9/13/2007

28 Weeks Later, Juan Carlos Fresnadillo

Allerhand, wieviel man über Zombies im Allgemeinen herumposaunen könnte. Sie sind wohl die plumpeste Metapher für kulturpolitische Untergangszenarien und auch das wohl stinkendste Symbol für die Hierarchien unter den Unterhaltungsprodukten. Sie sind noch klumpiger als Frankenstein oder der Werwolf oder Vampirmutanten denn vor allem gibt es sie nur in der Masse. Verblüffenderweise ist dies nunmal das Zeitalter der selbigen im Einzelnen und Allgemeinen.

Freilich sind Zombies gröbster Unfug. In einem Geschichtenkontext entwickeln sie aber herrlich viel Tiefe und ihre Symbolkraft ist ebenso obszön offensichtlich wie ihre verfaulende Natur. Somit verdeutlichen Zombies ironischerweise auf ihre untote Art die Definition von Simulakren im Allgemeinen: es sind Kopien ohne Original, ihr Referenzpunkt in der sogenannten wirklichen Welt existiert letztlich nicht. Zombies sind die Buhmänner am Ende des Spektrums.

Darauf baut 28 Weeks aber nur bedingt auf. Hier gibt es keinen Nekromanten, der Menschenkörper umherstolpern lässt. Vielmehr ist es eine herrlisch schnell sichtbare zombifizierende Krankheit, die den Tod auf Latschen verursacht: ein Biss, ein Ächz, ein Sabbern und ab geht der Postbote. Und wie er abgeht! Schon beim Vorgänger (Zeit für einen erneuten Konsum eigentlich) waren die Antagonisten so furchtbar schnell und laut und die Wackelkamera tat ihr übriges. Thematisch geht es also wieder um Krankheit, Inkubation, Ausbruch und Eindämmung. Totale Bedrohungen werden mit totalen Vernichtungen beantwortet.

Als Infizierter ist man über alle Einsamkeit erhaben: Hunger, Angst, Zorn sind grosse Verknüpfer. Der geifernden Horde kann man all das zurechnen. Wenn alle anderen ausser mir Hunger haben, ist Demokratie echt beknackt.

28 Weeks macht aber auch einfach Spass, freilich auf eine schmutzige Art und sicherlich nicht geschlechtsunspezifische Weise. Die Bilder sind erwartungsgemäss vulgär-poetisch: da gibt es denn nachtschwarzen U-Bahn-Schacht, in dem sich vor dem Nachtsichtgerät die Körper türmen. Dann London in Flammen. Ein Rotor hackt sich durch die Meute. Dann auch noch Dad, wie er Mom wehtut. Das Budget des Films hat nichts mehr mit Romeros Zeiten zu tun und das sieht man sogar.

Der Zombiefilm ist nicht salonfähig und das ist ein Grund zur Freude. Es widerspricht dem Genre, in Aufsätzen und Essays verehrt oder auch nur erläutert zu werden, denn um Reflektion geht es dabei eben genau nicht. Zombies stemmen sich mit aller Macht gegen die Lebenden, so oder so. 28 Weeks und auch sein Vorgänger stellen wortlos die Frage, was passiert, wenn nicht mehr verhandelt wird, und wenn die Massen zur Bedrohung werden und somit eine Situation jenseits aller Kommunikationsoptionen eintritt.

Das gruseligste am ganzen Film ist, dass man die Bilder irgendwoher schon kennt, sie aber noch nie in einem Plot zusammengefügt erlebt hat.

9/12/2007

Der Magier, William Somerset Maugham

Maugham hat viel geschrieben, und auch für Geld. Vor hundert Jahren den Magier - und das kein Jahrzehnt zu spät. Das Textlein steht zwischen zwei Polen: zum einen dem Gesellschaftsroman (gehobenes Bürgertum trinkt Tee und diniert in Paris) und Schauerromanze. Schwergewichtiger Antagonist ist ein gewisser Haddo, der wiederum einem gewissen Crowley nachempfunden sein soll. Letzterer hat Maugham das auch angekreidet. Crowley ist der wohl berühmteste Promi-Satanist des letzten Jahrhunderts gewesen und Haddo verhext dem Protagonisten des Romans auch fix die Braut.

Achja, der Teufel, die alte Keule. Um so einen wie Crowley kann man natürlich fix ein Geschichtchen stricken, schliesslich kann er leicht in eine humanoide Lovecraft-Kreatur stilisiert werden. Mit dem 19. Jahrhundert starb doch eigentlich auch die Gruselnovelle. Aber Satan blieb - wahrscheinlich um das sterbende Pferd des strengen Christentums noch einmal tüchtig zu treten. Oder es geht wie immer nur um Sex - wie frei darf man denn nun sein, wo fängt das Perverse an? Und wieviel Teufelei steckt eigentlich im Frauenwahlrecht?

Der Magier ist ein dickes U und keine Seite zu lang. Das Vorwort ist recht interessant, denn da notierte ein älterer Maugham seine Meinung zu dem frühen Werk.

9/10/2007

Als wir träumten, Clemens Meyer

Der Titel macht mehrfach Sinn, doch nicht ganz. Es ist eine Sammlung von Erinnerungen - grobe Stücke, aneinandergereiht durch eine bemerkenswerte raufeine Sprache.

Achje, Leipzig: die Vergangenheit ist herb und hart. Jungs und Hunde werden verprügelt, es wird gesoffen und gequarzt und gelitten und gebissen. Im Zuge der Auflösung ostdeutscher Fussballclubs bleiben die Fans auf der Strecke, die sonst eh nichts hatten. Oder sie verlaufen sich in den Mob der gegnerischen Fans, Aggro-Glatzen aus Berlin. Prost. Einer der Höhepunkte ist die Prügelei im Swinger-Club am Ende. So manche Passage ist so lustig, dass man sich schämt. Irvine Welsh scheint nah zu sein, doch das hier ist nicht Schottland - das ist Sachsen.

Die Abwesenheit von Träumen ist wohl das beachtlichste am Text. Jugendzeit ist Wendezeit und Aufbruch hat diese seltsame Nation kurzzeitig ziemlich geschüttelt. Träume wurden wahr und neue entstanden - geographische und auch temporale Navigation wurde möglich und wichtig. "Als wir träumten" ist traumfrei: es gibt keinen Punkt am Horizont, an den die Protagonisten sich wünschen. Es werden keine Ziele ausgemacht, um dem finsteren Leipzig zu entkommen. 'Home' und 'heart', jaja, weiss man doch.

Wagen wir mal den sozialhistorischen Kommentar: Jungs wie Daniel und seine Kollegen scheint es viele zu geben. Ihre Existenz erklärt den Narbendrang einer entwurzelten (männlichen Jugend): Rammsteins Erfolg, der Maske-Rocky-Hype (danke, RTL), Nazi-Trolle und vieles mehr könnten so erklärt werden. Muss es aber nicht, und Meyer versucht es auch gar nicht. Er erinnert sich und man darf teilhaben. Gut so.

9/06/2007

The Narrative of A. Gordon Pym of Nantucket, Edgar Allan Poe

1838 hat der alte Martin Van Buren gerade die Präsidentschaft der USA übernommen. Vor ihm war niemand geringeres als Old Hickory Jackson am Ruder, ein zäher Bursche, der den Blick auf die Wildnis im Westen richtete. Und genau dann erschien das sonderbare Textlein über die Reise eines gewissen Mr. Pym.

Sehr klassisch.

Im folgenden Jahrzehnt wurde "Manifest Destiny" ein Motto amerikanischen Stolzes und territorialen Anspruchs. Und wahrlich lässt sich Pyms Quest als Geschichte der *weissen* Landnahme charakterisieren: ein grüner Bengel fährt zur See, erlebt allerhand (furchtbares) und landet schliesslich am Südpol. Dort endet die verstörend kurze Geschichte im *weissen* Nebel - Pym's Ende ist das Ende der Welt.

Interessanterweise wurde die Antarktis erst in den 1820er vom Gerücht zur Tatsache, als entprechende Expeditionen zurückkehrten.

Obacht. Gothic hat nicht unbedingt mit Schlössern zu tun. Es ist eher die windschiefe Architektur der Seele, die hier das Grauen vorantreibt. Münchhausen ist was für Schulkinder, Poe ist was für die Anstalt.

9/04/2007

Hallam Foe, David Mackenzie

Wenn man den Namen "Holden Caulfield" oft genug nuschelt, könnte man auch zu dem Namen dieses Knaben kommen. Aber Foe heisst ja auch Feind und im Anglistischen ist "Defoe" ja auch nicht weit - der mit der Insel.

Hallam ist so einsam wie Holden, aber er hat auch Grund dazu. Psychoanalytisch beladen hat sich die ganze Familie seit Muttern tot und Dads Neue verdächtig ist. Somit wird der Junge zum Voyeur, um dem Jetzt zu entgehen. Der Film lässt sich zu einigen Denkanstössen hinsichtlich des Schauens und des Seins nutzen: Beim Sehen ist man ganz da wo das Auge ruht und entkommt somit der Misere, die der eigenen Existenz anhaftet. Und so sieht sich Hallam sinnvollerweise einmal selbst, wie er sich durchs Fenster beobachtet. Zwei Seelen harren in ihm: und wenn Menschen ihn als Spanner und Mitwisser identifizieren, wird er ganz Foe und Feind. Des Filmes zweite Hälfte ist ein wenig übermässig fleischlich - als wollte man dem Label des umgangssprachlichen Spannens nachträglich noch gerecht werden.

Jamie Bell könnte ja auch Ballett tanzen, muss er aber nicht. Bei Eastwoods Korea-Film Flags of Our Fathers war er ja auch gut.

So, keine Zeit mehr, muss mein Fernglas polieren und an Mama denken. Ha!

8/29/2007

The Big Sleep, Raymond Chandler

Klassisch in jeder Beziehung.

"'I don't like it,' I said. 'But what the hell am I to do? I'm on a case. I'm selling what I have to sell to make a living. What little guts and intelligence the Lord gave me and a willingness to get pushed around in order to protect a client.'"

Erhaben.

"Innocence gets you nowhere."

Sterben für Anfänger, Frank Oz

Nach einiger Zeit kommt das Ding auf Touren und dann aber auch schön derb. Das Schlüsselwort mag hier "Zivildienst" sein. Wo sonst hat man mit Entgeistigten, Zerdröhnten, Entgleisten und Fäkalien zu tun? Wahrscheinlich liegt es in der Natur der Sache, dass so niederschmetternde Erlebnisse wie Beerdigungen aus sicherer Entfernung das grösste Schadenfreude-Potential haben. Der Film ist höchst vergnüglich und man braucht keine Magnum-Packung After Eight dafür.

Seltsamerweise ist Frank Oz der Frank Oz, der einst Yoda spielte. Ja, Yoda (den aus Gummi). Hat Frank Oz je Zivildienst geleistet? Bowfinger und In & Out hat er jedenfalls auch gemacht. Allerhand.

8/26/2007

Out of Sight, Steven Soderbergh

Bunt, bunt! Welch Farben! Und das für einen eigentlich klassischen Gangster-Film. Die bezeichnende Bildsprache ist wohl Soderberghs grösste Gabe an den Filmbetrieb, er setzte sie so trefflich bei den Oceans fort. Der jüngst konsumierte (schwarzweisse) "Good Night, and Good Luck" sticht somit doppelt hervor. (Kann einem ja keiner erzählen, dass George das alles ganz alleine machte. Oder war es eine Trotzreaktion auf das Bunte? Diese anstrengenden Amerikaner.)

Die Geschichte selbst ist ja eher simpel. Unterhalten wird man aber trotzdem, einmal durch die Farben (erst die von Florida, dann die von Detroit) und zum anderen durch die selbstauferlegten Grenzen des Films. Nur weil Jenny und George mitmachen wurde kein feuerspeiender Super-Blob gefilmt, sondern eben ein im Ansatz kleiner Film. Zusammen mit Jackie Brown beleuchtet Out of Sight die enorme Qualität des Elmore Leonard, hat er doch die jeweiligen Geschichten geschrieben. Leonard's Werke können also klug verwurstet werden - aber nur, wenn der jeweilige Regisseur die Einfachheit versteht, die das Genre ausmacht.

The Plot Against America, Philip Roth

Eigentlich erinnert die Grundidee des Romans an ein aus Star Trek Folgen bekanntes Erzählgerüst. Es ist eine "was wäre wenn" Geschichte, in diesem Fall: Was wäre, wenn statt FDR Charles Lindbergh Präsident geworden wäre - damals, 1940. Lucky Lindy war damals sehr berühmt und Roosevelt hatte ja bereits zwei consecutive terms gedient.

Lindbergh ist Isolationist und gilt für viele als Antisemit - soll Europa doch seine Konflikte alleine aushauen. Hitler findet er weit weniger schlimm als FDR es tat. Kein D-Day nötig. Welch Möglichkeiten für einen Roman. Das ist Weltgeschichte! Grundlage für ein bitterschweres politisches Essay, einen scharfen Text der mit der "sympathy for the devil" der Lenker und Denker abrechnet! Oder aber auch nicht.

Roth, der wohl prominenteste jüdische Schriftsteller in den USA, schreibt nur bedingt politisch. Sein Erzähler ist ein Junge, der genauso heisst wie er und Anfang der Vierziger so alt war wie Roth selbst. Die Linie zwischen Autor und Erzähler war bei Roth immer ein wenig ungenau. Der kleine Phil hat erstmal nur seine Familie im Auge, die unter den politischen Entwicklungen und der antisemitischen Stimmung leidet und zerbricht. Die Metaphern sind reichhaltig: der ältere Cousin (ein bruderähnlicher Charakter) geht zur kanadischen Armee und lässt sich ein Bein abschiessen. Deutsche zu bespucken war ihm dabei sehr wichtig. Als verlorener Sohn (und aufstrebender Gangster) prügelt er sich Jahre später mit Phils Vater durch die Küche. Phils anderer Bruder lässt sich von Regierungsprogrammen gegen seine jüdische Herkunft aufstacheln und strebt dem Cowboy-Ideal hinterher. Dann gibt es noch Tanten, Rabbis und dümmliche Freunde. Berüchtigte Italo-Amerikaner treten auch auf.

Phil wünscht sich bezeichnenderweise oft, dass er eine Waise wird bei den bizarren Christen-Nonnen ein paar Strassen weiter.

Ein kluges Buch, ein komplexes Buch. Die ganze Debatte, inwiefern denn nun Geschichte eine Geschichte (oder eben andersrum) ist, kocht hoch und fesselt. Machen Familien Geschichte oder umgekehrt? Es ist nicht die Diagnose eines akut kränkelnden Amerikas, doch wohl eine Basisbetrachtung des Patienten im Allgemeinen. Dank an Phil und Dank an Mr. Roth.

8/22/2007

Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer, Tom Story

Jaja, sie streiten sich; ja, sie sind celebrities; ja, die Scherzchen sitzen und die Effekte auch. Die Fackel fackelt und das Ding dingt, alles klar. Stan ist auch da. Wie gehabt. Gut, gut.

Kommen wir zum Wesentlichen: HEIL DEM SURFER IN EWIGKEIT! Nur wenige können das Zittern im Nacken nachempfinden, welches manchen Leser der Comics beim Anblick des extradimensionalen Messias befällt.

Zunächst mal sein Chef. Galactus ist das, wofür ihn immer alle hielten: eine planetengrosse Bedrohung, die materiegewordene Heimsuchung des Sonnensystems. Das ist der exponential verstärkte alttestamentarische Gott, der die Opferung von Söhnen fordert, nur um mal eben den Glauben zu testen. Das ist der Gott, der die Menschenpest ersaufen liess. Doch er ist auch viel mehr. Er ist getrieben von Hunger: nicht die Läuterung des Menschen sondern der eigene Konsumbedarf treibt ihn voran, er ist jenseits von Frevel und Gottesdienst und schluckt den ganzen Mist einfach hinunter, ein leises Glühen von Sternenstaub hinterlassend. Im luftleeren Raum hört man dann nicht mehr das Röcheln der Fleischlinge.

Von Galactus sieht man nur kurz einen Schatten, und das ist fast schon zu viel für einen Film.

Der Surfer hat sein Board wie Christus sein Kreuz. Doch wo letzteres ein Symbol für das Ende ist, so ist das Sportgerät das Sinnbild von Bewegung - die ewige Welle treibt ihn voran, eine Kraft ist unter ihm. Die Apokalypse folgt IHM. Der Surfer wird von der Weltenwelle nicht weggespült, nein: er reitet sie, er setzt ihr Hörner auf. Als Catrina New Orleans verschlang, gab es in Portugal eine geile Brandung. Die Schreie der Versinkenden dringen da nicht hinüber, sie verlieren an Substanz und Relevanz.

Der Surfer reflektiert seine Umgebung. Was um ihn geschieht, wirft er zurück. Er ist pupillenlos und hat das Ende von tausend Welten gesehen. Er hat auch keine Ohren, um besagtes Wehklagen zu hören (und zwischen den Beinen scheint auch nichts, somit ist dieses Thema auch irrelevant). Der Silver Surfer ist unbeindruckbar. Er ist stärker als der Hulk und über das Spinnen von Netzen erhaben.

Alles was er hat ist sein Board und sein Job als intergalaktischer Hiob.

Die Story ist egal, der Surfer ist alles. Planeten zählen gar nichts, wenn man nur ein bisschen so sein kann wie er.

Jederzeit, Surfer, jederzeit in Ewigkeit.

Amen.

8/21/2007

Touch of Evil, Orson Welles

Sobald man Citizen Kane sah, fragt man sich, warum man das nicht längst tat. Welles Kamerasprache ist einzigartig, auch heute noch. Plakativ benutzt er Winkel und ungewöhnliche Perspektiven. Somit machte und macht er die kinematographischen Sehgewohnheiten des Konsumenten deutlich.

Bei Touch of Evil ist das wunderbarerweise genau so, obwohl Welles sich im Vergleich zu Kane wohl etwas zurücknahm. Dies mag darin begründet sein, dass es sich hier um einen Genre-Film handelt: Touch of Evil ist noir fiction. Hier kamen Bogarts Brauen erst richtig zur Geltung und die Femininitäten waren oft fatal. Zuviele Experimente würden hier die Klischees aufbrechen, die so nötig sind und ihren eigenen Charme (ein vollkommen anti-noir-iger Terminus) entwickeln.

Als Grundthema mag man den Begriff der Nähe nennen: die blonde Frau (Janet Leigh, adrett und kompetent) ist den Verbrechern nah und fühlt sich unangenehm berührt (ge-touch-t eben) - sie könnte gehen doch bleibt. In den furchtbar einsamen Motel (Norman lässt grüssen) ist sie dem Rocknroll-Gejaule von Außen ausgesetzt und hört durch die Wand das warnende Flüstern. So nah und doch so fern. Heston ist der zivilisierte Mexikaner, der viel edler erscheint als sein gesetzbiegender weisser Antagonist - durch seine (obskur angeschminkte) Hautfarbe macht er sich im Grenzland verdächtig. Ausserdem hat der Caballero eine weisse Frau geheiratet - eine unerhörte Intimität. Der Showdown wird auch von der Frage der Nähe getragen: er findet auf einer Brücke statt, einer Verbindung zweier Welten. Das geographische crossing wird mit dem Weg vom Verbrechen zur Aufklärung selbigem versinnbildlicht. Ausserdem hört Heston eine Wanze ab, welche Welles überführen soll. Kommt er zu nah, hört dieser ihn - ist er zu weit weg, verliert er das Signal. Keep your distance, don't let go, watch your step. Das ist noir, Gestöber im Dunkeln, in Perfektion.

Welles selbst ist ein Bollwerk voller Häme und Gier, ein schmieriger Brocken voll Misanthropie und Zynismus. Er ist unbeschreiblich - und weiss es. Und die Dietrich ist es auch. Welch sonorer Akzent! Danke auch dafür.

8/13/2007

The Grapes of Wrath, John Steinbeck

In the souls of the people the grapes of wrath are filling and growing heavy, growing heavy for the vintage. Ein Klassiker, voll von eiskaltem Zorn - Steinbeck klagt mit wahrlich eindringlichen Bildern die Umstände intranationaler Migration an. Die Joads sind als Okies unerwünscht im goldenen Westen und gerade gut genug, um als Landarbeiter ausgebeutet zu werden. Traktoren und Planierraupen sind die Maschinen, die die Familie vertreiben - dann ruiniert sie die Maschine des uneingeschränkten Kapitalismus. Steinbecks Beschreibung der absoluten Abwesenheit von Gerechtigkeit und Freiheit wird getragen von naturalistischer Wucht: die Erde trägt die Früchte der Hoffnung, der Staub lässt selbige zerfasern. Und am Ende wird deutlich, dass die Joads schlichtweg zu nah am irdischen Existenzlimit leben: so bodennah kann der amerikanische Traum nicht gelebt werden.

Unter erbärmlichsten Umständen machen sich die Joads auf den Weg in eine ungewisse Zukunft - Tom, der älteste Sohn, kommt frisch aus dem Gefängnis und mag andere Motive haben als seine Eltern. Doch die Umstände seines Abschieds zum Schluss machen dann wiederum betroffen: Totschlag treibt ihn ein zweites Mal davon. Der weisse Mann hat seine Grenzen erreicht.

Das Ende haut einen um. Hier wird eine Linie deutlich, die (jawohl!) vom immer noch hochverehrten Cormac McCarthy weiter beschritten wird. Das Wasser steigt und die Familie flüchtet durch die Fluten. Ein entwurzelter Baum, so entwurzelt wie die Joads, hat den Damm zerrissen. Das jüngste Familienmitglied wird tot geboren - ein kreischendes Sinnbild für die verlorene Zukunft. Bis hin zur unsäglichen letzten Zeile ist dies eine geballte Faust von einem Roman. Da wundert es nicht, dass die Filmversion laut W ein deutlich anderes Ende nehmen soll.

Ausgezeichnet. So viel mehr kann darüber gesagt werden.

8/10/2007

Transformers, Michael Bay

Dieses Werk besteht aus dem Zusammenspiel von drei Wünschen.

Wunsch eins: man will von wohlwollenden Giganten gejagt und errettet werden. Die Technik ist es, die sich einem riesenhaft entgegenstellt - und nur die Technik kann einen vor selbiger auch beschützen. Woher sie kommt, ist egal, doch ihre Motivationen lassen das Menschliche umherspringen, ausweichen und herumhetzen. Man beachte die Tradition von Kampfrobotern/Mechs in der japanischen Popkultur.

Wunsch zwei: Jugendlichkeit soll jedes Plot retten. Der Protagonist ist eigentlich zu alt für Actionfiguren und zu tolpatschig für Beischlaf und doch wird er zum einzig hervorstechenden Charakter neben den Metallern. Spielbergs Elliott bleibt prägnant und ewig jung.

Wunsch drei: die Logik einer Geschichte soll jedem egal sein, der sich eine Kinokarte für einen Film über Spielzeug der 80er kauft.

Und das macht alles so einen Spass. Die zweite Hälfte vergeht ein wenig im Schlachtenlärm, doch was soll sonst ertönen - etwa Konversation? Ha! Krieg ist auf jeden Fall schön hier, denn Krieg hat mit grossen Maschinen zu tun. Die Rolle der US Army darf nicht unterschätzt werden und nur haarscharf segelt die Dramaturgie am Genre des epischen Werbefilms vorbei. Die Army ist Spass. Komm schon. Komm auch Du und erfreue Dich an Hydraulikarmen und Gyrostabilisatoren. Der Spass ist so gross, dass grosse Maschinen wieder Hochhäuser durchbrechen können, so dass der Schutt auf die Strasse regnet. Schutt ist Spass.

Interessant ist Optimus Prime's letzter Monolog, der eine Invasion der Erde durch überlegene Lebensformen vorhersagt. Dieser Drohung hört keiner zu, ausser vielleicht der Zuschauer. Die schlaflosen Sensoren der robots in disguise werden auch nicht beachtet. Alles egal, wenn man mit Uschi auf der Motorhaube selbiger Maschinen rumrutschen kann, hu?

8/06/2007

Fantastic Four, Tim Story

So, nun hat man mal drüber geschlafen und die Freude hat sich leicht gelegt.

Erstmal ist es ja immer interessant, wenn man Bilder in Bewegung sieht, die man vor 18 Jahren das erste Mal wahrnahm. Der Wiedererkennungsfaktor ist hoch in diesem Werk, und der Cameo von Mr. Lee ist gerechtfertigt. Die F4 waren in vielerei Hinsicht bahnbrechend für die amerikanischen Comics der 60er und 70er und die Produzenten haben dies durchaus beachtet. Sie haben nicht einfach ein paar Superdudes sich prügeln lassen.

Tja. Eben. Schade!

Das Ding ruft in den Comics oft die "clobberin time" aus - dann "geht's rund" (so hiess das auf Deutsch). Hmm. Solche Filmadaptionen können durch zu viele Actionsequenzen zerstört werden, aber wenn zu wenige dabei sind, dann ist das auch nicht richtig. Diese Möglichkeiten!

Ebenso schwierig ist die Rolle von Doom. Das ist einer der grössten Marvel-Widersacher die wo gibt. Letztendlich tritt er hier in seiner berühmten Maske kaum auf. Seine Kräfte wurden auch leicht modifiziert. In einer perfekten Welt wäre er auch im Film der arglistige Europäer, der den Amerikanischen Traum verachtet.

Bald der Silver Surfer. Der wird auch ohne Ton gefallen. Da braucht man dann auch kein Ding. Heil dem Surfer. Heil dem Surfer. Wir sind alle unwürdig.