5/04/2007

Year Zero, Nine Inch Nails

Was für eine Vorfreude. Schon seltsam.

Schon die Promotion liess die Hoffnung höher schnellen... da baute sich viel guter Willen auf. Ein Wohlwollen, ein Fortschrittsglaube. Ein Fünkchen Avantgarde und man selber ist ein Teil davon. Die Vorhut, vor den Herden des Pop.

Zur Inszenierung des Albums müssen wohl keine Worte mehr verloren werden. Ist das vielleicht die nächste Version des Bush-Bashings? Herr Reznor kennt offensichtlich Half-Life 2 und Mad Max und Konsorten.

Das Simulakrum des zivilen Widerstandes. Oi-weh.

Aber zur Sache, Schätzchen. Year Zero ist lauter als With Teeth, allerdings hörbar im gleichen Kreativ-Fenster entstanden. Der Vorgänger machte Spass, da nach The Fragile auf einmal wieder echte Songs (mit anfang-mitte-schluss) entstanden. Prägnante 4minüter, perfekt für Arbeit, Spass und Spiel. Year Zero jagt diese Song-Konzepte noch 8 mal durch diverse Verzerrer und klatscht dem Hörer das Endprodukt selbstbewusst um die Ohren. Das macht dann nicht mehr ganz so viel Spass in der Rock'n'Roll-Disco, eher im Klein-Kollektiv.

Downward Spiral war der weite Wurf, aber das zweite Album für die Band. Pretty Hate Machine ist viel eher mir With Teeth und Year Zero verwandt. The Fragile war eine Eskapade, ein bewundernswerter Ausbruch. Bei Year Zero stehen die Vocals nie im Hintergrund. Was Trent macht ist gut, doch es ist m. E. etwas viel. So wirken die Songs seltsam direkt und eindeutiger.

Downward Spiral ging in irren Kreisen ins Selbst hinein, ein Stacheldraht-Jojo ins finstere Zentrum, quasi. Die Verfeierung einer Implosion. Year Zero meint eine neue Zeitrechnung - eine neue, allgemeingültige Masseinheit. Ein Panoramabild, bei dessen Betrachtung sich die Fans in den Armen halten können.

Aber was soll man denn bitte sonst als Band machen, wenn der Man In Black einen schon vorher genialen Song ins Göttliche erhebt und danach (dazu?) stirbt?

Year Zero ist der letzten Pearl Jam ähnlich: Erfreulich und das Geld wert in jeder Beziehung, doch das Erhabene und erschütternd Neue kommt nicht zurück.

Doch, danke. Weiter so. Trent steht auf der guten Seite der Stadion-Musik.

Jetzt aber bitte wieder Radiohead, die fiepen auch.

5/01/2007

Shutter Island, Dennis Lehane

Mystic River als Film war keine Zeitverschwendung und die stadionkompatiblen Leistungen des Ex-Manns von Madonna haben zu Recht einen Preis gewonnen. Von Herrn Lehane habe ich daraufhin eine deutsche Version aus der Gennaro-Kenzie-Reihe gekauft. Lange her. Gewalttätig war's allemal.

Shutter Island ist finster und spielt im finsteren Jahr 1954. Es lebt zum einen von der zeitlichen Nähe zu historischen NS-Verbrechen; eine uramerikanische Naziploitation entsteht, m. E. aber nicht weiter anstössig. Zum anderen drängt sich die genrebekannte Spukschloss-Klaustrophobie (es spielt alles in einer Klapse auf einer Insel) ins Bild.

Lehane lässt die Seiten dahinfliegen. Die eigene Konsumgeschwindigkeit überraschte. Kein meisterlicher Haken scheint der letzte zu sein. Der Plot wird immer noch einmal aufgestachelt. Die zweite Hälfte ist noch schneller als die erste. Das Finale bleibt im Gedächtnis und kann als ein Musterbeispiel für bitterschöne Thrill-Momente herhalten. Man staunt.

4/27/2007

Lost Highway, Regie: David Lynch

Doch, öfter schauen hilft. Als ich LH das erste Mal sah, war ich logischerweise jünger und recht erschlagen. Aber angenehm erschlagen.

Immer noch nett anzuschauen, das Ding. Und so enorm verworren ist er tatsächlich nicht; sehr hilfreich ist die Vorstellung eines Möbius-Bandes bei der Analyse, wie es in diesem Essay illustriert wird.

Brazil ist anstrengender. Oder?

Aber warum fallen mir bei diesem Durchlauf Sex und Gewalt mehr auf? Wahrscheinlich weil meine Aufmerksamkeitskapazität nicht durch vermeintliche Kryptik dezimiert wird.

Der wiederholte Konsum von LH ist freilich eine Art Hausaufgabe. Denn mit Inland Empire steht ja bald der nächste Lynch auf dem Programm, der soll dann auch gleich 3 Stunden dauern. Ob ich vor dem Kartenkauf noch zur Re-Bewältigung von Mulholland Drive komme, sei mal dahingestellt.

4/24/2007

The Red Badge of Courage, Stephen Crane

Ja, sicher, Krieg ist böse, gerade heutzutage. Aber wo sonst kann man was vom Leben lernen, wenn nicht inmitten des Todes? Crane's Jüngling hat manchmal Angst, ist oft müde, trägt manchmal die Fahne, blutet am Kopf und marschiert. Am Ende ist er ein ganzer Kerl und die Sonne schiebt sich durch die bleiernen Wolken.

Über einhundert Jahre alt ist dieses Romänchen von unter 200 Seiten und es brennt vor lauter Epik im Schlamm. Die Sätze sind wie gemeisselt und bleiben bestehen, da kümmert es auch nicht, dass der Junge als Mittel zum Zweck des Romans eben doch nur ein Rädchen in der Maschine zum Zweck des Krieges ist.

In jedem der flinken Kapitel gibts es Absprungmöglichkeiten in eigene Überlegungen; das Brechen der hohlen Seelen auf dem Feld ist der Soundtrack für fast religiöse Selbstbekenntnisse. Danke, Mr. Crane.

The Red Badge of Courage gibt es auch online.

4/23/2007

Sound of Silver, LCD Soundsystem

Das war meine erste Reaktion:

-x- Wie erwartet eine Punktlandung. NYC is the place to be, f*** A.
-x-
-x- Machen die lyrics Sinn? Mann weiss es nicht. Ist das von Belang? Nicht bei
-x- dieser 1234-Kulisse. Seriös bis ins Wachkoma.

Aber ich muss mich korrigieren und sagen dass die Seriösität nur aufgesetzt ist. Und das ist angenehm. New York klingt immer noch interessant aber zwischen den oberflächlichen Dance-Elementen knarzt es und das Schlagzeug ist ein Schlagzeug und da sind mehr Menschen beteiligt als man sagt.

Vorwerfen kann man eine zu Nähe zum Debut. Aber das fand ich auch gut. Und mein Verständnis dafür ist auch eingeschränkt. Aber die stetige Referenz zu Musik im Allgemeinen ist angebracht... Meta-Pop, äh, -Wackelmusik.

4/22/2007

Sunshine, Regie: Danny Boyle

Boyle und Alex Garland haben schön öfter zusammengearbeitet und so langsam zahlt sich die Erfahrung aus - Sunshine ist einer der homogensten SciFi-Filme, die es gibt.

Verhindert werden soll die Zerfrierung der Menschheit. Und dabei kommt jene selbst gar nicht vor in dem Film. Von Anfang an ist man in der grossen Büchse hinterm Hitzeschild eingesperrt und nur zum Schluss darf die Erde kurz ins Bild rücken. Ausgezeichnet. Nur in der Schwerelosigkeit wirkt jeder Tod wie eine Performance. Da das Existieren im All von erbarmungsloser Elementargewalt geprägt wird, kann Sunshine freilich keine lauwarmen Zwischentöne anschlagen. Die Storyline mit dem Eindringling wäre m. E. gar nicht nötig gewesen. Hitze und Kälte sind schon furchtbar genug als Gegner.

Sunshine ist auch optisch durchaus eigenständig: schon mit den ersten Szenen hat man sich eine eigene Weltraum-Ästhetik erschaffen und kein einzelnes Bild wirkt geklaut. Die Computer-Stimme ist weit weg von HAL oder ähnlichem.

Auf zur Unendlichkeit oder halt dem Licht nach.

4/19/2007

Six Bad Things, Charlie Huston

Endlich die Fortsetzung von "Der Prügelknabe". Die Leiden des (nicht mehr ganz so jungen) Hank kehren zurück und auch dieser Roman sprengt meine Vorstellung von dem, wie unterhaltsam ein Buch sein kann. Das schöne deutsche Wort "Krimi" passt wie so oft gar nicht. Jenseits aller politischen Korrektheit wird hier Gewalt von allen Seiten ausgeübt... Mr Huston bestätigt, aktualisiert und potenziert alles, was unter Neo-Noir zusammengefasst werden kann.

Hank ist gezeichnet. Wunden, alt und neu, plagen ihn und zusammen mit garstigen Tätowierungen geben sie ihm die Gewissheit einer furchtbaren Vergangenheit. Hank wird geworfen, angeschossen, angefahren, verprügelt, getreten, gebissen, und vor allem: benutzt. Die Gier der anderen ist verlässlicher als der Sonnenaufgang.

"Too late, he realizes what is happening and grabs at my right arm... His mouth flies open and I shove the gun inside of it until I feel the tip of the barrel hit the back of his throat and he starts to gag on it..."

Endlich geht Moral durchs Fleisch. Es ist ein bisschen wie Porno. Manche Stellen liest man doppelt um das Panorama aufzusaugen. Es ist eine beunruhigend beruhigende Welt, die Hank zwischen Yucatan und Vegas durchschreitet. Die Gesetze von Rache und Pflicht mögen hart wirken, geben aber auch eine luxuriöse Gewissheit von all dem, was für dumme Ereignisse anderen dummen Ereignissen folgen können.

Huston macht es dem Moralisten nicht leicht. Ein Typ wie Sid gibt der Geschichte mehr Tiefe, denn wo wären die modernen Mörder ohne ihre Fanboys? Ja, die Sids der Welt sind die Zukunft.

Am Ende zahlt jeder irgendwie seine Rechnung, inklusive Hank selbst. Vielleicht hatte Cho Seung-Hui auch diese Hoffnung. Und deine Mutter hofft das ganz bestimmt.

Ich bin ein schlechter, schlechter Mensch und ich habe mich wunderbar amüsiert.

4/18/2007

Last Radio Show, Regie: Robert Altman

Wer hat denn den Titel verbrochen? Das englische Original lautet "A Prairie Home Companion", eben der Titel der letzten Radio Show. Man ersetzt Fremdsprache mit Fremdsprache, ja? Aber na gut.

Altman kenne ich zuvorderst vom grandiosen Short Cuts, ein Episodenfilm der m. E. sowas wie Magnolia und L.A. Crash erst ermöglicht hat. Von eben jenem Vorgänger kennt man nicht nur einige Darsteller sondern auch die Erzähltechnik. Aber die allein macht ja eigentlich noch keinen guten Film.

Aber Last Radio Show ist gut. Die Menschen sind allesamt einprägsam, darunter der zunächst etwas seltsame Garrison Keillor, der die Original Show einst leitete. Eine Radio-Person: mit so einem Charisma kann man keinen Bildschirm erobern. Das Genre, dessen Untergang der Film beschreibt, ist gänzlich uneuropäisch: Cowpoker- und Gospel-Unterhaltung, garniert mit Witzchen. Und alle beteiligten fügen sich dem Gesamtbild: Kevin Kline ist der Schlawenzelschnauzbart vom Dienst; Harrelson, Streep, und alle anderen beweisen ihre Übermächtigkeit, inklusive divine intervention. Die Achse des Guten. Und Lindsay Lohan nervt keineswegs.

Die handgemachten Werbejingles, so nichtig sie auch sind, kleben im Ohr fest und fügen sich in die leise Aufrichtigkeit des Gesamtwerks. Seltsam.

Zusammen mit Altmans Ableben entwickelt der Film eine eigentümlich leise Authenzität. Die Show muss weitergehen und so, oder eben nicht. F. Scott Fitzgerald hat ja auch so romantische leichte Dinge beschrieben und damit Wichtiges und Wahres erschaffen, genau wie dieser alte Mann.

Mehr Altman, mehr Fitzgerald, bitte.

4/15/2007

300, Regie: Zack Snyder

Und so scheiden sich die Geister. Schönes neues Digital-Kino! Das haben wir jetzt davon, mit Dank an die Herren Wachowski.

300 ist eine rücksichtslose Comic-Verfilmung und bleibt Frank Millers Original wunderbar treu. Das heisst aber auch, dass Menschen, die sich nicht auf Comics einlassen wollen, dieses Werk nicht geniessen können. Und auch wenn man den ersten Batman sah (die Burton-Version zehrte von Millers grandioser Wiederbelebung des Bruce W.) und Sin City OK fand (Millers wahres Magnus Opum), dann muss man nicht unbedingt 300 abfeiern. Snyder hat enormen Mut bewiesen, die Ästhetik und die Konsumnatur des Comics im Allgemeinen sowie die finster-erdige Dramatik von 300 (ein Stoff aus den verfluchten 80ern, pfuäh) im Besonderen so gut es geht nachzubilden.

Genauer: vor 5684 Jahren hatte ich einige Figuren der Masters of the Universe - die waren so sonderbar proportioniert wie die eng gebauten Sukkubusse der Barbie-Welt. Bei 300 war He-Man auch ein massgeblicher Einfluss und das könnte verstörend wirken. So viel geschwellte Heldenbrüste hats in Vietnam nicht gegeben, doch Comics jenseits des Cartoons sind seit je her voll davon. Was für Kinder gut ist, kann doch für Erwachsene nicht schlecht sein, nichwa Muddi?

Erfrischende Dümpfe und bestechende Plumpheit. Kommt schon, liebe Feuilletonista: erzählt mir was vom Irak. Klar, die Perser, jaja. Sicher, Sparta und die weichen Toga-Griechen. Nennt Begriffe wie Neurose und Faschismus. Die schwule Bedrohung, ganz bestimmt. Kann man hier alles finden, aber Frank Miller hat danach nie gesucht und Snyder hats nicht beigefügt.

Boys will be boys, hu? In Zukunft mehr denn je. Fragt sich, wie eine Kultur, in der das Tragen von Speeren verboten ist, das aushalten soll. Einer der Wachowskis hat schon Konsequenzen gezogen.

The 25th Hour, David Benioff

Damals gekauft und doch Spike Lee's Version geschaut. Diese hat mir ganz gut gefallen. Ein Werbefilm für den Original-Roman war sie allerdings nicht. Sehr nervig war der damalige 9/11-Bohei um das Produkt.

Ja gut, die Geschichte spielt in NYC, doch steht m. E. die Verwurzelung des Einzelnen im urbanen Labyrinth im Vordergrund. Es mag ein abgewetzter Terminus sein, doch letztlich geht es um die dort zwangsläufig gewachsenen Männerfreundschaften, jawohl. Benioff ist ein ehrlicher Autor - er schreibt geradeheraus und bleibt souverän unter 300 Seiten. Der Plot wird nicht krankhaft auf Krimi umgelegt, obwohl er könnte. Ein stolzes kleines Buch.

Ein Schelm, wer da Läuterung und Moralismus unterstellt.

Und: Ed Norton passt irgendwie so gar nicht auf den Monty des Buches, Bärtchen hin oder her; die vorletzte Szene wirkt in dieser Hinsicht mit ihrer Fight-Club-Remineszenz geradezu albern. Andere Rollen standen ihm da bisher besser.

4/12/2007

Endlich Sicherheit!

Hurra, meine Fingerabdrücke kommen auch in den Pass. Auf wieviele ASCII-Seiten kann man die dann wohl runterbrechen? Dann kann ich mich immer googlen, über mein WAP-Handy, damit ich nicht verloren gehe. Und wenn mein Antlitz erstmal als jpeg verewigt wurde, kann man es sicher viel besser auf myspace hochladen. Ei wie fein. Der wöchentliche Munitionskauf geht dann sicher viel schneller.

Ich war schon immer ein wenig bestürzt, dass der Pass sonst für so wenige Dinge gut ist. Koksspuren hacken war eine der wenigen Aufgaben, die man damit gut erledigen konnte. Oder alte Schlösser öffnen, wenn denn mal alle Kreditkarten schon durchgebrochen sind.

Ich fühle mich schon viel sicherer, danke. Meine alten Pass verkaufe ich am besten flux an den netten Herrn mit Schnauzbart und Akzent, der kann den ja erstmal aufbrauchen.

4/11/2007

Restless, William Boyd

"Lies mal was normales" haben sie gesagt. "Tu Dir nicht immer solch Randgruppenkram rein" haben sie gesagt. Ich möge mich mit einen aktuellen Standard-U-Buch unterhalten, baten sie.

Na gut. Allerdings habe ich jetzt drei Tage Buchzeit in den Sand gesetzt. Boyd's Roman ist dabei frisch und durchaus unterhaltsam, soistdasjanunich. Aber man hat das Gefühl, dass man sich nicht nach vorne liest, sondern zur Seite.

Es geht um Agentenjagd in den 40ern und den 70ern und die Hauptpersonen sind Mutter und Tochter. Das war eine nette Abwechslung. Es endet gut. Es beinhaltet ein paar Lektionen vom History Channel, von wegen Kriegseintritt der USA und so. Sogar die gute alte RAF kommt vor.

Aber das war's auch schon mit dem Buch und meinen Notizen. Weiter geht's.

Promotion vom frischen NIN Album

Ich wusste nicht, wie gediegen man die Veröffentlichung von "Year Zero" bisher zelebrierte. Auf einem entsprechenden Wiki-Portal kann das ganze verfolgt werden. Ja klar, es ist nur Pop für Geld, aber der Creative Director (im Zweifelsfall Mr. Reznor selbst) hat eine m. E. beachtliche Leistung vollbracht. Bei ominösen Seiten wie dieser verschwimmen die Grenzen von Fan und Produkt.

Seht es ein, ihr Zweifler: Paranoia ist nicht mehr Avantgarde sondern hat die Stadion-Unterhaltung erreicht.

Der ganze Aufwand wird sich allerdings nur auszahlen, weil NIN bereits eine so harte Marke geworden ist. Dem Nachwuchs bleibt so ein Mittel nicht. Oder doch? Und man nenne jetzt nicht das verfickte myspace.com. Wenn "Year Zero" rauskommt und saugt, bin ich traurig.

Wem das gefällt, dem sei mit Nachdruck DeLillo's White Noise empfohlen, zur Not auch auf Deutsch.

Und mit diesem Post habe ich dem Markt wieder ein wenig in die gierigen Hände gespielt. Tick, tack, meine Damen und Herren: tick, tack.

4/10/2007

John Henry Days, Colson Whitehead

Man muss zugeben, dass John Henry ein prima Mythos ist. Ein schwarzer Übermensch, der sich nur mit einem Hammer einem ganzen Berg stellte und der lediglich von der wogendenen, entmenschlichenden Industrialisierung besiegt werden kann. Eine bezeichnende Episode in der Erschliessung des Westens. Auch eine perfekte Tragödie, zuckersüss und rhetorisch vielseitig einsetzbar.

DC hat ihm gar einen Platz im Superman-Dunstkreis gesichert.

Whiteheads Roman baut John Henry nicht auseinander. Er macht sich über ihn und die Leute die auf vielerlei Art an ihn glauben auch nicht lustig. Trotzdem befällt den Leser Trauer, denn wenn einem Mythos soviel Verwurstung widerfährt, dann bleibt am Ende freilich keine vielfach benötigte Authenzität übrig. Für manche ist John Henry ein Idol, für manche eine Last in Form der väterlichen Devotionaliensammlung - für die nächsten ist John Henry ein Job, und für wieder andere mehr als das.

Beeindruckend ist die schmerzhafte Schilderung der Welt der PR-Menschen, der Lohnschreiber und Zeilenfüller der aktuellen Presse. Die Schnittchen-Clique hängt am Pool ab und schreibt Geschichte in winzig kleinen Fetzchen, wobei ihnen die Galle bis zum Hals steht.

Gutes Buch. Mit Geduld zu lesen.