11/25/2007

Possession, Neil Labute

Zwei Literaturwissenschaftler rekonstruieren die Art des Kontakts zweier toter englischer Poeten und nehmen darüber selbst Kontakt zueinander auf. Zwei Beziehungskisten entwickeln sich parallel und man kann dann als Zuschauer beim Vergleichen oft "Hach!" sagen. Die Bilder des 19. bzw. 20. Jahrhunderts gleiten wiederum zueinander wie akademisch Liebende das wohl täten.

Das Preisen der Literatur ist in Filmen generell recht knifflig. Wer lesen will, der soll es halt tun und keine Filme drüber schauen. Beachtenswert hierbei ist das hohe Maß an Bibliopornographie: altes Papier, bleiche Tinte, erhebene Handschriften und wuchtige Bände. Das macht freilich Sinn bei dem Thema. Jaja, schauen und lesen sind zweierlei.

Ansonsten ein mittelmässig spannender Film mit netten Bildern und zum Glück nicht zu lang.

11/23/2007

Abbitte, Joe Wright

Blumentapete herrscht. Diese Literaturverfilmung bedient sich eines jungen Stoffes von einem der meistgehypten Schreiber Britanniens und ist ein Klotz voll Farbe, Wucht und Drama auf Stelzen.

McEwan kann auch schlechte Bücher schreiben, meist macht er das aber mit seinen besseren Werken wieder gut. Abbitte war und ist ein überraschend schmaler Roman mit einer kompakt gelieferten Meditation über Schuld und Sühne. Nun also das alles auf Film.

Und es ist alles auf einmal sehr aufgeblasen. Das tut der Optik gut: die Gartensymbolik rauscht dahin. Ums Herrenhaus herum gibt's Gestrüpp und Zwielicht, Dinge wachsen im Verborgenen, trallala. Der zentrale Brunnen ist das Taufbecken und uns' Piratenbraut (zu der später mehr) macht sich und den Knaben nass. Die Kriegszenen sind perverserweise schön: es wird nicht wirklich gekämpft doch es gibt eine ausgiebige Ruinen-Tour. Als Bilderwelt ist Abbitte ein schickes Teil. Die Bündigkeit des Romans hat aber jede Geltung für den Film verloren und so mäandert der Plot mit allerhöchster Grimmigkeit durch die Zeitebenen.

Dass das Ding schlussendlich in der Gegenwart ankommt geht im Buch ganz gut, doch im Film wirkt es wie eine nachträgliche Versalzung des Stoffes. Da wird auf den letzten Metern noch mal ein grosses Fass aufgemacht ohne dafür noch Zeit zu haben.

Abbitte ist auch ein weiteres Beispiel für furchtbare Kinder im Film: groteske Minderjährige bevölkern diese Welt und richten allerhand an und aus. Ein Hoch auf die Besetzung hierfür: so grausige Gnome gab es selten. Äpfel und Stämme.

Keira Knightley kann sich mit Abbitte bestimmt nicht vom Piratenschatten lösen. Sie beeindruckt zwar mit elfenhafter Gestik aber ist von der Mimik her recht flach. Genetik und Hunger reichen irgendwie nicht ganz. Vielleicht hat die Synchronisation alles verhunzt. Schätzelein, lach doch mal.

Alle Jahre wieder. Jetzt erst mal ein Schnaps zur Verdauung.

Rechtfertigung

Hier gab es eine Zwangspause. Die Schuldzuweisung deutet in eine bekannte Richtung. Ein Spaten flog.

11/19/2007

The Premature Burial, Roger Corman

War 1962 ein gutes Jahr für Schocker? Jedenfalls sind Umsetzungen von Poe fürs Kino eine wunderbare Sache. Grandmasta Grusel baute seine Geschichten um eine Idee herum, die optisch gut aufgemöbelt knappe anderthalb Stunden durchaus unterhalten kann. Als hätte er er die Bedürfnisse Hollywoods vorausgeahnt. Corman hat einige solcher Filme fabriziert und konnte davon ganz gut leben.

Freilich ist das hier ein Genrefilm, eine Aneinanderreihung von Blaupausen - doch ist gothic fiction das nicht immer ein wenig? Überraschenderweise ergibt sich ein leichter Nachhall von Plan 9. Dies geschieht vor allem, weil Corman die Nebelmaschine anscheinend stetig laufen ließ, jedenfalls in den Außenaufnahmen. Spukig.

Der vom Tode besessene Protagonist baut sich also die idiotensichere Krypta - und gibt sie für die Liebe seines Lebens wieder auf. Es ist zu beobachten, wie hysterisch er sich eigentlich verhält. Stimmungsschwankungen und lähmende Panik sind dem Ideal des tough guy diametral entgegengesetzt und sorgen in der Umwelt freilich für Bestürzung.

Auch sehr cool der Sarg mit dem kleinen Fenster über dem Gesicht. Der Scheintote konnte seine Augen öffnen, doch bleibt reglos. Wenn die Sargträger doch nur herschauen würden! Doch nein: dem Toten schaut man nicht ins Gesicht. Sehen und nicht gesehen werden. Dabei besteht eben doch ein verstohlenes Interesse an den Verstorbenen: Mediziner und Forscher experimentieren in Kellern mit Strom an Leichen herum und Totengräber verdienen ihr Geld mit dem Spaten. Ganze Gebäude werden um den Tod, um Totes herum errichtet und doch darf der Kern des Ganzen nicht erörtert werden. Schlösser, Burgen, Grüfte: was geht rein, was kommt raus?

Erfrischend.

11/18/2007

Planet of Slums, Mike Davis

Uah, Sachbuch. Aber wie! Herr Davis liefert eine enorme Anzahl von Fussnoten und Verweisen und hält sich nicht etwa mit der Ästhetik des Schmutzes in einer quitschsauberen Erstwelt-Optik auf. Vielmehr umreisst und erläutert er die Lebensbedingungen von vielen, vielen Menschen die weit, weit weg wohnen. Hier soll keine soziologisch-geopolitische Kompetenz geheuchelt werden: für eine Fachdiskussion reichen die Kapazitäten im Graben nicht. Das tat der faszinierten Lektüre aber keinen Abbruch.

Städte sind seltsam, als Metapher und als Heimat. Wittgensteins Sprachspielerei trifft Darwin trifft Natur vs. Kultur und so weiter. Architektur wurde ja schon bei Ayn Rands Roman als ergiebiger Denkrahmen ausgewiesen.

Slums of today: Kinder in Nairobi setzen Fäkalien in Flaschen als Erpressungsmittel ein. Andere Nachbarschaften wenden sich Spiritualismus und Hexenkult zu da ihr Leben von grundauf furchtbar ist. Scheiterhaufen türmen sich neben den Highways. Kabul erstickt in einer Decke aus festgetrampeltem Müll. In Brasilien wachsen die Slums einzelner Megaplexe zusammen und werden zu unkontrollierbaren mehrstöckigen Sümpfen.

Bahnbrechende Neuigkeiten sind nicht zu finden, aber eben Genauigkeit. Für Davis ist es der neoliberale Oktopus, der mit Privatisierungswahn und fadenscheinigen Hilfsprogrammen die urbanen Eiterbeulen eher erstarken als veröden lässt. Der ehemalige Fleischhauer und heutige Soziologe betont aber auch, dass es im dritten Jahrtausend "weit, weit weg" als Koordinate nicht mehr gibt. Er kritisiert sowohl zweidimensionalen Almosen-Optimismus als auch die dumpf-schicke Haltung von ökologischen Romantikern. Die Dinge sind komplizierter als man denkt und vor allem sind sie sehr viel schmutziger.

Durchweg lesbar, durchweg ernüchternd. Zum Weiterlesen mag sich Davis' Aufarbeitung des Viktorianischen Zeitalters oder die Ökologie der Angst in Kalifornien anbieten. Oder der Blick wandert zu Sennett: vielleicht beantwortet sein "Fleisch und Stein", welches Material letztlich härter ist.

11/17/2007

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford, Andrew Dominik

Jawohl, so wird das gemacht. Jede seiner vielen Minuten nutzt das vortreffliche Werk um ein Panorama zu zeichnen in das man sich als Zuschauer gern hineinflezt. Hier wird nicht auf Pointen oder den body count geachtet, hier spannt sich ein klassisches Drama ohne zu stauben. Die Ermordung des Jesse James erweitert den ausgehöhlten Begriff des Westerns und ist durchweg erfreulich und gut.

Große Bilder überall. Spätestens als die Banditen nächtens im Gehölz ihre Masken aufsetzen geht der Mund zum ersten Mal auf. Bei Tageslicht geht es weiter: das weite, leere Land isoliert alles und jeden. Kälte bleibt stets im Bild - und (Achtung Wortscherz) mit keinem der Charaktere kann man wirklich warm werden. Auch die Räume der Häuser wirken nicht sauber reduziert sondern wie kurz nach zuviel fiesem Schnaps in zu kurzer Zeit. Leergespien und ausgeblutet beinhalten sie die Verlorenen. Das eine Blut sprüht zum Dachbalken, anderes gegen die Wand.

Die Schauspieler leisten sich keinen Fehler. Rockwell ist der feixende Verlierer der tanzend tut während er taumelt. Pitt macht den James wie er den Achilles machte: müde, weitab der grossen Hoffnungen, für immer jenseits der Normalsterblichkeit. Hier ist er aber noch ein wenig gebrochener: beim Taktieren seiner potentiellen Mörder weiss man nie wirklich, wo Spiel und Ernst enden und wo Jesse selbst anfängt. Affleck meistert die uneitle Rolle des dümmlichen Welpen ganz hervorragend. Er schaut glasig in die Welt hinaus als ob er sich zu lange selbst in ihr suchte und nicht fand.

Eastwoods Erbarmungslos ist hierbei kein Pate. Jesse James behandelt das gute alte Thema Medien und Amerika. Der Fan, der Held, die Masse und der Tod bilden einen soliden Nährboden für ein erwachsenes Trauerspiel.

Der Film konnte wohl nur so gut werden, weil die Originalgeschichte fast zu gut ist, um wahr zu sein. Verbrecher sind in den USA etwas anderes, vielleicht sogar etwas notwendig-besonderes. Fakt und Fiktion brechen sich wohl dort in kaum einem anderen Archetypen so sehr. Schaun wir mal, was mit American Gangster demnächst ins Haus steht.

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Man kann ja nicht alles hören. Da hilft allschools.de durchaus. Bittesehr.

Plan 9 From Outer Space, Edward D. Wood, Jr.

Ja, schon wieder. Erst bei wiederholter Betrachtung offenbart sich Woods Planlosigkeit beim Drehen. Die geringe Laufzeit des Werkes mag zur Re-Vision verleitet (verlitten) haben, doch es kann auch sein dass das dumpf-stumpfe Kasperletheater einen grotesken Charme entwickelte, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Jaja, und Dich kriegen sie auch noch.

Ludmila's Broken English, DBC Pierre

Mit seinem Debüt Vernon God Little hat DBC Pierre Gerüchten zufolge die Schulden bezahlt, die sich während einer zehnjährigen Drogenkarriere angehäuft hatten. Außerdem hat er damit den wohl erfrischendsten Roman über Schulmassaker und TexMex-Spannungen geschrieben. "DBC" soll "dirty but clean" heissen. Aha.

Mit diesem neuen Roman betreibt der Autor zumindest Imagepflege. Wieder geht es um Sex, Gewalt, Dreck, Drogen, und in mehrfacher Hinsicht grenzüberschreitenden Humor. Letztlich ist es das Diktat des Fleisches, das als Urmotiv herhalten muss: die Heath Twins sind jüngst getrennte siamesische Zwillinge, die dem mutierenden englischen Pflegesystem entkommen. Ihr Weg in die zivile teilglobalisierte Außenwelt führt sie dann zum frischen reinen Fleisch von Kauf-/Mietbräuten aus dem ehemaligen Sovietreich: Ludmila.

Pierre macht wieder keine Gefangenen. Der Zielgruppe wird der infame Film über die Reisen des Borat in Amerika noch im Gedächtnis sein. Der Humor ist hier ähnlich und wer ihn nicht mag, wird diesen Roman verfeuern.

Oberflächlich somit auf jeden Fall verstörend. Insgesamt aber eher ein Schritt zur Seite für Pierre: herb und schnell wälzt der Text dahin. Ist die amüsant-literarische Eroberung des Wilden Ostens gerade im Trend? Es gab da doch diese Dame, die über ukrainische Traktoren schrieb, oder? Mal schauen.

11/15/2007

Von Löwen und Lämmern, Robert Redford

Wie aufgeräumt! Das Ding geht los und man ist drin und trotz mehrerlei unterschiedlicher Schauplätze offenbart sich des Themas Tragweite. Also vom Handwerk sauber und durchaus unterhaltungskompatibel. Soweit, so gut, so zynisch.

Wo ist der Haken? Man weiss ja, dass die Revolution nicht televisioniert wird. Im Kino findet sie aber auch keinen Platz. Das Werk beweist einmal mehr, wie sehr das Hollywood-System doch von grossen Namen und *hüstel* Modethemen (an denen Blut klebt) gestützt wird. Jemand, der sich so einen Film anschauen will, weiss das aber freilich.

Redford will nur Gutes, das darf man ihm ruhig glauben. Bedeutendster Beleg dafür dürfte die nüchterne Art sein, mit der die Bilder gemacht wurden. Vor Ort in Afghanistan spielt sich das Drama in einer Eiskuhle ab und kein zweiter Hubschrauber muss spektakulär zerschossen werden. Die Darsteller liefern punktgenau. Cruise macht uns den Republikaner sehr gut und Redford gefällt sich selbst als Politikprofessor und auch dem Zuschauer. Es wird klar, dass der Krieg da drüben auf vielen Schlachtfeldern gefochten, verteidigt, beendet und gewonnen werden könnte. Konjunktiv.

Achja. Krieg und Kino. Wäre es besser, wenn letzteres ersteren ignorieren tät? Man wird es nie wissen. Von Löwen und Lämmern ist zumindest keine vertane Zeit und mag Ausgangspunkt für uncoole politische Positionierungen sein.

11/13/2007

Chase This Light, Jimmy Eat World

Die Erwartungen drücken hier recht schwer - eine der tiefsten postadoleszenten Verkaterungen wurden mit dem Frühwerk untermalt und haben somit den Konsumgraben arg gefurcht. JEW's Name ist zwar nicht so verkrustet wie der der Smashing Pumpkins, doch die Neugierde auf Fortsetzungen blieb.

Die Erinnerung an sinnfreie Diskussionen von Ausverkauf und Avantgarde klingeln noch in den Ohren. Aber das ist ja hier kein Schulhof und man sitzt auch nicht in der Erst-Kneipe am linken Barrand. JEW reihen gute Songs aneinander. Von einer etwaigen Punk-Attitüde ist das vielleicht das signifikanteste Erbe. Allerdings sind diese guten Songs nicht gut durch Räudigkeit und knucklebustin' madness, sondern durch zutiefst harmonische Vielseitigkeit. Somit trifft man sich mit den ehernen Gesetzen des gemeinen Pops. Jeder Song auf Chase This Light ist eine Hermetik für sich, die einen gern eintreten und verweilen lässt. Hier wird niemand auf den Baum gejagt... hier möchte man auf einem Ast sitzen und ein bisschen zuhören und runterschauen.

Zur Rebellion vollkommen ungeeignet. Aber die potentiellen Rebellen von heute versteht ja eh kein Mensch.

Und läuft und läuft und läuft. Skandalfreie Fenstermusik kann man das auch nennen. Zum richtigen Beschimpfen reicht es nicht denn niemand kann sich dem Charme von Cinemascope-Songs entziehen. Ist das erwachsen? Ist das nicht das Ende? Jimmy Eat World sind wie die gekämmte Antarktis des Gitarrenmusikglobus die dem strubbeligen Nordpol der Queens of the Stone Age entgegensteht. Bei Mr. Homme wuppen fluppenbewehrte Tanzzwerge den Ellbogenfoxtrot um ein Lagerfeuer aus Knochen - Mr. Adkins hat ein wenig den Schnee weggefegt, Klappstühle mit Kissen aufgestellt und ein Streicherorchester eingeladen, das wahlweise mitspielt oder zuhört.

Warum können beide Bands nicht mal einen Totalausfall fabrizieren und somit ein wenig sterblicher wirken? Mit Alben wie Chase This Light wird die Furche im Graben jedenfalls nicht verrissen.

11/08/2007

The Orchard Keeper, Cormac McCarthy

Diesmal das Debut. Und wie da der Faulkner aus den Seiten trieft! Somit kann man mit dem einzigen kleinen Makel beginnen: McCarthy macht das Verfolgen der Geschichte durch Rück-, Neben- und Zwischenblenden ein wenig kompliziert. Aber ist das denn schlimm? Seine Sprache hat noch nicht die famose stumpfe Gewalt entwickelt, die bei den späteren Werken so zu beeindrucken weiss. Doch trotzdem ist kein Satz zuviel in den 250 Seiten: McCarthy zeichnet Bilder vom Leben im Tod, die plumpe Morbidität nicht nötig haben. Kompliziert ist gut und Faulkner ist eher Schatten am Horizont als Kopiervorlage. Wie nur manchmal im Konsumgraben lohnt sich bei The Orchard Keeper die verstärkte Aufmerksamkeit. Es fügt sich am Ende alles zu einem wahrlich *erhabenen* Bild zusammen. Ja, erhaben. Nicht esoterisch.

Die Geschichte befasst sich mit drei Generationen von nordamerikanischen Männlichkeiten zwischen Wildnis und Kaff in den 1940ern. Der Einsiedler, der windige Alkoholschmuggler und the Kid, ein staunender Junge, treffen aufeinander. Alle haben ihren eigenen Weg durchs Gehölz und durch die Jahre - teils miteinander, teils nebeneinander. The Kid erlangte ja dann im unglaublichen Blood Meridian eine Schlüsselrolle im Gesamtwerk.

Gewaltige Symbole können schnell angelegt werden. Das Buch ist gemäss der vier Jahreszeiten geordnet: Regen und Erdrutsch, Kälte und brechendes Eis. Die Rolle der Tiere ist nicht zu unterschätzen. Ein Kopfgeld für Greifvögel, ein halbblinder Hund und eine Katze, die aus dem verfallenden Haus auszieht.

McCarthy ist unvergleichlich da er über einen Ort schreibt, der die Kategorien "ehrlich" und "echt" nicht anerkennen kann. Ein ununterschätzbarer, wichtiger, grosser Autor. Mehr, mehr, mehr. Hier sitzt ein Fan, der noch enttäuscht werden muss.

Plan 9 From Outer Space, Edward D. Wood, Jr.

Dass man landauf landab hier vom "schlechtesten Film aller Zeiten" spricht, sagt ja schon einiges aus. Allein das Wissen darum drängt den Konsumenten in die Nerd-Ecke. Es impliziert auch, dass es irgendwo überhaupt gute Filme gibt.

Plan 9 enttäuscht tatsächlich unausgesprochene Erwartungen, wodurch selbige Selbstverständlichkeiten erst offengelegt werden. Dekonstruktion deluxe. Die Schnitte sitzen arg schief, der Plot ist recht sinnfrei und die Dialoge schlichtweg bizarr. Das macht den Film auf seltsame Art und Weise wertvoll: seine debile Konzeption erzeugt ein gutes, braves Kichern. Man bestaunt die Drolligkeit der Bemühungen aller Beteiligten. Ein wahrlich einmaliges, weil unvergleichliches Erlebnis. "Grabräuber aus dem Weltall" sollte er eigentlich heissen. Da muss man mal drauf kommen.

Wie immer ist die Geschichte hinter der Geschichte um einiges interessanter: das Leben und Streben des Mr. Wood oder seiner Darsteller etwa. Die auf der DVD befindliche Dokumentation läuft genauso lang wie der Hauptfilm und steht jenem an Unterhaltungswert in nichts nach.

Der Werdegang von Bela Lugosi ist recht aufschlussreich, um die menschenfressenden Qualitäten der Unterhaltungsfabrik anzudenken. Nach dessen Ableben wurde er hier prompt durch seinen Chiropraktiker ersetzt. Hauptsache, das Dracula-Cape sitzt. Asche zu Asche, Pappe zu Pappe. Ein ehrlicher Film und somit lange nicht so furchtbar wie Independence Day und Konsorten.

11/07/2007

Halloween, Rob Zombie

Ein Werktags-Hackstückchen, kein Samstags-Superhorror-Couchversteck-Brett.

Und ein wenig beklemmend ist es schon. Slasherfilme sind ja ähnlich wie Fussball im TV, doch ihr Recycling durch einem offensichtlich sehr, sehr enthusiastischen Regisseur verstört etwas. Die erschreckend simplen Erklärungsversuche stossen dem Hobby-Humanisten hier besonders übel auf: wütendes Kind, böser Mann. Das Umfeld ist schuld, *gähn*. Rein cinematographisch ist die Geschichte des jungen Mike aber noch am spannendsten. Daeg Faerch spielt den babyspeckigen Strähnfrisur-Killer so gut, dass man Angst um seine geistige Gesundheit haben darf.

Derartige Filme predigen die Dualismen in einer ansonsten konfusen Welt. Myers ist stumm und in seiner Rolle als Naturgewalt der Welt entrückt. Die Opfer hingegen sind umso fleischlicher: Sie schreien, erstreben Stuhlgang oder werden im Laufe des Films immer ramponierter. Konsequenz und Hysterie, quasi.

Eine Symbolik, die sich bei den lieben Kleinen fortsetzt, als Mike schon erwachsen und der Zelle entkommen ist: der kleine Junge ist als Tod geschminkt (ein Knochengesicht hat keine Mimik und ist nur kühle Materie) und das kleine Mädchen als antike Königin. Er stellt die stumpfe Wahrheit des Sterbens dar, sie steht (hier aber auf harmlose Art und Weise) für das (Aus-)Schmücken des Lebens. Schluss mit dem gender-bending! Hurra! Klare Qualifikationsverteilungen! Nochmal ein bisschen *gähn*.

Insgesamt ist das Werk keineswegs revolutionär. Vor allem die zweite Hälfte ist zwar sehr laut doch recht spannungsarm. Einige Schnittfehler sind doch allzu offensichtlich. Der Film macht nicht Spass genug, um den eisernen Humanisten johlen zu lassen.

Immerhin bleibt die Marke Myers somit im Pulp-Kosmos erhalten. Einmal im Jahr darf man sich das ja leisten, solange man den Rest des Jahres mit good clean fun füllt.