12/11/2010

Feuchtgebiete, Charlotte Roche

Tschu, tschuuuu: hier hat jemand den Hype-Zug verpasst. Stattdessen hat der Konsument viel zu spät 140 Minuten seines Lebens geopfert, um die geplante Verfilmung dieses Gassenhauers von 2008 noch weniger zu verstehen.

Nicht jeder schreibt über Mädchen so wie Herr Eugenides.

Warum überhaupt der Konsum dieses Dings? Es ist mit seinen guten 200 Seiten Großdruck sehr wenig furchteinflössend. Es lag auf dem Stapel oben. Es hat so eine keck grelle Farbe. Was ist denn nun drin? Nichts, was man nicht erwartet hätte: eine ganze Menge Ekel. Alles, was eine erwachsenwerdende Protagonistin eben so anzubieten hat.

Unglücklich kann man nur werden, da so viele Leute dieses Ding kauften, es somit zum Bestseller für Dumont machten und schlussendlich höchstwahrscheinlich nur "Iih" und "hihi" gesagt haben. Aber halt. Das klingt ja wieder so elitär. Aber Bestseller sind nun mal Produkte, die von seltsamen homo sapiens gemacht werden: nämlich den Nichtlesern.

Heinz Strunk und Helge Schneider sind viel tollere Massengermanisten.

OK, mit gutem Willen ist etwas drin. Das Hauptthema der Novelle ist traditionsreich: der Körper als Schlachtfeld und Schlacht-Feld. In einer hypermedialisierten, also entkörpernden Welt kann man sich in Zeiten der Not nur auf das Wesentliche konzentrieren: die Materie, die einem nicht wegläuft. Die Kindheit der Protagonistin soll geheilt werden, deshalb ergeht sie sich so in den Heilungsprozessen des eigenen Körpers. Mit der fitzeligen Kontrolle der Gegenwart gegen eine übermächtig erinnerte Vergangenheit. Für eine Großtat in Sachen Borderline-Aufklärung ist der Text dann aber doch zu dünn.

Verstimmt muss auch gefragt werden: wie kann man sich einer so hinreißenden Metaphorik wie Verdauung, Ausscheidung und Müllproduktionen denn ohne eine tüchtige Brechszene widmen? Es fehlt diesem Ding ganz sicher an Vomitationen. Der Emetophobie darf kein Raum geschaffen werden! Man kann nunmal oft gar nicht so viel essen, wie man speien möchte. Das wäre doch mindestens ebenso zeitgeistig wie die transkörperliche Verstopfung/Inkontinenz.

Sequel und Film kommen auf keine ToDo-Liste hier.

4 Kommentare:

JCD hat gesagt…

vomit free since 93

o.ben hat gesagt…

yeah. und das ist so UNGESUND. wie soll sich die speiseröhre erholen wenn nicht ab und zu was hochgeschossen kommt? es gibt einige bankette, die spontane eruptionen verdient haben. sonst macht der kram nur plack im darm.

JCD hat gesagt…

mein Proktologe sagt: Mehr Stuhl ist besserer Stuhl. Wenn man mehr "Umschlag" im Darm hat, reduziert sich das Risiko von Darmkrebs.

Regelmäßiges Erbrechen ist auch wiederum ungesund, weil das Azide nicht gut für die Speiseröhre ist.
Letztere ist nicht durch Muckus gegen Säure geschützt, deshalb kommt es dort zu Zell-Proliferation und das ist letzlich nichts Anderes als Krebs.

Was wurde eigentlich aus Sarah Kuttner, schrob die auch schon ein Buch?

o.ben hat gesagt…

"umschlag"... ach herrje... also müsli und rohkost und weniger donuts?

ja, kuttner, vor nem jahr, du bemerktetest es prompt damals:

http://konsumgraben.blogspot.com/2009/04/mangelexemplar-sarah-kuttner.html