6/12/2008

Der Spielzeugsammler, James Gunn

Beworben wird der Roman freilich mit Stichwort *Salinger*, doch *Bukowski* ist die viel bessere Referenz. Klar geht es um Kinder und andere unerwachsene Menschen doch hier wird nicht phony durch die Gegend palavert sondern tüchtig gesoffen.

Spielzeug ist hierbei Mittel der Vergangenheitsbewältigung. Die durch Flashbacks illustrierte Kindheit des Protagonisten war durchaus furchtbar und somit scheitert er als Erwachsener. Es scheint, als würden die handlichen Sammlerstücke die Krücken sein, die Erinnerung daran stützen und gleichzeitig die Tagesroutinen erträglich machen.

Frauen verstehen das natürlich nicht. Nichts scheint beruhigender als die Plastikarme(e) des U-Franchise. Hinzu kommt die Präferenz des Erzählers für Roboter jedweden Ursprungs, da er sie freilich um ihre Emotionslosigkeit beneidet.

Unprätentiös geht Gunn zu Werke. Der Roman mag kurz und schmutzig sein, doch vor allem ist er sehr komisch und findet eine Nähe zu Irvine Welsh oder eben Bukowki. Kaum etwas ist wahrer als Blut oder Kotze.

James Gunn ist der Bruder von Sean, der in Stars Hollow den Ultra-Nerd gibt, und hat vor einiger Zeit die eventuell interessante Horrorkomödie Slither gemacht.

6/11/2008

Hyperion, Dan Simmons

Simmons hat mit diesem 1989er SciFi-Roman sehr viele Preise gewonnen. Zu Recht ist das Werk Teil einer Reihe von Gollancz, in der Klassiker des Genres neu aufgelegt wurden (und alle Cover sind mondän, wie Bears Blood Music und Morgans Carbon). Simmons ersonnene ferne Zukunft: die olle Erde ist kaputt, es gibt aber eine neue und ein komplexes Gewebe aus Welten und Kolonien erfüllt das Universum. CEOs regieren das Ganze und sowohl Baumschiffe als auch Phasentore verbinden die Systeme.

Die Geschichte selbst erinnert arg an die Canterbury Tales oder sonst ein Episodenwerk, welches ein großes Ganzes mehrperspektivisch ergründet. Eine Handvoll Protagonisten findet sich zusammen, um das Geheimnis der time tombs auf Hyperion zu ergründen. Und die Reisezeit (oder Zeitreise) nach Hyperion vertreibt man sich halt man besten mit diversen Schwänken aus der Jugend.

Und Grendel gibt es auch: hier heißt das Ding Shrike und meuchelt teils per Zeitbeugung.

Jede Teilgeschichte ist anders und originell. Simmons emuliert teils auch andere Genrekonventionen, wie zum Beispiel die Detektivgeschichte (nur geht es da dann um Cybrids, AIs und Persönlichkeits-Uploads).

Das Sequel kommt auf die ToDo-List.

Brügge sehen… und sterben?, Martin McDonagh

Man kennt ja diese ölig-harten Krimidialoge, die als Mischung von Chuzpe, Selbstdarstellung und Zynismus als Gottesdienste am goldenen Kalb der Coolness verstanden werden können.

Die gibts hier auch.

Aber es gibt noch viel mehr: die Geschichte marschiert markant voran und es wird wider Erwarten recht wenig geschossen. Vor allem ist Brügge wahrlich die un-noir-ste Stadt der Welt, die aber dennoch zum stimmungsvollen Schauplatz genickbrechender Muster aus Schuld und Sühne wird.

Brügge ist nicht Miami und Herr Farrell ist sowas von nicht Sonny Crockett in diesem Film. Seine Leistung ist hier großartig und trägt maßgeblich zum Konsumvergnügen bei. Aber insgesamt haben alle Beteiligten hier einen sehr, sehr finster-famosen Film geschaffen.

6/04/2008

Funny Games U.S., Michael Haneke

Dieser Film ist kein Slasher. Anstatt die (nerdige, perverse, abgestumpfte) Schaulust zu bedienen (was ja auch Spass machen kann) rückt der Film selbiges Phänomen in die Mitte.

Natürlich endet das Ganze böse und der Konsument sitzt im Sessel, schaut in die betont clockworkesquen Äuglein des Michael Pitt und fragt sich, warum er für so viel Verstörung am Feierabend auch noch Geld ausgegeben hat. Allerdings ist das Medium Film eben mehr als nur Indy 4 und nach (beglückendem) Konsum selbigem kann man sich solch ein brachiales (aber doch an-intellektualisiertes) Ding wie Funny Games U.S. ruhig mal antun.

Ach, die Musik. Die anti-idyllischen Krachereien sind von einem John Zorn bzw. der Band Naked City. Gerüchten zufolge wird hier Metal durch Metal parodiert. Den Oscar für den besten Score wird das nicht erhalten, aber stimmig ist diese Lautmalerei allerdings. Hier der Abspann:



Und wenn wir schon mal dabei sind. Diesbezüglich und vor allem wegen der Idee der Provokation ohne wirkliche Agenda sei hier auf den Ohrenschmaus "Stress" von Justice verwiesen, der es mittlerweile sogar bis auf 3sat geschafft hat und sowieso alle möglichen Menschen achsoschockiert. Metal ist das nicht, aber trotzdem total evil.

Die Invasion der Randale-Knaben ist weder bei Haneke noch bei Justice etwas für die, die nur hinter der Nebelmaschine Gin Tonics trinken und stundenlang an der Wand lehnen. Dort nicht, hier nicht, nirgendwo. Das hat hier alles irgendwie mit Medienmündigkeit zu tun. Aber wer darüber reden will, der hat schon verloren, bei Funny Games wie auch beim Track namens Stress. Los, jetzt, TANZEN! KOKSEN! KOTZEN! DRUFF, DRUFF, DRUFF (?)!



Ist eben alles nur ein lustiges Spiel.

Underworld: Evolution, Len Wiseman

Vampirwochen bei McKonsum. Nachdem jüngst zwei Blades zerkaut wurden muss nun auch das Sequel vom Werwolf-Blutsaug-Beziehungsdrama Underworld den Graben durchwandern.

Underworld Numero Uno war so erfolgreich, dass Wiseman die Kuh auf dem Eis lassen musste. Den dritten Stirb Langsam durfte er auch gleich machen und das Underworld Prequel soll in Planung sein. Zähne, Zähne, Zähne.

Euphorie ist aber anders. Diese ganze Fleischjagd, -werferei und -beschauung wirkt auch im graublauen Osteuropa nicht wirklich originell. Schön ist die Befreiung des Werwolfs aus dem Schlagschatten eines Teen Wolfs der 1980er. Wie bei den Blades geht es freilich um genetische Manipulation, unheilige Mutanten und letztlich kybernetisches/evolutionäres Grauen. So traditionsreiche Monster wie Vampire und Werwölfe brauchen freilich ein entsprechendes Update.

Das reicht jetzt aber erstmal.

Und es muss noch erwähnt werden, dass Underworld auch der Titel eines epochalen und großartigen Romans von Delillo ist. Der hat dann aber auch wirklich gar nichts mit dem Film hier zu tun.

6/02/2008

The Terminator, James Cameron

1984 ist eine markante Zahl. Da kam nämlich dieser Film ins Kino, der den jungen Gouverneur mit automatischen Waffen in einer Diskothek (und in 1980ern waren Diskotheken ja eh viel erschreckender als heute) zeigt. Unter der Leuchtschrift "Tech Noir" rotzt er Blei in die Umgebung.

Damals in den 1990ern war dieser Film im TV die erste Sichtung von Totenschädeln unter Panzerketten. Der Gedanke, dass dieses Bild in einer Geschichte die Zukunft darstellt, hat die Gespräche auf dem Schulhof und das anschließende Konsumverhalten nachträglich formiert.

Drollig ist aus heutiger Sicht die Tricktechnik, aber nur objektiv. Brauenlose Plastikpuppen sind als solche erkenntlich aber nicht weniger subjektiv gruselig. Vermutlich aber auf andere Art und Weise.

Rant, Chuck Palahniuk

Viel wurde erwartet, Begeisterung stellte sich ein.

Mit Rant begibt sich Palahniuk in wiederum andere Gefilde als in den Büchern davor, hier ist er P. K. Dick und Ballard so nah wie nie.

In der Mitte steht Buster Casey, aber er kommt nie zu Wort: die Erzählung ordnet sich in kurze Augenzeugenberichte, gesammelt nach dem Dahinscheiden des Protagonisten. Feinde, Freunde und Familie schildern in (zunächst scheinbar) wahlloser Folge ihre Begegnungen und Erlebnisse mit Casey und seinen Umtrieben. Als Rant wurde er bekannt, als er sich aus der White-Trash-Hölle erhob und als geistig/physikalische Epidemie und Superinfektion zu Ruhm und Narben kam.

In der Mitte steht mit Buster nicht weniger als die Tollwut. Sie verbreitet sich durchs Beißen und eben auch durchs Küssen.

Was bleibt nach Zorn? Anstelle einer Spoiler-Warnung wird die enorm überraschende zweite Hälfte des Buches hier nicht weiter erwähnt. Rant ist was besonderes. Er ergötzt sich an road kill, dem Umgang mit Zähnen aller Art und kaut dazu Asphalt. Und er ist vielleicht noch viel mehr.

Das schöne an diesem Buch ist, dass es den Leser abholt, ihn an einen furchtbaren Ort in der nahen Zukunft bringt und dann diese spukhaft beleuchtete Finsternis noch einmal um 100% furchtbarer macht. Palahniuk steigt quasi hinter die Begrifflichkeit der urban legends und postuliert atemberaubend abwegige Thesen, die auf gemeine Weise Sinn machen.

Der Rest ist Legende. Oder doch nicht? Irgendetwas juckt doch immer. Hauptsache, der Mops trinkt nicht aus dem Klo. Was soll(-te) bloß aus diesem Jungen werden?

Kann man da was machen, Herr Doktor?

Rant ist ein Buch wie kaum ein anderes, und hoffentlich kann Snuff (es soll zentral um das Konzept des Gang Bangs in Theorie und Praxis gehen) dieses Niveau (ob hoch oder derb oder niedrig oder furchtbar bleibt auszudiskutieren) halten. Die Website des Autoren ist immer einen Klick wert. Hier geht es auch weiter zum Teaser der fertiggestellten Verfilmung von Choke.

5/28/2008

Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels, Steven Spielberg

Erstmal SPOILER-WARNUNG, juhu, achtungachtung. Aber wer das Ding bisher nicht gesehen hat, dem ist eh nicht mehr zu helfen beziehungsweise dem ist das eh egal. So. Erledigt.

Dr. Jones passt wunderbar auf die Papp-Elemente eines Maxi Menüs und kann auch als Actionfigur für einen guten Jahresabschluss sorgen. Wie kann man nun ein derart spätes Sequel verantworten? Mit dem Spaß aller Beteiligten, inklusive dem Endverbraucher.

Keiner der Beteiligten hatte den vierten Teil wirklich nötig, im Gegenteil: alle riskierten ihren Ruf als Unterhalter. (Aber nur Mr. Lucas wollte vielleicht einfach mal wieder zur Kenntnis genommen werden: sein letzter Film, der nicht in ein Trilliarden-Dollar-Franchise eingebettet war, hieß Radioland Murders von 1994 (!). Nie davon gehört? Ja, so schlimm. Geh doch sternenkriegen, Junge.)

Sehr schön: Dr. Jones rät den Studenten, als gute Archäologen die Bibliothek zu verlassen, nachdem er selbige auf dem Sozius eines Motorrads durchquerte. Der Herr war ja schon immer eine perfekte Symbiose aus Geek und Cowboy, mit einer extrovertierten Peitsche und einem symbolisch eindeutigen Hut.

Auch schön: Der Indy der nächsten Generation ist dem Rock'n'Roll verpflichtet, dargestellt in Cinemascope mit dem Vorschlaghammer (Happy Days 2.0, American Graffiti deluxe). Die Sorge um die Tolle macht freilich keinen Sinn, wenn man einen Hut tragen soll, doch es zählt ja letztlich die Einstellung, nicht die Requisite.

Nicht minder schön: die gewohnte Oberflächlichkeit wird nicht durch weitergehende erzählerische Tiefe gestört. Auftrag, Reise, Schweiß, Effekte, Fanfaren, Ende. Zunächst war man ein wenig unsicher, wie das denn gehen soll mit Indy und den Aliens. Doch die genremäßige Nähe der beiden Konzepte ist recht fix klar. Wo könnte die Lade aus Teil eins sonst lagern, wenn nicht in der Area 51?

Ein schöner Film. Echt schön. Von einer Familie über eine Familie für alle Familien dieser Welt, die auch mal was als Familie machen wollen ohne selbige aufs Spiel zu setzen. Wie gesagt, schön. Und wenn jeder ein Maxi Menü bekommt, dann muss Muddi nicht in die Küche.

W., Oliver Stone

Es klingt logisch in der Theorie, doch es ist auch ein wenig gruselig. Herrn Stone ist auf jeden Fall keine Behäbigkeit vorzuwerfen:

Josh Brolin wird den 43. Präsidenten der USA fürs Kino verkörpern. Das Ergebnis soll 2009 zu verdauen sein.

Hier bei IMDb, hier bei wiki. Das Bild zeigt Josh als George. Es stammt von Entertainment Weekly.

5/26/2008

Blade: Trinity, David S. Goyer

Höher, schneller, weiter prügelt man sich hier. Die Prämisse des Action-Sequels wurde erfüllt. Die großzügigeren Außenaufnahmen und das Auftreten eines zentralen Antagonisten (freilich der olle Dracula) lassen den dritten Blade wuchtiger und teurer wirken (was er auch war). Für Verwunderung sorgt die fehlende Jugendfreigabe des Werks: wenn Teil zwei ab 18 war, dann sollte diese Familienunterhaltung (gesehen wurde die extended version) auch ab 16 ok sein.

Neu ist auch der Humor: das Reaper-Element wird als überholt abgehakt und lächerliche Hündchen fahren die Mandibeln aus. Oder: Blade steht seinen neuen Robins gegenüber (darunter Patton Oswalt aus King of Queens bzw. Ryan Reynolds aus Two Guys and a Girl) und fragt sie, ob sie das alles für eine Sitcom halten. Doch, im durchtelevisionierten Konsumgraben ist das witzig.

Mit Bestürzung muss bezüglich Humor und Gewaltfrage der entsprechende Eintrag auf der wiki-Seite zur Kenntnis genommen werden: "Ein zentrales komisches Element sind die dummen Sprüche, Witze und Beleidigungen, die Hannibal King [Reynolds] den gesamten Film über von sich gibt. Diese sind teils so drastisch, dass sie Jugendschützern eher als Argument für eine hohe Altersbeschränkung dienten, als die explizite Gewaltdarstellung." Das ist ja furchtbar! Da könnte man ja gleich Braindead indizieren... äh... ja. Ähem.

5/25/2008

Blade 2, Guillermo del Toro

Blade war als Comic-Figur eine eher unscheinbare Mischung aus Shaft und Dracula in den Siebzigern. Wer hätte gedacht, dass man mit ihm noch einmal ein paar ordentliche Spätvorstellungs-Blockbuster fabrizieren konnte? Der erste Teil hat enormen Spass gemacht, da er ironiefrei und rücksichtslos (somit also wie das Comic selbst) ganz auf Style setzte und das Ding dann auch noch funktionierte. Das Sprinkler-Blut in der Disko ist und bleibt unvergessen. Teil 2 macht ebenso Spass und wieder sitzt die Sonnenbrille wie festgenietet im grimmigen Gesicht. Markentreu wird hier umhergebolzt.

Dass getötete Untote in Flammen und Asche aufgehen ist sehr praktisch und folgt einer Computerspielästhetik: hier muss ganz zweckrational jede nicht mehr relevante Gegnerfigur das Feld verlassen, sonst müllt ja die Spielwelt zu. Inhaltlich geht es um die hyper-vampifizierten Reaper, die jenseits aller kieferorthopädischen Grundlagen ihren gewaltigen Schlund gegen die verschreckten Standard-Vampire richten. Leicht zombiesk formiert sich eine kahlköpfige Armee, die rasend schnell ihren nächsten oralen Input braucht. Echte ent-individualisierte Anarchisten, die die aristokratisch geprägte Weltordnung der Vampirnation bedrohen. Bei echtem Hunger ist Besteck eh irrelevant, wo Onkel Dracula umherverführte, da vergewaltigen die Reaper eher wüst durch die Gegend.

Wie ging es weiter? Hellboy hatte man del Toro nach solch einem Werk zugetraut, Pans Labyrinth allerdings nicht. Mit der unterirdischen Qualität der TV-Serie hat sich das Blade-Franchise selbst aber wohl zu Grabe getragen - für immer.

Bei wiki steht: "Die Reaper haben grünes Blut, hauptsächlich, um die Altersfreigabe des Films niedrig zu halten." Ein Geständnis: Das ist beim Konsum gar nicht aufgefallen, denn es gab genug andere Akteure, die rot umherbluteten und die Explosionen waren schon recht hübsch. Das Alter, das Alter.

Somit wurden die Hausaufgaben gemacht. Der dritte und letzte Teil der Reihe harrt des Erstkonsums.

American Gods, Neil Gaiman

Gaimans Comic-Epos Sandman wurde dem Graben bisher nicht zugeführt, da es entsprechend seines Umfangs arg teuer ist. Mit der Akquise des Romans American Gods wurde Gaiman die Chance gegeben, sich als Ablenker zu beweisen - diese hat er genutzt und das Rest-Werk inklusive Sandman kommt demnächst auf den Wunschzettel.

Gaiman ist Brite, wohnt in Minnesota und unterstellt dem Land der Freien eine durchaus existente Götterwelt: ein umtriebiger Pantheon, der mit den Amerikanern über das Meer kam oder schon da war, betrickst und belauert einander. Die neuen Götter machen Probleme: die des Internets, des Autos, der Fettsucht und des Kinos. Auf diesem Jahrmarkt der Göttlichkeiten wird der Sterbliche namens Shadow manipuliert und benutzt, und zwar von einem einäugigen Paten mit Rabenconnection (*zwinkerzwinker*). So durchquert Shadow mehrfach das Land auf heiliger Mission. Dabei begegnen ihm die USA in all ihrer Kleinigkeit und Weite: Mietwagen, Motels, Bars und spirituelle Entitäten pflastern seinen Weg.

American Gods ist ein Buch zum schnellen Lesen, die Reise des nicht-WASP-Protagonisten wird mit Staunen begleitet. Gaiman beweist eine enorme Phantasie und gleichzeitig eine taktvolle Aufgeräumtheit, die über weite Strecken auch einige Kübel Humor zulässt.

Ein wenig zäh liest sich das letzte Viertel des Buches, da das Reisen und Taktieren dann für einige Traumsequenzen und Apokalypsen beendet wird. Die Symbolkraft der Szenen beeindruckt weiterhin, doch alles wird ein wenig wagneresk überladen. Aufteufelkommraus, quasi. Konsumiert wurde hier allerdings auch die erweiterte Version, eine Neuauflage inklusive aufschlussreichem Nachwort des Autors. Vielleicht verzichtet die ursprünglich erschiene kürzere Version auf diese behäbigen Sequenzen.

Also wer schreibt jetzt das Drehbuch?

5/23/2008

REC, Jaume Balagueró & Paco Plaza

Das Genre des Schocker-Horror-Films wurde durch Blair Witch Project mit neuem, unheiligem Leben erfüllt und führte dann zu Cloverfield und eben REC. Und man mag sich wundern, warum diese einfache Idee der kinematographischen De-Professionalisierung so sehr zum Filmgenuss beiträgt, doch zu derlei Reflektionen hat man bei solchen Filmen dann doch keine Zeit.

Der Ton des Films ist enorm. Die abgebildete Dame ist zum Beispiel musikalisch: in Verbindung mit einem Vorschlaghammer produziert ihr Gesicht ein entrückend frisches Geräusch jenseits von einem plumpen BONK oder PFUÄTT. Eine infizierte Grundschülerin (der wohl deutlichste Verweis auf Night of the Living Dead) stimmt ein unglaublich Geschrei (Gefiepe? Gehechel?) an, bevor sie die Grenzen ihrer Milchzähne auslotet.

Die erste Hälfte des Films ist ein wenig leise verstörend, da man hier im Graben Filme aus Spanien eher selten vor die Flinte bekommt. Es fällt durchaus auf, wenn man sieht, dass dort keine Englische sondern eine andere Sprache übersprochen wurde. Die größtenteils als Karikaturen und üble Klischees angelegten Rollen sind fix vergessen wenn das Gerenne anfängt und die Akteure dezimiert werden. Im Finale, wenn eine zeitlich/örtlich größere Über-Erzählung das klaustrophobische Kammerspiel auf eine neue grauenhafte Ebene hievt, ist all das vergessen.

Es kommt selten vor, aber der Konsum dieses Films ging im Kino nicht ohne spontane akustische Ausdrücke vonstatten. Veranschaulichen kann dieses Verhaltens dieser Trailer des Films, der die Publikumsreaktionen per Nachtsichtkamera zeigt. Durchaus eine treffliche Visitenkarte für dieses schöne, stimmige, böse Werk.

5/20/2008

Story of the Eye, Georges Bataille

Das Textlein kann man nun freilich geistvoll betrachten und mit Blick auf Barthes und Sontag, deren Namen als Kaufargumente auf der Rückseite prangen, seine historische Relevanz unterstreichen. Verknüpfungen zu Surrealismus und galoppierender Moderne können gemacht werden. Man kann de Sade nennen und die heutzutage durchaus krisensichere Pornoindustrie und Story of the Eye da dann einreihen.

Man kann aber auch laut "Buäh" schreien und sich mit was anderem den Müßiggang verhunzen.

Inhaltlich gesehen gibt es eine klare Direktive: ein junges Paar ergeht sich in besudelnder Körperlichkeit und ergötzt sich am und im Schmutz. Eine verstörende Betonung erfährt dabei das Urinieren. Ja, die zwei holen das letzte aus sich raus.

Batailles Novella ist in seiner kühlen Rücksichtslosigkeit ungleich verstörender als Ketchums jüngst gesichtetes Massaker. Bei letzterem kann man ins ironisierte Genre-Denken flüchten: Bataille aber kann nicht ohne weiteres in die Schund-Ecke geschoben werden. Es wird durchaus gedacht bei all der Unzucht: das Auge wird zum einen mit Hühnern und zum anderen mit Stierhoden gleichgesetzt und in einzelnen Szenen könnte man unter Umständen philosophische Metaphern erkennen. Man darf aber genauso gut vermuten, dass Bataille ebendies provozieren möchte und den verzweifelt suchenden Intellekt des Lesers als Relikt des nicht-nihilisierten Bürgers zu enttarnen versucht. Ergötzen (s.o.). Götze. Aha. Da war doch was. Besser nicht dran denken.

Ein Schwertransport mit weniger als hundert Seiten.