7/27/2008

Hogg, Samuel R. Delany

Delany soll als engagierter Literat mit seinen Arbeiten die Grenzen von Sci-Fi ausloten, so liest man. Auf Bildern wirkt er wie die hawaiianische Version des Weihnachtsmanns. Bei der Lektüre von Hogg denkt man da aber weniger dran: es handelt sich um einen brutalen Roman, ein erschütterndes und geradezu schmerzhaftes Stück Text welches den Leser angeekelt, entnervt und fragend in die Leere entlässt. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Sci-Fi-Opera-Gemütlichkeit à la Hyperion zu tun.

Zur Sache, Schätzchen: ein blonder Junge, der Erzähler, wird von einigen widerwärtigen männlichen Subjekten als Sexsklave missbraucht, erniedrigt, verkauft, verprügelt und sonstwie besudelt. Hogg ist dabei der Schlimmste und eine Inkarnation der Ekelhaftigkeit sondergleichen. Als er einen Schuh verliert, wird die Ähnlichkeit zum Pferdefüßigen besonders deutlich. Geld wird durch Vergewaltigung verdient, und man ergeht sich in etlichen Formen der Paraphilie.

Zermürbend ist die Farbe der Hautfarbe. Bei aller Zügel- und Wahllosigkeit bleibt sie für die Charaktere ein Thema. Alle haben diversen Verkehr miteinander, aber die Frage nach dem Genom bleibt für alle relevant.

Nicht weniger erschreckend ist die Bereitwilligkeit des Protagonisten. Er wird nicht gekidnappt, er ist freiwillig bei Hogg und vermisst ihn sogar. Er zeigt weder Anzeichen eines Stockholm-Syndroms noch einer ironischen Schilderung der Dinge. Er findet es gut, da unten auf den Knien. Bezeichnenderweise bleibt er bis auf die letzte Zeile stumm: das eine Wort, das er schließlich äußert, ist für einen Roman wie Hogg *das* Schlusswort schlechthin.

Man könnte eine kulturgeschichtliche Einordnung des Romans versuchen. Er entstand gegen Ende der 1960er, also nach JFK's Tod und vor Deep Throat. Hogg könnte als weitere Attacke auf die Hautfarbe Weiß verstanden werden, ein versteckt-wütendes Zu-Ende-Denken von Anarchie. Vielleicht ist Hogg eine Meditation über veränderte Körperbildlichkeit in einer umstürzenden Gesellschaft. Der naive Ungeduldige aus der letzten Reihe ruft jetzt "Aber was hat das denn mit diesem Schund zu tun?" und hat nichts verstanden, den Schund ist längst überall.

An einer Stelle wird Hogg deutlich und bemerkt, dass alles, was er anstellt, "von Herzen" und bewusst getan (verbrochen) wird. Dies sei etwas ganz anderes als in Japan eine Bombe fallen zu lassen. Somit führt er die (letztlich schmerzhafte) Kümmerlichkeit einfacher Lebensethiken ganz gut vor.

Als Referenzen können Clockwork Orange und freilich Story of the Eye herhalten (bei Hogg wird allerdings noch mehr uriniert als bei letzterem). Außerdem wäre der furchbare Herr Pasolini zu nennen. Es muss allerdings auch vermerkt werden, dass ekelhafte Dinge (wiki nennt dazu den Hype um 2 girls 1 cup) seltsam oft auf vielseitiges Interesse stoßen. Nur gibt es bei Hogg keinerlei humoristisches Element, welches den Abstand zu dem Grauen gewährleistet.

Also kommt jetzt Dhalgren auf die Liste. Delanys gepriesenes SciFi-Werk, etwa zur gleichen Zeit wie Hogg entstanden.

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