner- Ästhetik und die Aufbereitung von William Gibsons Erbe. Autos, die fliegen, Mistwetter und die verzeckten Massen in finsteren Betonschluchten. Saubere Virtualität und zeternde AIs. Naniten im Neonblut quasi. Dicks L. A. ist hier konsequenterweise nur eine ’Bay City’.

Aber Morgan kann diese Landschaft noch erweitern und wahrlich einen eigen nuancierten Lektüregeschmack erreichen: statt Zeitreisen gibt es Körperreisen. Die Betonung liegt nicht auf Replikanten obwohl die Maskerade durchaus eine Rolle spielt. Die Menschen speichern ihren Geist in Maschinen und werden dann in ’sleeves’ geladen, Körper von der Stange oder von der Straße. Und so kann man knackige Noir-Elemente wunderbar vom Leder reißen: ’Methusalems’ leben schon ewig und haben Geld für genug Backup-Kopien ihrer selbst. Das sind perfekte General Sternwoods. Die Wertigkeit von Blut, Schweiß und Tränen verschiebt sich und der Protagonist Kovacs kann nun in verschiedenen sleeves auf’s Maul bekommen. Allerdings bekommt auch der gelegentliche Beischlaf eine beunruhigende Komponente. Kurz vor dem Showdown wird die Wahrheit formuliert: das Fleisch wächst von allein doch um die Maschinen muss man sich kümmern. Selbstkontrolle ist sinnlos in einer Welt der gelebten Selbst-Losigkeit.

Die Existenz in Altered Carbon ein stetiges Ringen mit dem Content Management System der Körperkonsumkultur.

Morgan drückt aber auch zu: stets hat man das Gefühl, dass da noch viel mehr ist in dem Universum, das er sich ausdachte. Kovacs ist nur ein Partikel in einer größeren, eigenständigen Dynamik. Da werden dutzende von interessanten Dingen und Geschichten nur angerissen. Und außerdem gibt es Schießereien, Prügel-Sessions und Splatter-Sequenzen. Eine Punktlandung im postcyberpunkigen (doch, das Wort gibt es wirklich) dritten Jahrtausend.

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