3/04/2008

The Punisher, Jonathan Hensleigh

Das Booklet bringt es auf den Punkt: der Wilde Westen durfte nicht sterben. Zur Zeit der wilden, aggressiven 1970er wurden die Marvel Comics eine Spur härter und ließen Gwen Stacy ab- und den Black Panther hochleben. Der Bestrafer aus den Comics ist wie Batman vom Konkurrenten DC nicht mit Superkräften, aber eben mit tüchtig Wut auf alles ausgestattet.

Und letztlich zählt ja nur die Wut.

Weil keiner mehr Hüte und Lassos hat (bis auf Wonder Woman vielleicht, aber die ist eh ein Kapitel für sich weil ja weiblich) muss man eben was zeitgemäßeres anziehen: ein schwarzweißes Totenschädelhemd, die ikonisierte Mordslust quasi.

Der Smiley wurde 1963 erfunden und hat sicher auch das Hemd vom Bestrafer verursacht.

Der Film bringt den hutlosen Western ins Rollen: die Bewegungen, die im Medium Comic nicht dargestellt werden können, sind hier peckinpahesques Posenspiel. Freilich kann das nicht frei von Komik sein. Hensleigh lässt sich sogar darauf ein und fotographiert den wohl lustigsten Killer-Russen seit langem.

Von diesem preiswerten aber eben doch recht sympathischen Film wird es bald ein Sequel geben, leider nicht mit dem fähigen Thomas Jane, der schon im Nebel ordentlich umherbolzte.

Knocked Up, Judd Apatow

Das ist gar keine Komödie. Das ist ein lustiger, derber, kurzweiliger Film doch überraschenderweise schlägt er einen Tonfall an, der im Genre ziemlich neu ist. Jedenfalls landete bislang derlei nicht im Graben. Am ehesten lässt sich das Ding mit den Werken des großartigen Kevin Smith vergleichen.

Knocked Up ist im besten Sinne ein Aufklärungsfilm, beinhaltet aber mehr als nur Fleisch und seine Funktionen. Der Film befasst sich nicht mit Pointen und slapstickoiden Teilaufnahmen sondern mit einer Grundstimmung. Knocked Up kämpft gegen Hysterie: er attackiert die klischeehaften amerikanischen Vorstellungen von Sauberkeit und Richtigkeit, seien sie nun real existent oder nicht. Dabei geht er anders vor als American Pie oder Verrückt nach Mary: das vermeintlich "Schmutzige" passiert nebenbei und die Szenen arbeiten nicht darauf hin. Das "unsaubere" Leben wird aber auch nicht auf ein Podest gestellt.

Fast zwei Stunden lang wird im Grunde genommen nur gemenschelt, nur sind die Menschen eigentlich viel zu echt um wirklich gemocht zu werden (Rated R in USA). Es ist gut möglich, dass mehr Zuschauer dieses Werk verachten als die oben genannten Referenzen, eben weil der herkömmliche Komödienrahmen eigentlich nicht da ist.

Die Szene im Restaurant ist großartig, beschreibt sie doch das spezielle Verhältnis von Männern, Frauen und Popkultur. Wer Doc Brown nicht kennt, kann nur ernsthaft sein und eine Frau. Auch die Aufnahmen der Geburt machen letztlich Sinn. Und endlich erfährt man wie die Bindehautentzündung zur Gewissheit wird.

Der Film entspringt dem Dunstkreis der Vierzigjährigen Jungfrau und einer TV-Serie mit dem Titel Freaks and Geeks. Judd Apatows Name sollte nicht allzu schnell vergessen werden.

2/28/2008

Die alltägliche Physik des Unglücks, Marisha Pessl

Dicke Bücher sind verdächtig, so auch Pessls Debüt. Fast 600 Seiten robbt sich das Ding dahin und macht dabei eine seltsame Wandlung durch.

Erzählt wird alles von Blue, einer Art Rory Gilmore mit einem umherzigeunerndem Akademiker-Vater, der das gescheite Gör von Campus zu Campus schleppt. Blue findet eine peer group und der Tod der Lehrerin Hannah macht alles viel zu kompliziert. Die Geschichte wird somit vom College-Roman zum Klein-Krimi. (Zum Vergleich: Die geheime [und enorm erfolgreiche] Geschichte von Donna Tartt ist dabei mehr Spannungsliteratur als Pessls Werk.)

Und eben diese Wandlung passt wunderbar zum konsequenten Erzählstil der Erzählerin: fortwährend werden Abschweifungen in Weltliteratur und Popkultur vorgenommen. Hyperlinks in die Bibliosphäre, quasi. Blue wirft beständig alles je Gelesene in die Waagschale und durch allerhand Recherche versucht sie dann auch, den Tod von Hannah aufzuklären. Am Ende kann der Leser der präsentierten Auflösung durchaus skeptisch gegenüber stehen.

Pessl ist witzig und baut allerhand schillernde Figuren auf. Wahre Kurzweil kann sich aber über die ganze Textlänge nicht einstellen. Immerhin entspricht selbige Blues Naturell vom endlosen Textlabyrinth, somit steht Stil bei diesem dicken Ding über der Geschichte selbst. Das ist ja fast schon weise.

We Own the Night, James Gray

Wegen Wahlberg und der Werbung für den Film wurden die Hoffnungen ein wenig zu hoch geschraubt, denn die Assoziationskette führte zum grandiosen The Departed. Dann noch dem River sein Bruder dabei, der als Man in Black so ernüchternd gut war, und fertig war der Optimismus beim Kartenkauf.

Leider ist der Film insgesamt enttäuschend. Der Showdown im Schilf wirkt abgenudelt. Die Idee mit dem Rauch und das unprätentiöse Abhaken des bösen Russen ist nicht sonderlich spannend. Überhaupt: immer diese Russen, tstststs. Um die Normalität und das gute zu definieren, sind Barbaren ja recht hilfreich. Aber Eastern Promises hat das auf einem ästhetisch viel, viel höherem Niveau gemacht.

(Moppel-) Phoenix' Darbietung der Saulus/Paulus-Wandlung ist ansehnlich doch innerhalb der Geschichte scheint sie haltlos und gezwungen. Es gibt bei We Own the Night keine Szenen, die sich einfach mal Zeit nehmen, die Charaktere einfach nur darzustellen (jawohl: American Gangster ist besser). 1, 2, 3 und schwupp sitzen die Brüder kurz vorm Abspann und sind unfreiwillig komisch.

Schade.

Cloverfield, Matt Reeves

Uh, wie gut das funktioniert. Die Handkamera läuft und läuft und der Schrecken lauert unscharf und verwackelt am Rand.

Diegesis und Mimesis verschwimmen und der wohlige Grusel stellt sich ein wenn die angreifenden Kreaturen ohne Begleitmusik aus dem Finsteren heraushechten. Freilich ist die Geschichte ein wenig holprig erzählt: ständig muss einer einen Grund haben, die Kamera mit zu schleppen und laufen zu lassen. Doch insgesamt scheint Cloverfield eine gute Mischung aus Blair Witch Project (kann sich an das Ding eigentlich noch irgendwer erinnern?) und Godzilla (*gähn*) zu sein.

Die Definition von Schreckenserotik fällt bei Cloverfield leicht. Plakative Nacktheit kitzelt niemanden, es ist das Aufblitzen von Zähnen und Klauen, was einen in den Sitz presst. Gegen Ende des Films wird man dann endlich mit ein, zwei Totalen der Kreatur(en) belohnt, doch bis dahin wird viel gehetzt und gekeucht.

Die große Kulturkritik kann man aus Cloverfield nicht herauspressen. Allerdings fällt hier auf, wie viele unprofessionelle Bilderwelten eigentlich doch derweil den durchtechnokratisierten Alltag in der westlichen Hemisphäre beherrschen. Die wackligen Bilder, die Authenzität heucheln, dominieren die normale und die www-Glotze. Menschen wollen diese Bilder sehen und auch machen. Als Lady Libertys Köpflein durch die Straßen rollt und liegen bleibt machen sich die Menschen nicht ans Staunen, nein: sie zücken ihre Telefone und schalten den Blitz dazu. Große Bilder gelten nur etwas, wenn man sie konserviert und teilt.

2/26/2008

Fido, Andrew Currie

Diesmal trifft Wikipedia den Nagel mittig auf den Kopf:

"Fido is essentially a cross between several 'boy and his dog' movies, Night of the Living Dead and Pleasantville, only the dog is a zombie."

Also: es gab da diese Seuche und jetzt gibt es diverse guarded communities im Amerika der 50er Jahre. Nur hier kann die Reinheit bestehen und aufgeräumte Vorgärten garantieren ein herrlich steriles Leben. Dank ZomCon gibt es praktische Kontrollhalsbänder und Zombies können sich um Autowäsche und Grünflächenpflege kümmern. Darling, ich bin zu Hause! Hat der Zombie die Hecken geschnitten?

Und die Leute verschulden sich nicht für Häuschenhypotheken sondern für gesonderte Kopfbeerdigungen, damit Totes tot bleibt. Senioren an sich sind in solch einer Welt generell verdächtig: sabbert Opa im Schlaf oder will er uns gleich die Luftröhre rauskauen? Dinge, die man wissen muss.

Und die Schulhofrabauken können endlich erschossen und verbrannt werden. Eine Zombifizierung rechtfertigt solch direkte Lösungen.

Ein großer Spass ist dieser Film, und nebenbei ist er auch noch brav und adrett. Aber halt mit Untoten.

2/25/2008

The Number 23, Joel Schumacher

Lieber Jim, lieber Joel,

das ging daneben. Die deutsche Paranoia-Kiste aus den 1990ern ist der viel bessere Numerologenthriller, und das nicht nur wegen der aktuellen Bezüge zur niedersächsischen Einöde. Auch der grobe Film Pi bietet mehr.

[Beide Werke erschienen übrigens 1998... Wenn man die 1 zur 8 hinzuzählt und das ganze dann umdreht, dann... dann steht da 666! Uah! Der Teufel ist mit den Referenztiteln im Bunde! Da wird man ja irre im Kopf!]

Zumindest kann man mit diesem sich fix hinunterspulenden Werk auch den letzten davon überzeugen, dass Jim Carrey mehr sein kann als albern. Aber eigentlich war das ja schon mit Truman und dem Mondmann klar. Nun wäre es vermessen, alles in diesem Genre an David Lynch zu messen, denn selbiger ist ja durchaus auch in der Lage, schwer verdauliche Staubopern zu machen. Aber eine Messerspitze guter Lynch hätte Number 23 gut getan.

Insgesamt ist der Film eine kleine Unterforderung für Menschen, die ab und zu ein Romänchen lesen. Aber man kann ja nicht immer solche Perlen wie Batman & Robin produzieren, nicht wahr, Herr Schumacher? Uh, das ist gemein.

2/23/2008

Blood Music, Greg Bear

Biotechniker wird gekündigt und schmuggelt sein Lieblingsprojekt in den eigenen Adern aus dem Labor hinaus. Kann ja nur schiefgehen.

Am Ende ist der nordamerikanische Kontinent von einer pilzartigen Superzellkolonie überwuchert und Nicht-Assimilierte kämpfen sich durch entvölkerte und restrukurierende Städte. In Europa (im schönen Wiesbaden) ist einer der infizierten Amerikaner in Isolierhaft und harrt der Übernahme der mikrozellulären Blutmusikanten.

Der Roman entstand in den 1980ern und somit gibt es hier auch Soviets, die irgendwann dann Panama nuken. Goldig.

Insgesamt ein Ausflug zum Schlagwort Noosphäre, also jenem Zwischen/Über-Raum, der allein Information enthält. Noch dazu enorm frisch und fix geschrieben; auf weniger als 250 Seiten donnert hier ein Sci-Fi-Zug vorbei, dessen Thema durchaus zu denken gibt.

What's Up, Doc?, Peter Bogdanovich

Grundmotiv sind die gangschaltungzermürbenden Hügel von San Francisco, und auch vor der Verfolgungsjagd spürt man ihre Präsenz. Es gibt lediglich zweierlei Perspektiven für alle Beteiligten: entweder ein schroffer schweißtreibender Anstieg oder eine drohende Talfahrt. Die perfekte Grundlage für Hysterie jedweder Form.

Frau S. ist eine Art Naturgewalt und nur die eklatante Dysfunktionalität ihres erwählten Opfers lässt die Aversion gegen sie nicht hochkochen. Der Musikantendoktor trägt von allein Anzüge, die zerreißenswert sind.

Die Nähe zum amerikanischen Zeichentrickfilm, der sich als Vorfilm in die Lichtspielhäuser schummelt, kann im europäischen Kreis leicht untergehen. Ist aber nicht schlimm. Jede Szene funktioniert für sich, eine anleitungsfreie Talfahrt.

2/11/2008

Motel, Nimròd Antal

Es ist immer recht gewagt, einen Film kurz und simpel zu halten ohne den Zuschauer zu verärgern. Ein derart offenes Ende wie hier ist selten und selten gut.

Das Leiden anderer zu betrachten ist das Hobby der Motel-Betreiber. Wie furchtbar! Doch halt. Was macht denn der Zuschauer außer Zuschauen? Sehen und gesehen werden, wegsehen und Schaulust. Alles Ideen, die in solchen Genre-Filmen kooperieren und kollabieren. Motel stellt das klug dar und fest.

Schon wieder kann man mit dem Schlagwort 'Raum' durch diesen Film denken: die Ehe ist kaputt - das Haus der beiden, ihre gemeinsame Sphäre, ist brüchig und schäbig und nur dünne Wände dienen als Pelle zwischen ihnen und der Außenwelt. Ein Provisorium der Parallelexistenz. Die amerikanische Leichtholz-Architektur verstört da nur noch mehr. Dann bemerken sie, dass ihr (Lebens-) Raum längst mit Kameras unterwandert ist und schließlich, als sie sich zur Wehr setzen, geht es durch unterirdische Gänge, unter das Fundament und die scheinbare (Erd-) Oberfläche.

Das Ende ist deshalb gut, weil es jenen Raumgedanken genre-gerecht zu Ende führt. Der Ehemann liegt zwischen Leben und Tod - auf der Schwelle zwischen Innen und Außen. Das Innen ist die Ruine des Motelzimmers, das Außen ist das Ungewisse, die Welt in der der Krankenwagen eventuell zu spät kommt.

Oh, und Kate Beckinsale sieht auch verschwitzt natürlich fantastisch aus.

Alpha Dog, Nick Cassavetes

Alpha Dog ist die Verfilmung einer realen Begebenheit, die für sich bereits eine gelungene Parabel auf moderne jugendliche Lebenswelten darstellt. Die Geschichte beinhaltet Hedonismus, Gier und Langeweile sowie die tragischen Facetten des Stockholm Syndroms. Es geht hier wie immer solang bis einer weint und dann hört es nicht auf.

Ben Foster hat besondere Erwähnung verdient, denn er spielt den Psychopathen wie kein zweiter. Eine ähnliche Figur machte er nach Alpha Dog im Todeszug nach Yuma. Nur schade, dass er hier lediglich in der ersten Hälfte des Films auftaucht. Die Furcht vor dem großen Mazursky (Foster) wird letztlich dem kleinen Mazursky zum Verhängnis und ersterer ist wahrlich beängstigend.

Insgesamt ein durchweg sehenswertes Drama, welches als Abgesang auf das Motiv der kaputten Jugend der Neunziger (von Kids bis B. E. Ellis) verstanden werden könnte. Nicht nur die Bilder, auch der Plot funktioniert. Man muss nicht an Tätowierungen interessiert sein, um durch Alpha Dog unterhalten zu werden.

2/07/2008

Into the Wild, Sean Penn

Die Buchversion von Into the Wild wurde anhand von Chucks Leseliste in die Nähe des Grabens gespült. Filmpromotion hat damit nichts zu tun, neinein.

Die Geschichte ist freilich faktisch die gleiche wie im Roman doch in der Tiefe anders. Jon Krakauers Stimme selbst verstummt - es ist die kleine Schwester, die Chris' quest aus dem off dokumentiert. Die Darstellung der Eltern ist im Film eindeutig tragischer, vor allem weil William Hurt gut in dem ist, was er tut. Des Knaben Mutter wird von der verstörenden Marcia Gay Harden gespielt, die schon als Bibelbiest im Nebel verstörte. Im Buch sind die Eltern eher Randnotiz und Teilbedingung - im Film könnte man sie als maßgebliche Sündenböcke verstehen.

Der Kinosaal war voll mit der Zielgruppe. Sind die alle wegen der Promotion hier? Haben die alle das Buch gelesen? Die überwiegend aus NEON-Konsumenten bestehende Klientel hat beim tragischen Ende freilich artig ge-hach!-t. Tod und Jugend, uh, geht das gut in der Gruppe.

Als Vorgewarnter weiss man von dem bitteren Ende, man hach!-te also schon bei der Lektüre und tut es nicht erneut im Saal. Doch der Film hat etwas, was das Buch nie haben könnte, nämlich Bart, den Bären. Kurz vor Schluss steht der naseweise Wildnisdilettant ausgemergelt, gelblich und fiebrig vorm Bus und der Bär kommt vorbei. Und was tut der Bär? Er ist riesig groß vor dem zarten Menschlein und schnuppert und grollt. Dann lacht er ein großes Bärenlachen und schlurft davon.

Sean Penn hat einiges verstanden.

2/03/2008

House of Leaves, Mark Z. Danielewski

Eine Mordsgaudi. Allerdings. Die Lektürefreude war enorm und mit ein wenig Trauer im schlaflosen Auge wurden die letzten Seiten sehr schnell erreicht. Das muss am Anfang dieser Notiz betont werden, denn die folgende rudimentäre Umschreibung dieses Artikels wird vielleicht ein wenig abschreckend anstrengend klingen, nach kopflastigem Deppendrama mit zuviel Schall und zu wenig Wahn.

Also. Inhaltlich kann man beim House of Leaves vier Ebenen ausmachen. Da sind einmal die Videos von einem Mr. Navidson, der mit seiner Familie in ein Gruselhaus einzog und dort unter anderem einen Bruder und vielleicht auch seinen Verstand verlor. Dann gibt es zum Zweiten einen blinden alten Mann, der eine gewaltige Arbeit über jene Videos schrieb/kompilierte (eine Verneigung vor dem Gesamtwerk von Señor Borges). Und zum Dritten gibt es Johnny Truant, eine Tattoo-Shop-Aushilfe, die jenes Manuskript findet und sich an dessen Überarbeitung macht. Als letztes gibt es da noch die ominösen Verleger, die Fußnoten und Fußnoten unter Fußnoten setzen und die untergeordneten Texte wiederum eingrenzen.

Und alle brabbeln durcheinander. Alle erzählen diverse Seiten- und Untergeschichtchen. Besonders verstörend ist der stetige Bezug auf Zitate (von Professoren bis Letterman), die hinaus in die Öffentlichkeit führen. Alle reden von Navidsons Haus. Warum nicht der Leser?

So weit, so wenig Spaß versprechend weil kompliziert. Sprachspiele, baby! Differänz mit 'ä'! Trotzdem ein stabiles U.

Danielewski präsentiert sein Werk in optionalen Stückchen. Wo Pynchon Durchhaltevermögen fordert, da lädt der Autor hier zum Überspringen und zur Selektion ein. Die Kohärenz bleibt dank der gewaltigen Übermetapher des Hauses, des Raumes, des (Gedanken-) Gebäudes. Dies wird von den Navidsons wie auch von allen anderen, inklusive dem Leser, erforscht. Es gibt immer wieder Spannungsmomente, die das Interesse wecken und an denen man sich durch die Kapitel hangelt. Ausverkauf? Sei's drum.

Der Roman zielt zwischen die Definitionen von Hoax und Hype und Halluzination und spielt somit mit durchaus akademisch relevanten Themen. Besondere Aufmerksamkeit erhält der wie gesagt echte/gedachte Raum. Die Brisanz vom spatial turn verdeutlicht sich. Sie wird ja auch von Sloterdijks Raumfahrt bescheinigt (deren zweiter Band derweil in stetiger Verzehrung im Graben ist). Sowohl Mark als auch Peter zitieren Gaston Bachelard, dessen Poetics of Space wohl ihren Weg in die ToDo-Liste finden muss.

Im Navidson Haus kollabiert Raum ins Nichts: man findet eine furchtbare Wendeltreppe, die hinunter in die All-Abwesenheit führt. Downward Spiral, ho! Somit wird sogar Trent Reznor zitiert.

Man mag nun auch spottend sagen, dass Danielewski eigentlich "Deconstruction for Dummies" schreiben wollen. Aber das träfe sowohl die Sache selbst als auch den vorliegenden Roman. Wie unheimlich! Wer hat denn hier das Sagen? Letztlich der Leser, aber er weiß es nicht. Der Leser ist die fünfte Ebene, mindestens.

Und witzig ist Danielewski auch noch. Es werden an einer Stelle Interviews mit bekannten Menschen geführt, darunter Stephen King und Jacques Derrida (!). Der Autor suhlt sich mit solchen Einfällen in Offensichtlichkeit und trägt somit zum Charme des Romans durchaus bei. Er unterstreicht die Nähe vom Ausverkauf der gothic fiction und intellektuell gelebter Verunsicherung. Somit beleuchtet er das Grunddilemma der Relevanz bei der Arbeit mit Literatur und Texten im Allgemeinen und Speziellen.

Insgesamt stellt House of Leaves (das Haus der Blätter und der Abschiede) eine Huldigung an den Prozess und das Ergebnis des Lesens dar. Ein ziemlich cooles Vehikel, bei dem der eine oder der andere wahrscheinlich erfrieren wird wie im extradimensionalen Kellergewölbe des Hauses. Genau diese Hermetik kitzelt und verunsichert zugleich.

Beim Wiki-Eintrag kann man einige Beispiele des ambitionierten Layouts und weitere Verweise finden.

He, und Bret Easton Ellis findet's auch gut. Auf geht's in den örtlich fixierten Lunar Park.

Tsotsi, Athol Fugard

Afrika, Afrika. Der sogenannte schwarze Kontinent bricht einem das Herz im Vorbeigehen und gibt einem dann keine lindernde bittersüße Medizin zum Abschied. Fugard schildert die Identitätssuche eines Verlassenen aus dem township: ein soziopathischer Gangster findet ein Kind und erinnert sich langsam seiner eigenen Herkunft.

Stählern schwere Sätze lassen keinen Funken (Galgen-) Humor aufkommen. Das Martialische dominiert die Bühne und Metaphern mit Ewigkeitsanspruch türmen sich auf. Das Kind als zerbrechliche Zukunft weist den Weg in die eigene, verdrängte Vergangenheit welche das Grauen der Gegenwart teils bedingt und teils vorwegnimmt. Tsotsi wird das Symbol des ruhelosen Brandstifters; er ist einer, der auf einmal Milch sucht statt Blut vergießt. Township und Lump, Henne und Ei, trallala.

Die Lektüre gestaltet sich wie der Einsatz der im Roman erläuterten Fahrradspeiche. Sie wird benutzt, um im Menschengedränge dem Opfer durch die Achsel das Herz anzustechen. Und wieder muss ein körperliches Beispiel herhalten, um narratologische Wucht zu erläutern. Ach, Afrika.

Doch obacht: eine Afriploitation könnte entstehen. Der Kontinent könnte zum blanken Lehrstücklager für satte reiche Menschen werden. Im Kino ging das ganz fix: Blood Diamond und Der letzte König von Schottland haben letztes Jahr den Kinosaal ächzen lassen. Es muss doch auch andere Geschichten aus Afrika geben außer jenen, die zu den grauenhaften Bildern in der Glotze passen.