1/24/2011

Red Dead Redemption, Rockstar Games

Noch ein amerikanischer Erwachsener mit Schusswaffe. Das Jahr 1911 war ein kniffliges Jahr, denn nach ihm wurde auch ein Colt benannt. Der Colt "Government". Und eben jene Regierung macht nun den Wilden Westen den Westmenschen streitig, indem es seine miesen eigenen Pläne verfolgt. Der Held hier, ganz in der Tradition der Rockstar-Games-Sandbox, ist gebeutelt und korrumpiert und kann ja gar kein (ödes) Normaloleben führen. Grundlage einer guten Geschichte.

Der Hype ist berechtigt. Die Begeisterung für das Produkt lässt sich kaum in ein paar windige Zeilen zwängen. Rockstar Games haben mehr als nur Hausaufgaben gemacht und sich mit enorm viel Hingabe (jawohl: Liiiiebe) einem der traditionsreichsten Themengebiete der Unterhaltung gewidmet. Jeder Konsument kennt den Avatar des Cowboy - wahrscheinlich als allererstes Vehikel der Zerstreuung. Cowboys, Piraten, Ninjas, Astronauten... da kann man schnell Opfer der Klischeemaschine werden. Doch nicht hier.

Das Duell ist eine Hoffnung auf Lebenserleichterung. Im zwingenden Pragmatismus der unerschlossenen Territorien können die infamsten Probleme mit dem Zeigefinger geregelt werden. So unkompliziert war die Welt nie wieder. Ein Höhepunkt ist das Duell mit dem manischen Deutschen, der einen Poker-Betrug vermutet. Er lag richtig, aber wen fressen jetzt die Geier? Eben. Rockstar Games verstand das, diese erhabene Logik von Hahn, Abzug, Trommel und Wille.

Alle Territorien der USA sind vorhanden in diesem Paralleluniversum: Rockies bis Texmex mit Louisiana und dem Mittleren Westen dazwischen. Metropolen gibt es wenige - dafür endlose Prärie und Bärenangriffe und Postkutschen und pfeifende Revolutionswirren bei den Proto-Chicanos. Und die Soundkulisse! Viel Munition wurde verbraucht bei der Hasenjagd - nicht wegen eines Hasenhasses sondern wegen des Wohlklangs aller Schießwerkzeuge. Das Lied vom Tod, als Nachspiel? Egal, nachladen.

Vielleicht ist dies das erste Spiel, bei dem man sich auch gern nur einmal den Sonnenuntergang anschaut. Pferd scharrt herum, der Held checkt die Winchester... und Bibliotheken voller Wildwestromantik ergießen sich durch das HDMI-Kabel.

Das Ende. Das Ende. Alle Dinge enden. Mit einem Ende kann auch Mittelgutes besser enden. Hier haben wir etwas wundervolles, das irgendwann endet... endet es gut? Es endet hervorragend. So wird es gemacht. Das ganze Pack da draußen, die ganzen (Dreh-) Buchautoren und Unterhalter und Fotographen und Filmer, die sollen sich daran ein Beispiel nehmen. Es ist red, es ist dead, es ist redemption. Zieh!

Im vorletzten Absatz noch was zum Nörgeln ansprechen...? Nein. Vielleicht das: im vorliegenden Spiel hat es gespukt. Der Konsument vermutet hier die letzten Spuren einer anders geplanten Endsequenz: in der Scheune auf der heimischen Farm ist eine eigenartige Schrift im Obergeschoss, unter dem Dach. Sinnvolle Worte, unheilvolle Worte. Und kurz vor Schluss fällt die Tür hinter der Familie zu, und wer bleibt mit dem Helden im Inneren und am Ende seiner Geschichte gefangen? Das Gespenst seines Sohnes, das mit versengtem Blick in die Zukunft starrt. Der Konsument vermutet ein Ende, das die letzten Spielszenen als Wunschtraum entlarvt - aber bei RDR gibt es keine Wünsche, keine Träume. Nachladen.

Prachtvoll. Jetzt noch eine Partie Hold'em. Papa braucht neue Kugeln für den Büffeltöter. Nachladen.

1/19/2011

Lush Life, Richard Price

Die Lektüre war zäh, nicht nur, weil das Nichtkonsumentenleben dazwischen funkte sondern auch, da Price nicht Charlie Huston ist (aber wer ist das schon?). Da wird also einer (weiß) in NYC erschossen (von nicht-Weißen) und wird dabei zum Märtyrer. Der Pressetrubel bringt die Augenzeugen in Verlegenheit und alle müssen damit fertig werden, wie erbarmungslos die zementerne Realität der amerikanischen Großstadt ist. Das ganze moderne Leben prasselt auf die Beteiligten ein, inklusive Trauernden, Polizisten und Querschlägern.

Wie kam man drauf? Price ist für eine Folgen von The Wire als Drehbuchschreiber verantwortlich. Eine Serie hält sich ja nur, wenn sie mit den Höhepunkten haushält. Sonst wird es eine hysterische Angelegenheit. In einer Serie müssen Routinen verfestigt werden. Ähnliches passiert in Lush Life: äußerst unaufgeregt wird hier seitenweise Dialog gebracht, der den Alltag und den nicht vorhandenen Sonntag der Opferverwalter, äh, Polizisten schildert. Kann man so machen. Geht aber auch anders. Bei Price pirscht kein Monstrum durch die Dunkelheit, weder The Coon noch The Goon. Ist das Realismus? Ist das das satte Leben? Ist das satte Leben real?

1/11/2011

Shaft, Gordon Parks

Ist die Blaxploitation nun etwas Progressives oder eine Selbstaufgabe, eine Beleidigung? Es ist sehr schwierig, Shaft zu schätzen wenn man ihn nur durch Zitate und Reinkarnationen kennt. Dies soll also der Nukleus sein? Wie muss das Klima gewesen sein, dass das hier so bombig einschlagen kann? Die stumpfe Sexualsymbolik ist auf diversen Ebenen schwierig. Wird da nicht einfach Rassismus mit Sexismus angereichert? Ist das dann eine "Auflockerung"? In wessen Interesse?

Aber vielleicht übertreibt da der Konsument. Ist doch nur ein Film! Soll nur unterhalten! Spaß ist die Devise, nicht Politik. Tja... Die Kinotradition hat sich leider weiterentwickelt. Viel Spass macht Shaft eigentlich nicht - auf direkte Weise. Es ist eher die stetige Entzauberung einer popkulturellen Autorität, die Spaß macht. Aber Spaß auf wessen Kosten? Halt, wieder zuviel Nachdenken...

1/03/2011

The Scar, China Miéville

Das hier. Ist das schon steampunk? Zumindest ist es keine gemächliche Phantastik mit Nichtmenschen in Minen oder Hainen. Eher Pirates of the Caribbean mit Kybernetik und Dimensionsrissen.

Miévilles Welt wird ohne Landkarte dargestellt, ein famoser Schlag um den Hintergrund stimmig zu halten. Es geht um eine Seereise, die freilich wie einst die Wikinger an den Weltenrand führt. Aber es fährt nicht nur ein Schiff, sondern eine Stadt aus Treibgut - ein Ponton aus Leibern, Sperrholz und sonstigen Resten. Schöne Metaphorik. Somit kann die Stadtintrige geographisch werden. Was mag die Konkurrenz des Genres machen? Ist Miéville ein Pionier? Vor 2025 wird The Scar zumindest bestimmt nicht verfilmt werden, denn soviel exotisches Panorama hält keine Leinwand aus. Zumal dann auch Jack Sparrow zum 74sten Mal in See stechen wird.

Star Trek, J. J. Abrams

Neukonsum vom dem da. T4 war keine so erfreuliche Überraschung. Abrams musste es den Fans und der Masse rechtmachen und fand den kleinsten gemeinsamen Nenner. Oder auch nicht.

Jedenfalls detonieren viele Dinge. Die Scherze sitzen, für Kapstadt und Kentucky gleichermaßen. Teil Zwei des Neustarts kann nun bald aus den Vollen schöpfen, da die Crew beisammen ist und die zu verbrauchenden Rothemden wieder zahlreich sind.

1/02/2011

Adams Äpfel, Anders Thomas Jensen

Dänisch und ausgezeichnet. Hier. Es ist ja immer ein Kreuz mit diesen pädagogischen Unternehmungen. Da kommt einer an und will was von einem besseren Leben erzählen. Da wird interveniert. Ein Leben voller Erkenntnisse soll redigiert werden. Wer will sich sowas bieten lassen? Kopfnuss! Klar. Diese Nase gehört gebrochen.

Im Mittelpunkt eine dumpfe Glatze, als Aktivist ein debiler Pastor und als Stein des Anstoßes die Zubereitung von einem Obstdessert. Am Ende hat die Glatze Haare und die Prämisse des Überlebens hat an Gewicht gewonnen. Trotzdem ist es kein erlösendes frohes Ende, der Ball wird vielmehr ins Publikum abgespielt. Good Will Hunting ist für die Mehrheit der Überlebenden aber Jensen macht mit seiner kleinen Ode an die Unerträglichkeit des korrekten Lebens alles richtig.

Kuchen. Wer ihn tadelt, liegt falsch.

12/27/2010

There Will Be Blood, Paul Thomas Anderson

Blut, Wasser, Öl. Mischt sich schlecht und klebt doch aneinander. TWBB schafft zum einen eine Aktualisierung des Dickehosekinos mit Dickehoselandschaften und Dickehosegesten. Das Heimkino kann ausgefahren werden. Zum anderen schafft der Film das ohne zu nerven, zum Beispiel mit Frauen, die dann auch noch darüber reden wollen.

Erstkonsum war hier. Warum ist das ein guter Film für (die) Feiertage? Weil es das mischpokige Klapperwortgestell namens Familie auseinanderschaselt. Es ist letztlich alles zweckmäßig: das Öl muss aus der Tiefe, das Blut hilft dabei zeitweise und irgendwann muss man sich von beidem reinwaschen. TWBB ist ein Geologiethriller, der die Menschen als Teil des flüchtigen Gerölls entlarvt, das die Sedimente zu manipulieren trachtet.

Und wieder: BOWLINGBAHN!! Wer die Spielregeln nicht versteht, bekommt eins mit dem Kegel drüber. Recht so. Der perfekte Ort für die perfektesten Schlussworte, die ein egomanischer Hypercharakter wie Daniel Plainview (Berg weg = Sicht frei) von sich geben könnte: "Ich bin fertig." Das hat er uns allen voraus.

12/26/2010

No Country for Old Men, Coen Bros.

Bring it, friendo. Da. Muss man eigentlich nicht viel zu sagen, jedenfalls nicht unbedingt mehr als da.

Beim Neukonsum fällt die Dopplung stärker auf. Welch großes Gleichnis doch die Welt des Kriminalstückes ist: hier gibt es Ursachen und Wirkungen sowie Täter und Opfer. Welches davon ist der Sheriff? Ist er letzte Systeminstanz oder doch nur Oberfläche, auf der sich die Fluchtlinien niederschlagen? Vielleicht ist es wirklich so. In der zweiten Lebenshälfte trennt sich etwas ab, etwas das vorausgeht und Feuer macht.

A Heartbreaking Work of Staggering Genius, Dave Eggers

Hier die Memoiren von dem da. Er hat sie alle gekannt und kam viel herum und trotzdem ist Dave Eggers nicht wirklich in den GenX-Kanon eingegangen. Warum? Vielleicht liegt es am Humor. Diese unverfrorene Erinnerung an seine Verwaisung ist ziemlich lustig. Fast schon zu cinemascopemelodramatisch um wahr zu sein.

Beide Eltern rafft der Krebs dahin und Mr. Eggers muss als Frühzwanziger seinen kleinen Bruder versorgen - und schreibt dann eben diesen Romanreporttatsachenbericht darüber. Kalifornien über alles. Eggers ist eben kein Orakel vom Berg, das ab und zu weise Zeilen ausstößt: er ist Journalist, aber einer von den Guten. Das Medium Taschenbuch nutzt er aus, indem er es mit diversesten Fußnoten ausstattet. Dabei ist es der Lesefluss, der zählt und nicht das Gesamtwerk zwischen den Buchdeckeln. Fast schon Realismus. Die kleinen Scherze tragen von Zeile zu Zeile und am Ende hat man doch ein Kind großgezogen.

Und hier ein Bild von einem Tacker.

12/21/2010

Supernatural, Eric Kripke

Fünfte Staffel durch. Alles am Ende.

Eigentlich war gar keine sechste Runde geplant, doch sie kommt nun doch - wegen des genialen Konzepts und der treffsicheren Durchführung. Denn es ist immer noch die optimale Mischung aus Buffy und den Dukes of Hazzard, die Supernatural so gemütlich macht wie die zentrale Rindsledercouch über dem Blutfleck im Wohnzimmer.

Ja, OK, irgendwann verlieren die dämonenpfählenden Brüder den Vater ans große Hollywood, aber sie sind ja groß genug. Mit dem schönsten Auto der Welt prescht man durch das Niemandsland zwischen Nebraska und Oklahoma - und das ist wichtig. Gotham ist fern, denn die Welt ist flach in dieser Welt. Kalifornien mit seinen apres-ski-Lykanthropen ist ebenso weit weg. Dunkle, nasse Tannen dräuen am Highway-Rand. Hier kommt der Tod weniger von oben sondern eher von der Seite. Der Teufel wartet an den Straßenkreuzungen und mitten im verlorenen ländlichen Idyll: nur ein Städter (irgendein iPod-Opfer halt) kann sich nicht vorstellen, dass Höllenadvokaten bei den Sauen im Stall erscheinen. Die Winchester-Brüder führen einen juvenilen Kampf weiter: kaum haben sie Benzin und einen (mit derben Dingen) gefüllten Kofferraum steuern sie die Ferne an und entkommen der Vorstadt mit ihren kleinen Rasenparzellen. Aber nur zeitweise: genau hier, bei den soccer moms und den F-150s schleicht sich die Höllenbrut ein, hier wandeln die Toten und töten die Wände. Die Brüder bleiben mobil. Motels sind die Hüllen. Jeans und Karohemd können auf dem Rücksitz kaum zerknittern. Was nehmen Sam und Dean noch mit auf die Reise? Die Posen der TV-Cowboys und unverwüstlichen classic rock. Es passt halt.

Wenn die Puritaner von Salem jetzt hinaufblicken aus ihrem lodernden Kerker dann sehen sie diese Fernsehserie und freuen sich. Mit so wenigen filmischen Mitteln und so effizienter Dramaturgie (eine Scheune ist eine Scheune und eine Lagerhalle ist eine Lagerhalle) auch noch so viel konsumkulturellen Charme zu versprühen ist wahrhaft edel. Die epochalen X-Files wollten zum Schluss immer mehr sein und sich des TVs entledigen (vielleicht schafft das ja der dritte Kinofilm) - Supernatural hingegen ist die Erbsensuppe im Werktagsmenü. Passt immer, und der Abwasch ist auch fix gemacht. Da kann man dann sorgfältiger Salz auf die Türschwellen streuen.

Bild ist von DC's/Wildstorm's Folgeprodukt.

Dead Men Don't Wear Plaid, Carl Reiner

Hier und hier und hier. Die Puppe kam herein und sie hatte Beine bis zum Boden. Das private Auge muss ermitteln und kann sich gar nicht an ihnen satt sehen. Dieses best-of des schwarzweißen Gangsterfilms ist ein Zusammenschnitt der greatest hits und so spielt Steve Martin mit allen üblichen Verdächtigen. Seine damsel in distress bekommt einmal tüchtig eine gelangt und kann dafür sehr gut (Kugeln aus Steckwunden) saugen.

Ein Klassiker. Witzlos für die Ahnungslosen. Wie im echten Leben.

Out of Our Heads, Alva Noe

Na, wo ist denn das Hirnchen? Und das Seelchen? Wenn die Augen zugehen, wie soll es dann noch feststellen, wo oben ist? Die Körperlichkeit ist furchtbar mundaner Ballast und mit der kartesischen großchristlichen Propaganda bricht Noe ebenso wie mit der bequemenen (fixen) Idee eines Ichs als CPU im Netzwerk der Suprakommunikation.

Flink kann Noe schreiben und ohne schwerste Worte. OK, es gibt popkulturelle Fragmente: aber The Matrix wird nicht gehypt und Blade Runner als immer noch spannende Inspiration entlarvt. Recht so. Embodied cognition scheint ein spannendes Feld zu sein - vor allem, da anscheinend bis vor einem Jahrzehnt kaum jemand die Umgebung in die Darstellungen von Identität und "persönlichem" Bewusstsein einbezogen hat.

Die weihnachtliche Zombiecalypse bekommt jetzt einen frischen Drall. Ist sie doch nur ein verzweifeltes Festhalten an der endlichen Fleischlichkeit und dem Wunschtraum einer unsterblichen Seele?

Der Wiki-Knoten ist gar nicht schlecht.

Orgazmo, Trey Parker

Oja. Hier. Der züchtige Mormone kommt nicht umhin und muss Geld verdienen. Das geht nur im Erotikfilmsegment. Als Orgazmo hat er einen sidekick mit Phallus auf dem Helm und einen stunt cock. Freilich ist der Humor berechenbar und nirgendwo lauert die ordnungsschaffende Instanz. Als bester im Film genannter Filmtitel muss "Schindler's Fist" gelten.

Uh, Ron Jeremy spielt auch mit. Anbei sei erneut Pornucopia: Going Down in the Valley empfohlen, eine HBO-Doku über das krisensicherste Geschäft seit der Erfindung der Kleenex-Box.

12/18/2010

LA Noire

Das kann ja was werden. Gollum war vorgestern und hier sind sogar Gesichtsflächen aus Mad Men und Fringe (und Charmed?!) beteiligt.



Danke, ZachSeinBlog.