5/14/2011

24, Season 2, Joel Surnow & Robert Cochran

Die Bombe! Hoch geht die Bombe! Wo steckt denn bloß die Bombe? Und der Zünder für die Bombe?

Man soll ja nicht so oft Bombe sagen am Flughafen oder sonstwo, im Interesse der internationalen Sicherheit. Im zweiten Aufguss bedient 24 die simple Maxime ähnlich gut wie im ersten Teil: die Zeit ist knapp und der Raum ist unerschlossen. Jack rumpelt durch kalifornische Schauplätze, teils mit und teils gegen Unterstützung. Das zu persiflieren ist sehr einfach: die zarte Blonde wurde gehirngewaschen von fiesen Muselmanen (Muselmaniacs!), weil die Familie nicht gut aufgepasst hat. Eine Strahlenvergiftung ist kein Grund für ein sinnloses Leben. Und der Irre von Saw ist auch der Irre von 24! Am Ende ist der Tag um und die Knoten lösen sich. Schön.

Die zweite Staffel ist kein Grund, die dritte nicht schauen zu wollen.

5/13/2011

Blogspot unten, oben

Verflixt, unten war das Ding. Das erste Mal überhaupt. Die letzten zwei, drei Notizen sind verschwunden.

Was bleibt, ist die Erinnerung.

5/12/2011

Cities of the Red Night, William S. Burroughs

Der erste Teil eines Dreiteilers, jawohl. Schnell den Fluxkompensator an und fertig machen für die außerkörperliche Erfahrung. Denn hier wird zeitgereist - eventuell sogar mit Hilfe des bekannten mash-ups bzw. cut-ups als Stilmittel, was die Lektüre nicht erleichtert aber prägt. Es scheint, als würde der Autor seine formale Technik nun auch inhaltlich anwenden, denn nicht nur die Textpassagen, die die Handlung ausmachen, sondern auch die Handlung selbst ist aufgeschnitten, abgehängt und wird zum Ende hin immer schneller.

Zu Beginn scheint es in die Detektei zu gehen, am Ende sucht nur der Leser nach roten Fäden und Ausgängen. Zunächst geht es um transplantierte Köpfe und eine ominöse ethno-spezifische Seuche. Und Stoff. Dann geht es um Lärm und schnellen Wechsel. Eine verstohlene Pynchon-Kopie? Vielleicht sind die beiden ähnlich, weil sie weniger süffig gelesen werden könn(t?)en als Hohlbein o. ä. Trotzdem eigen, dieses Gemisch. Und der ganze Sex erst. Mehr Ejakulationen haben anscheinend nicht in den Text gepasst - aber vielleicht ist das Motiv des Drucks und dass der Druck abgelassen werden muss ein wichtiger Schlüssel zum Inhalt. The brain is a lonely hunter.

5/09/2011

Criminal, Ed Brubaker & Sean Phillips

Hier und hier. Die Deluxe-Version der graphic novel sammelt mehrere Ausgaben und zeugt von der Souveränität des Projekts. Brubaker ist Fan und Macher zugleich, und das ist selten im Noir: klar kommen da die Klischees daher, aber da immer so ein wunderbar zeitloser Pathos und existentielle Weisheit im Genre stecken, kann er stimmige Geschichten bauen. Wieder fällt auf, wie das Kino das Noir und auch das Comic geschaffen hat und wie sich diese Konzepte immer wieder gegenseitig rahmen.

Die Stadt der Criminals wird vom Untergrund zusammengehalten, von den Abgründen und Hohlräumen unter dem öffentlichen Raum der Straßen und Gassen. Die zentrale Bar hat einen erloschenen Neonbuchstaben und heißt "Undertow" statt "Undertown": das passt. Der Sog ins Erdinnere. Alles rinnt nach unten. Schwerkraft. Und das alles ausgedrückt durch verwobene Episoden und sogenannte Einzelschicksale, diverse Versionen des Aufbegehrens und Zurücksinkens.

Man versteht mit dem Auge.

5/06/2011

Blood into Vine, Ryan Page

Hier und hier. Und so wahr und richtig. Önologische Erkenntnisse in Arizona, durchgeführt von einem bekannten Musikanten und seinem Kollegen. Glücklicherweise ist dieser Film kein verstecktes Popfeuilleton-Vehikel sondern eine wirklich stimmige Abhandlung über Geschmacksverstärkung und -kultivierung. Wie kommt der Wein in die Flasche bzw. aus dem Boden? Vielleicht ist das der Grund, warum Konsumanleitungen und Geschmacksfibeln so einen Erfolg haben: da wird ein Ding an einen Ort und eine Zeit gebunden. Gerade beim Wein ist die Mär vom Unikat ja sehr beliebt (Jahrgang, Hanglage, Beigaben, Lagerung, Abfüllung, herrje, was man da alles manipulieren kann und womit man dann erstmal klarkommen muss). Anregend.

5/02/2011

Infinity: Der Turm, Wolfgang Hohlbein

War ein Geschenk. Schwingt wie 1996. Das ist fünfzehn Jahre her. Wenn dem Herrn immer vorgeworfen wird, King zu kopieren, dann ist der Titel "Der Turm" eher ungünstig, wenn man denn auf Kontrast setzen würde. Muss man aber nicht, denn die Klientel stört es nicht. Die Produktionsleistung von Hohlbein ist enorm. Warum sollte Moby Dick ernsthafter sein als dieses Ding hier? Weil mehr Menschen es kennen? Seit wann hat die Mehrheit Relevanz? Aber das sind Fragen, die Werk und Autor getrost ignorieren können... nur verunsicherte Konsumenten plagen sich damit herum, die ihrer eigenen Nostalgie ansichtig werden.

Inhalt: Naniten, und Biotech in einer Zivilisation nach der Singularität, die bequemerweise auf eben ein Bauwerk angewiesen ist und die Raumfahrt längst aufgegeben hat (zu weit, zu gefährlich, zu umständlich) und rundherum die sogenannten Barbaren, die ähnlich aufgemotzt sind. Ein wenig Eberron ist schon dabei. Es wird nicht gereist, die Geschichte befasst sich eher mit einer außenpolitischen Allegorie auf Innen|Außen und Mehrheit|Minderheit. Bewährt. Schnell durch. Seltsamerweise ist die Geschichte eher unspannend - die Schauplätze werden nicht in Cinemascope zusammengeführt. Ob da ein Sequel in Planung ist? Bestimmt.

5/01/2011

The Age of Stupid, Franny Armstrong

Hier. Noch mehr Ernsthaftigkeit, diesmal mit einer kleinen narrativen Trickserei: die Dokumentation ist das Manifest eines der letzten Menschen, der in einigen Dekaden die Beklopptheit der jüngst vergangenen erklären möchte, gespielt von Pete Postlethwaite (RIP). Aus Datenbits und kleinen Szenen wird eine weltumspannende Tendenz beziffert, die sowohl den Raubbau in Afrika als auch den Kampf um englische Landschaftspanoramen einschließt.

Die Informationen sind nicht neu, aber die Komposition ist gut griffig und prägnant. Eine unbequeme Wahrheit ist ja meistens auch ein Angriff. Die einen flüchten in Skepsis und die anderen zu amazon.de. Beides ändert wenig. Was täte es denn? Erstmal aus hier: Gummistiefel kaufen, ein Schlauchboot, und vielleicht einen dieser Stromgeneratoren mit Pedalen. Hinein in eine weitere Bestätigung misanthropischer Tendenzen.

Inside Job, Charles Ferguson

Hochhäuser bringen Ärger, nichts als Ärger. Hinter gleichförmigen Fensterfeldern verflechten sich die Dinge und die Ströme und die finsteren Machenschaften der Hochhausinsassen.

Erzählt wird die furchtbare Geschichte des Bankensterbens und die damit in Verbindung gebrachten Arbeitslosen, Bankrotte und Verfilzungen. Furchtbare Geschichte? Wohl eher unberührbare Geschichte. Denn wie soll man den Kapitalfluss der Gegenwart in Worte fassen? Freilich gibt es Nahaufnahmen entgeisterter Gesichter, Nachrichtenszenen und sonstige Emotionsträger. Freilich sind die Dinge sinnschaffend gereiht, doch am Ende bleiben viele Fragen offen, die sich "Eingeweihte" vielleicht nicht stellen: wie kann so etwas passieren? Moral und Ästhetik, die alten Schlachtrosse des publikumswirksamen Erzählens, können in der Wirtschaft, die sich längst entmenschlicht (nicht im Sinne von Ethik und solch Firlefanz, eher "vielgeschaltete Maschinen" i. e. S.) hat, nicht einhaken. Wirtschaft ist das Unerzählbare. Rein oder raus, vermitteln geht hier nicht mehr. Für die da drinnen macht das alles bestimmt mehr Sinn. Oder ist das wieder eine dieser dämlichen Menschenhoffnungen?

4/27/2011

The Little Friend, Donna Tartt

Hier. Bestseller! Zweitwerk nach dem Übererfolg! John Grisham?! Aber nein! Nach "Die geheime Geschichte" endlich mehr saftige pageturner-Kost. Tartt schreibt Roman-Romane und wirft nicht mit Kulturtheorien und Gesellschaftskommentaren um sich. Sie ist wie eine ehrliche Eskapismus-Autorin. Den Leser packen und in Cinemascope woanders aussetzen. Wham, blam, thank you ma'am.

Mit einem toten Bruder geht es los und dann mitten hinein in die Sümpfe der Südstaaten. Southern gothic? Durchaus, aber mit weniger Inzest, wohl aber mit zerfallenen Herrenhäusern, sterilen alten Frauen und abwesenden Gentlemen-Patriarchen. Es gibt auch ordentlich hillbillies, die auf Acid und Selbstgebranntem ihre Motorhauben wienern. Und Schlangen. Schlangen in Kisten, Schubladen, Stiefeln, Fluchtplänen, etc...

Die Protagonistin ist eine Schau, denn so eine dreist-clevere Nerd-Göre hat man selten erlebt. Kleine Mädchen sind eben die besseren Action-Archäologen. Ja gut, das Finale war eher ein Schritt zur Seite, aber man kann ja nicht alles haben. Am Ende werden ja die allerbesten Absichten auch nur in den Golf gespült.

4/18/2011

9to5: Days in Porn, Jens Hoffmann

Hier. Der Dokumentationsmarathon nähert sich dem Ende... zunächst. Mit diesem preisgekrönten Werk über die kalifornischen Fleischfilmer erhält der interessierte Zuschauer Zugang zu menschlichem, allzu menschlichem. Das war zu erwarten.

Aber was wird noch geliefert? Es werden Menschen gezeigt, die man so wahrscheinlich nicht sieht: wie sie an ihrer Branche genesen und zugrunde gehen. Die über mehrere Monate begleiteten Charaktere, äh, echten Menschen, haben Pläne und Hunde und Hypotheken und finden einen Platz in der zugegebenermaßen gewaltig großen Pornowelt. Viel spielt sich im Auto ab, wahrscheinlich ist in den beigegrauen Feldern kalifornischer Pendlerödnis ein Interview am ehesten zu führen.

Es scheint, als ob die Flüchtigkeit der hier massenhaft produzierten Medien sich in den Leibern selbst niederschlägt - keiner hat Bestand. Vielleicht ist es ja das Echo von Decasia aber 9to5 ist einer der nihilistischsten Filme überhaupt: es gibt noch nicht einmal einen moralisierenden Moderator, der als Sollbruchstelle herhalten könnte, es gibt nur den (vielleicht inhaltlich ungewöhnlichen aber vor allem) enorm unstetigen Lebenstrott der Brancheninsassen. Ist das bei Bänkern auch so? Den stabilsten Lebensentwurf scheint hier die als Ärztin tätige Exdarstellering zu haben: sie behandelt STDs und klärt über die Endlichkeiten und Bedingungen von Sekreten, Geweben und Praktiken auf. Sie hat sogar Zimmerpflanzen und einen Vogel.

Decasia, Bill Morrison

Und die Säge, die hat Zähne. Hier und hier und hier.

Jawohl, Film ist eigentlich Reibung, Aufreibung: Decasia besteht aus Filmmüll, der zum Zeitpunkt seiner Zerreißung noch einmal abgefilmt wurde. Die Bänder hängen aneinander und sind fleckig, brüchig und brachial - Gespenster tauchen auf, die in ihrem einst intendierten Sinnzusammenhang vielleicht nur Beiwerk zu irgendwelchen Erzählungen waren. Widergänger, Wiedergänger... der gothic Aspekt ist bei Decasia riesig. Erstens sind alle Menschen, deren Umrisse, Fratzen und Zuckungen hier schimmern und schattieren, sehr tot. Auch die Kamele (waren es Dromedare?) sind bestimmt nicht mehr da. Nur der Zerfall. Bestürzende Zerstürzung.

Von allein ist der Film weder auf Schock, noch auf Grusel getrimmt und doch stellt sich ein leichtes Schaudern beim Sehen ein, da der schwarzweißgraue Bildersturm zwar inhaltlich erklärbar ist aber eben doch leichte Wehmut mit geschundener Schönheit verbindet. Ein Film, der keine Produkte verkaufen will. Ein Film, der keine menschliche Bedarfsempathie propagiert. Gruselig.

Maßgeblich zum Schauerlebnis beitragen kann der Soundtrack: hier wird gerauscht und geschrammt und gerumpelt, aber rhythmisch und jenseits aller wohltemperierten Klaviere. So atmen Fabriken, so hört sich eine Autofahrt vom Inneren des Vorderreifens an. So sterben Bilder - das heißt im Umkehrschluss auch, dass sie einmal lebten. Leben heißt vielleicht nur "Frequenzwechsel" und Neuüberlagerung.

Und noch eine Ebene Zerfall: Decasia verzeichnet die letzten ihrer Art, denn im Zeitalter digitaler Bilder und Speichermethoden wird solch ein Geschrammel eher selten werden. Dann kommen glitches und Systemabstürze auf, dann poppen blue screens auf und beenden die Restbilderschauen abrupt. Hier schleppt es sich alles weiter, und steht der Projektor auch in Flammen: da raucht es erst ein wenig, bevor die Filmschnur reißt.

4/17/2011

Global Metal, Sam Dunn & Scot McFayden

Noch einmal mit (noch mehr) Gefühl... die zweite Metalldokumentation vom Anthropologen Dunn widmet sich der weltweiten Strahlkraft dieser Kulturtechnik. Die Genres sind ja nun bereits identifiziert und die (Sinnleere einer) "Entschuldigung" persönlicher Musikvorlieben abgefrühstückt. Die Weltreise macht somit durchaus Sinn.

Von Wacken aus zieht Dunn herum und zerrt indonesische, indische und brasilianische Metallmenschen vor die Kamera und bleibt dabei ganz Fan. Freilich ist besonders die Episode in Japan sehr, sehr verstörend. Self-fulfilling prophecy nennt man das wohl. Und China gibt es auch! China metal. Völkerverständigung dank akustisch angewandter Elektrizität.

Und so rumpelt auch diese Doku sinnstiftend und unterhaltsam über Globus und Bildschirm. Für manche ist es nur eine Fußnote im größeren Globalisierungstheoriegebäude, eine weitere Anekdote - für andere vielleicht die Bestätigung, dass Jugendkultur sich allerorts (ähnlich) entwickelt. Also, alle die eine "frohe Botschaft" in informativen Narrationen gut finden sind mit Global Metal gut bedient. Alle anderen können endlich mal wieder ein Werk von Dillinger Escape Plan durchhören.

24, Season 1, Joel Surnow & Robert Cochran

So geht das mit der Echtzeit, aha. Dieser alte Schinken hat vor einem Jahrzehnt die Glotze gerockt und spannte sogar die Werbeblöcke in die Darbietung ein. Es ist ja vom Inhalt her nicht neu: Gefahr im Verzug, Leiber hetzen umher und verpassen sich fast. Dazu die mobile Telefonie und Satellitengekasper. Aber eben Echtzeit.

Wahrscheinlich sind die Produzenten Logiker und wollten Sicherheit definieren: wenn man einen geschlossenen Raum hat, dann ist der sicher. Aber wenn man eine offene Zeitlinie hat, geht irgendwann jedes er-/geschlossene Gebiet den Bach runter oder in Flammen auf. Je komplexer die Maschinerie, desto mehr Fluchtlinien stellen sich ein. Wahrscheinlich wollten die Produzenten aber auch nur einmal eine Antithese zum A-Team formulieren, ohne Jason Bourne zu vergessen und ohne bewährte TV-Spannungsdialoge zu revolutionieren.

Und man wollte es zwar nicht wahrhaben, doch es begab sich so: nie konnte nur eine Folge geschaut werden, immer waren es drei oder vier, bevor die beknackte echte Welt den Konsum unterbrechen musste. Ach, diese echte Welt mit ihrer lahmen Echtzeit.

Aber das mit der toten Gattin bleibt schon hängen. Sehr unerwartet, das.

Spun, Jonas Åkerlund

Klare Opfer ihrer Umstände! Die Protagonisten sind in der sonnenverbrannten urbanen Ödnis Kaliforniens gefangen und fahren viel zu lahme Autos. Kein Wunder, dass sie da ein wenig Geschwindigkeit dazukaufen müssen und diese dann in Venen, Mund und Nase einführen.

Der Regisseur kommt ja vom Videoclip. Aha, sagt der nüchterne Kritiker: deshalb die schnellen Schnitte. Aber man kann sie freilich auch mit der Geschwindigkeit erklären, die da so verehrt wird. Keine Bewegung, doch die Pupille rast: der ungestüme Gedanke tastet die vergammelte Lebenswelt ab, um irgendwo Krümel zu entdecken, Partikel, die Ablenkung und Erbauung versprechen.

Die Darsteller haben vermutlich viel Spaß beim Dreh gehabt. Dazu sind die Dialoge zu authentisch... wenn man die oft genug wiederholt, kann man ob der Widerlichkeit der Welt schon druff kommen. Aber auch sie sind Opfer ihrer Umstände: ein wenig ist das alles hier Maskenball und die Häschen unter der Konsumenten könnten die Charaktere für überzeichnet halten. Und das Ende ist leider inkonsequent... oder genial? Weiß man ja nie, ob und wie und wann man runterkommt - und wann man unten ist und/oder bleiben kann. Keine Zeit zum Rekonsum. Mehr, mehr, schneller, schneller.