Hausaufgaben! Denn man muss ja wissen, wo man steht wenn demnächst The Dark Knight herbeireitet und den Konsumenten zu Logen-Karten überredet.
Bezüglich des leicht populär-morbiden Unterklangs des angedachten Konsums von The Dark Knight wurde bereits diese Aushebung im Konsumgraben vorgenommen.
Bezüglich solcher Details wie Inhalt und Referenzen oder sonstigen Assoziationen siehe den hiesigen Konsumvermerk des Werkes vor etwa genau einem Jahr.
Diese Welt ist die beste der besten aller Welten, denn in einer schlechteren Welt wären sowohl Batman als auch der Silver Surfer vom gleichen Comic-Produzenten und man könnte sich nicht entscheiden, wer denn nun besser ist. Doch man kann zum Glück ungebremst sagen: Batman ist das beste, was DC je zustande brachte und der Surfer ist die Krone der Marvel-Schöpfungsgeschichte. Puh, so ein Glück.
8/12/2008
8/07/2008
Diary, Chuck Palahniuk
Ein Thriller in der zweiten Person Singular: Misty schreibt für ihren mysteriös-komatösen Ehemann ein Tagebuch. So kann sie ihn auch immer gleich beschimpfen, wenn ihr die Details seiner Umtriebe klar werden.Ein Wirtschaftskrimi mit verblüffenden Einblicken in die hässliche Fratze des Tourismus: auf Waytonsea Island sind die Neureichen eingefallen und die Ureinwohner knechten als Kellner und Kassierer. Misty soll sie alle retten, indem sie als berühmte Künstlerin für Reichtum und Wohlstand und die Vertreibung der Festländer sorgt.
Eine Re-Evaluierung bekannter Themen der Schauerliteratur: zugemauerte Räume sind zu finden, geheime Botschaften und die versteckte Wucht der Sippe und der Tradition. Misty, die pummelige Putzfrau, wird von einem Geist besessen, der alle interessiert und spuckt wie von Sinnen Kunst aus sich heraus. Diese Kunst ist aus Schmerz geboren, uh, auf jeden Fall.
Oder doch nicht? CP schrieb kaum stärker über das Schreiben selbst und besonders an der Idee des Tagebuchs lässt er einige knorrige Fragen bezüglich Authenzität und Wahrhaftigkeit im Raume stehen. Er ist in diesem Roman weniger plakativ als sonst und es steht ihm gut.
Und wieder tauchen Ramsch-Juwelen auf, wie auch in vielen anderen seiner Bücher. Was soll man davon halten? Vermutlich die Erkenntnis, dass auch Ramponiertes noch ordentlich funkeln kann. Danke.
8/06/2008
Kung Fu Panda, Mark Osborne & John Stevenson
Bunt, wie erwartet. Anhand der Tiersymboliken bleibt zu vermerken, dass man sich noch nicht von Disneys Kreaturenmanagment gelöst hat, wohl aber teilweisen Mut bewies: einer der Kung-Fu-Kämpfer ist ein Insekt. Bestürzend.
Der Panda passt gut als Held, denn als monochromes Tier fällt er freilich in der zuckrig-rund-prächtigen Pixelwelt auf.
Nochmal Disney: NASHÖRNER IN UNIFORM!! Die bewachen im Kettenhemd den Oberschurken. Da denkt man freilich gleich an Robin Hood zurück, als der Fuchs für die Füchsin den mähnenlosen Löwen bekämpfte und der dicke Bär mit dicker Stimme sprach. Wann kommt endlich mal ein Nashorn als alleiniger Oberheld? Sind Nashörner militaristische Rudelschläger? In der Savanne sieht das doch eigentlich ganz anders aus.
Los, und jetzt gehen wir alle "panda sneeze" bei Youtube suchen.
Der Panda passt gut als Held, denn als monochromes Tier fällt er freilich in der zuckrig-rund-prächtigen Pixelwelt auf.
Nochmal Disney: NASHÖRNER IN UNIFORM!! Die bewachen im Kettenhemd den Oberschurken. Da denkt man freilich gleich an Robin Hood zurück, als der Fuchs für die Füchsin den mähnenlosen Löwen bekämpfte und der dicke Bär mit dicker Stimme sprach. Wann kommt endlich mal ein Nashorn als alleiniger Oberheld? Sind Nashörner militaristische Rudelschläger? In der Savanne sieht das doch eigentlich ganz anders aus.
Los, und jetzt gehen wir alle "panda sneeze" bei Youtube suchen.
The Sluts, Dennis Cooper
Derb? Verstörend? Noch mehr beklemmende Brutalität?
Ja, schon, aber noch mehr ist zu vermerken: The Sluts kommt ohne Autoren aus - er besteht "nur" aus den Beiträgen der Nutzer einer Internetseite. Jene Seite hat den Zweck, (männliche) Prostituierte zu bewerten und sich in Foren über die Qualitäten der Dienstleister auszutauschen beziehungsweise neue Geschäftsverbindungen zu knüpfen.
Ah, Subkulturtourismus, mag man denken. Doch weit gefehlt: schnell wird über die Beiträge der Nutzer eine Geschichte erzählt, und zwar die vom grazil-debilen Brad und Brian, dem Monster. Ersterer ist das minderjährige Opfer von letzterem ultra-brutalen Zuhälter. Doch so einfach sind die Dinge nicht, denn hier schreibt nicht Dennis Cooper sondern Dutzende von Zivilisten bauen kollektiv an einem großen Geschichten-Gebilde. Dieser Pulk ist auch in unklare Fehden verstrickt und teils werden Identitäten getürkt und angezweifelt. So kann sich Cooper inhaltlich einiges trauen. Einer der Schreiber beschreibt in ernüchternder Klarheit die Macht, die seine HIV-Infektion ihm gibt: anstatt das Leben in Frauen zu pflanzen kann er den Tod in Männer pflanzen. Und das mag er. Er hat einen demographischen Effekt und fühlt sich dadurch super. Meint er das ernst? Stimmt der Name unter diesem posting? Und will er Brad später wirklich für ein finales Snuff-Video mieten?
Obacht, drollige Metapher: bei der Lektüre wiegen die virtuellen Stimmen im Chor hin und her wie eine Wiese voller Gestrüpp mit undurchsichtigem Bodenbewuchs. Mal glaubt man jenem, dann diesem Sprecher: wie bei handfester Kriminalliteratur bleibt die Konstruktion der vermuteten Wahrheit in ihrer Prozesshaftigkeit gefangen.
The Sluts zwingt den Leser, über die Definition und den Umfang von Prostitution nachzudenken, und das keinesfalls im preiswert-pornographischen Sinn. Was tun Menschen für wen? Welchen Sinn hat es für die Lügner auf der Internetseite, Unwahres zu verbreiten? Wollen sie nur Aufmerksamkeit? Ist das alles nur Lärm? Und wenn ja, warum verbreitet man den? Ist Dennis Cooper selbst hier Dienstleister oder Käufer und was ist dann der Leser? (Es gibt einige umgangssprachliche Verwendungen des Wortes "to fuck" um diese Machtrelationen zu umschreiben.) Ist die Lüge an sich eher Ausnahme oder Standard in der Welt hinter Monitoren?
Ein großes kleines Buch. Wer sich an infernalischen Beschreibungen nicht weiter stört und (mal wieder) Bret Easton Ellis' Werke schafft und mag, dem sei dieser kleine Kommentar zur schönen neuen Informationsgesellschaft arg ans Herzlein gelegt.
Hier gehts zur (echten?) www-Präsenz des Autoren.
Ja, schon, aber noch mehr ist zu vermerken: The Sluts kommt ohne Autoren aus - er besteht "nur" aus den Beiträgen der Nutzer einer Internetseite. Jene Seite hat den Zweck, (männliche) Prostituierte zu bewerten und sich in Foren über die Qualitäten der Dienstleister auszutauschen beziehungsweise neue Geschäftsverbindungen zu knüpfen.
Ah, Subkulturtourismus, mag man denken. Doch weit gefehlt: schnell wird über die Beiträge der Nutzer eine Geschichte erzählt, und zwar die vom grazil-debilen Brad und Brian, dem Monster. Ersterer ist das minderjährige Opfer von letzterem ultra-brutalen Zuhälter. Doch so einfach sind die Dinge nicht, denn hier schreibt nicht Dennis Cooper sondern Dutzende von Zivilisten bauen kollektiv an einem großen Geschichten-Gebilde. Dieser Pulk ist auch in unklare Fehden verstrickt und teils werden Identitäten getürkt und angezweifelt. So kann sich Cooper inhaltlich einiges trauen. Einer der Schreiber beschreibt in ernüchternder Klarheit die Macht, die seine HIV-Infektion ihm gibt: anstatt das Leben in Frauen zu pflanzen kann er den Tod in Männer pflanzen. Und das mag er. Er hat einen demographischen Effekt und fühlt sich dadurch super. Meint er das ernst? Stimmt der Name unter diesem posting? Und will er Brad später wirklich für ein finales Snuff-Video mieten?
Obacht, drollige Metapher: bei der Lektüre wiegen die virtuellen Stimmen im Chor hin und her wie eine Wiese voller Gestrüpp mit undurchsichtigem Bodenbewuchs. Mal glaubt man jenem, dann diesem Sprecher: wie bei handfester Kriminalliteratur bleibt die Konstruktion der vermuteten Wahrheit in ihrer Prozesshaftigkeit gefangen.
The Sluts zwingt den Leser, über die Definition und den Umfang von Prostitution nachzudenken, und das keinesfalls im preiswert-pornographischen Sinn. Was tun Menschen für wen? Welchen Sinn hat es für die Lügner auf der Internetseite, Unwahres zu verbreiten? Wollen sie nur Aufmerksamkeit? Ist das alles nur Lärm? Und wenn ja, warum verbreitet man den? Ist Dennis Cooper selbst hier Dienstleister oder Käufer und was ist dann der Leser? (Es gibt einige umgangssprachliche Verwendungen des Wortes "to fuck" um diese Machtrelationen zu umschreiben.) Ist die Lüge an sich eher Ausnahme oder Standard in der Welt hinter Monitoren?
Ein großes kleines Buch. Wer sich an infernalischen Beschreibungen nicht weiter stört und (mal wieder) Bret Easton Ellis' Werke schafft und mag, dem sei dieser kleine Kommentar zur schönen neuen Informationsgesellschaft arg ans Herzlein gelegt.
Hier gehts zur (echten?) www-Präsenz des Autoren.
8/04/2008
eXistenZ, David Cronenberg
Viel wurde erwartet und nun endlich vollzog sich der Konsum von Cronenbergs eXistenZ. Filme über Computerspiele sind meistens verstörend, da Regisseure natürlich neidisch sind auf das viele Geld, das Spieleentwickler verdienen. Aber soviel Missgunst will man Cronenberg freilich nicht unterstellen.
Die ästhetische Verbindung von Technik und Fleisch ist herrlich - ein wenig erinnert das ganze an die Kälte von Gigers Alien, aber nur ganz ein wenig. Der Einfall, eine Knochenpistole Zähne schießen zu lassen gehört gefeiert und gepriesen. Auch die Cyberdecks, die welpenhafte Hautknuddeligkeit simulieren sind gelungen, ebenso wie die Nabelschnüre. Cronenberg schafft aber keine coole Actionwelt. Er wagt es, unbequem zu sein und fast schon mit kalter (nicht cooler) Wut die dumpfe Technikbegeisterung zu attackieren. Er ist ein Konservativer: er bricht das Geschehen auf Leben und Tod herunter und ergeht sich darin.
Bitte, bitte, jemand soll Herrn Cronenberg mal ein riesiges Budget und ein Jährchen Zeit geben. Das Ergebnis wird bestimmt schauderlich-schön-klug. Alle Macht geht vom Fleische aus.
Die ästhetische Verbindung von Technik und Fleisch ist herrlich - ein wenig erinnert das ganze an die Kälte von Gigers Alien, aber nur ganz ein wenig. Der Einfall, eine Knochenpistole Zähne schießen zu lassen gehört gefeiert und gepriesen. Auch die Cyberdecks, die welpenhafte Hautknuddeligkeit simulieren sind gelungen, ebenso wie die Nabelschnüre. Cronenberg schafft aber keine coole Actionwelt. Er wagt es, unbequem zu sein und fast schon mit kalter (nicht cooler) Wut die dumpfe Technikbegeisterung zu attackieren. Er ist ein Konservativer: er bricht das Geschehen auf Leben und Tod herunter und ergeht sich darin.
Bitte, bitte, jemand soll Herrn Cronenberg mal ein riesiges Budget und ein Jährchen Zeit geben. Das Ergebnis wird bestimmt schauderlich-schön-klug. Alle Macht geht vom Fleische aus.
Kiss Me, Stupid, Billy Wilder
Das ist ein überraschend frivoler Film. Eigentlich will der notorisch eifersüchtige Protagonist nur den schmalzigen Dino (jawohl: Dean Martin) zum Kaufen seines Liedguts überreden. Doch dann kommt ein situationskomischer Schwank zu Stande, in dem Ehefrauen vorgetäuscht und vermietet werden und sich anrüchige Handelsstrukturen anbahnen.
Aber zum Schluss kommt freilich die moralische Wende, oder? Nein! Die drollig-dralle Ehefrau Zelda nimmt den Rollentausch mit der Prostituierten Polly notgedrungen an und äußert sich danach keineswegs als geschändetes Opfer. Sie sinniert quasi über Männer und Frauen im Allgemeinen. Skandal!
Beeindruckend auch Pistolen-Polly, dargestellt von Kim Novak. Sie ist keineswegs ein Opfer sondern hat den ökonomischen Wert ihres Körpers durchaus verstanden. Sie slackt allzu menschlich durch den Tag und trauert dem Nicht-Erreichen des klassischen Frauenbildes nicht hinterher. Im Trailer wohnt sie, mit einem Papagei - die Karikatur eines bodenständigen Heimchens mit Schürze und Muffins. Am Ende entkommt Polly, und Zelda kehrt wissend und ausgenüchtert zu ihrem Gatten zurück. Was für unzüchtige, sympathische Frauen.
Aber zum Schluss kommt freilich die moralische Wende, oder? Nein! Die drollig-dralle Ehefrau Zelda nimmt den Rollentausch mit der Prostituierten Polly notgedrungen an und äußert sich danach keineswegs als geschändetes Opfer. Sie sinniert quasi über Männer und Frauen im Allgemeinen. Skandal!
Beeindruckend auch Pistolen-Polly, dargestellt von Kim Novak. Sie ist keineswegs ein Opfer sondern hat den ökonomischen Wert ihres Körpers durchaus verstanden. Sie slackt allzu menschlich durch den Tag und trauert dem Nicht-Erreichen des klassischen Frauenbildes nicht hinterher. Im Trailer wohnt sie, mit einem Papagei - die Karikatur eines bodenständigen Heimchens mit Schürze und Muffins. Am Ende entkommt Polly, und Zelda kehrt wissend und ausgenüchtert zu ihrem Gatten zurück. Was für unzüchtige, sympathische Frauen.
The X-Files: I Want to Believe, Chris Carter
Da hat man keine Wahl.
Die X-Akten sind eine der prägendsten Serien der 1990er gewesen und stellten eine Mystery-Auffangstation für alle möglichen Gruselstrukturen dar. Schon allein die Folge mit dem Rolltreppenmörder beeindruckte die Schulhofgemeinschaft damals nachhaltig (und der winterschlafende Leberfresser wird auch noch gut erinnert). Mit Mulder und Scully hatte man ein äußerst praktisches Ermittler-Duo an der Hand: er der diplomierte Nerd, der sich durch eine Vorliebe für erhabene Antworten auf grausige Fragen zum Sonderling macht (trotzdem darf er eine Marke und eine Waffe haben) und sie der eisige Verstandesvollprofi. Ja, bei Dana Scully war immer ein wenig Echo von Clarice Starling zu vernehmen. Er durfte in die Psyche gehen und Geschichten erzählen, sie durfte den fleischlichen Thrill eiskalt medizinisch-faktisch beschleunigen. Dieses Konzept musste im weiteren Verlauf der Serie freilich aufgeweicht werden, zumal irgendwann auch ganz andere Schauspieler den Kahn übernahmen. Es gab zwei Arten von Folgen: zum einen jene, welche die Alien-Verschwörungs-Saga vorantrieben und zum anderen einmalige Schocker.
Achso, der Film. In diesem konkreten Produkt des X-Franchise wird die un-außerirdische Seite betont, es mordet jemand und seine splatterigen Gründe sind aufzudecken. Eine schöne Doppelfolge mit mehr Außenaufnahmen ist entstanden, aber das ist sehr in Ordnung. Es wäre schade, wenn dies der letzte Film der Reihe gewesen sein soll. Na los, Star Trek wird demnächst auch noch eine Chance gegeben.
Die allerletzte Einstellung ist trotz der karibischen Stimmung aber doch fast noch bewegender als das zuvor gesehene Drama.
Die X-Akten sind eine der prägendsten Serien der 1990er gewesen und stellten eine Mystery-Auffangstation für alle möglichen Gruselstrukturen dar. Schon allein die Folge mit dem Rolltreppenmörder beeindruckte die Schulhofgemeinschaft damals nachhaltig (und der winterschlafende Leberfresser wird auch noch gut erinnert). Mit Mulder und Scully hatte man ein äußerst praktisches Ermittler-Duo an der Hand: er der diplomierte Nerd, der sich durch eine Vorliebe für erhabene Antworten auf grausige Fragen zum Sonderling macht (trotzdem darf er eine Marke und eine Waffe haben) und sie der eisige Verstandesvollprofi. Ja, bei Dana Scully war immer ein wenig Echo von Clarice Starling zu vernehmen. Er durfte in die Psyche gehen und Geschichten erzählen, sie durfte den fleischlichen Thrill eiskalt medizinisch-faktisch beschleunigen. Dieses Konzept musste im weiteren Verlauf der Serie freilich aufgeweicht werden, zumal irgendwann auch ganz andere Schauspieler den Kahn übernahmen. Es gab zwei Arten von Folgen: zum einen jene, welche die Alien-Verschwörungs-Saga vorantrieben und zum anderen einmalige Schocker.
Achso, der Film. In diesem konkreten Produkt des X-Franchise wird die un-außerirdische Seite betont, es mordet jemand und seine splatterigen Gründe sind aufzudecken. Eine schöne Doppelfolge mit mehr Außenaufnahmen ist entstanden, aber das ist sehr in Ordnung. Es wäre schade, wenn dies der letzte Film der Reihe gewesen sein soll. Na los, Star Trek wird demnächst auch noch eine Chance gegeben.
Die allerletzte Einstellung ist trotz der karibischen Stimmung aber doch fast noch bewegender als das zuvor gesehene Drama.
7/29/2008
Sieben Tage, Jonny Glynn
Schon wieder ein Mörder, diesmal schizophren und englisch. Eklig wird es da auch recht oft (Stampfgemüse, Amputationen, Menschenhass, Stuhlgang), aber nach Hogg ist das alles eher zahm. Sorry, Jonny. Interessant ist die Oszillation der Erzähler: der Mörder und der Verzweifelte wechseln sich ab. Darum und wegen des kompakten Zeitplans (eben genau eine Woche) stellt sich ein flinker Konsumprozess ein.
Die Nutzung des Themas Terrorismus gefällt und fügt sich gut in die Geschichte ein. Allerdings muss gesagt werden, dass der übermächtige B. E. Ellis und sogar Michel Houellebecq die absurde zivile Existenz in dieser Epoche besser umschreiben. War das nur eine nachträglich hineingeschriebene Anspielung, weil Terror so en vogue ist, Mr. Glynn? Man weiß es nicht.
Ansonsten gut, mörderisch und schnell, das Teil. Irgendwie erinnert dieses Debüt an Tim Staffels Terrordrom, nicht nur wegen des Titels. Dessen Konsum ist aber viel zu lange her.
Die Nutzung des Themas Terrorismus gefällt und fügt sich gut in die Geschichte ein. Allerdings muss gesagt werden, dass der übermächtige B. E. Ellis und sogar Michel Houellebecq die absurde zivile Existenz in dieser Epoche besser umschreiben. War das nur eine nachträglich hineingeschriebene Anspielung, weil Terror so en vogue ist, Mr. Glynn? Man weiß es nicht.
Ansonsten gut, mörderisch und schnell, das Teil. Irgendwie erinnert dieses Debüt an Tim Staffels Terrordrom, nicht nur wegen des Titels. Dessen Konsum ist aber viel zu lange her.
7/27/2008
Invisible Monsters, Chuck Palahniuk
Bang-Bang statt Gang-Bang, und das auch noch zum zweiten Mal. Die Heldin ist hier ein Model, doch sie hat nur noch die obere Reihe ihrer Zähne: ein Gewehrschuss verteilte ihren Unterkiefer im Inneren eines Wagens. Dann wurden die Fragmente von Vögeln aufgepickt. "Birds ate my face," sagt sie. Lady Jawless ist auf einer Mission, die zu großen Teilen auf Rache basiert und mit Verwirrungen garniert ist.
CP wäre nicht CP, wenn dies seine einzige seltsame Idee für diesen Roman wäre. Es geht außerdem noch um das Reisen, den Aufbau und den Fall diverser Kreuzzüge, es gibt AIDS, es gibt Transvestiten, es gibt die Schauerlichkeit des Badezimmers an sich, es gibt Medikamentenge- und -mißbrauch. Es gibt viel zu lachen, aber immer nur kurz. Wer ist unsichtbar, wer ist das Monster? Das lässt sich im Zeitalter der body modification nicht mehr wirklich sagen.
In diesem Roman entwirft CP außerdem wahrscheinlich die unangenehmsten Eltern-Figuren seiner Welt. Geschwindigkeit ist dabei ein Thema: es bleibt die Erkenntnis, daß niemand den entstellenden Narben entkommen kann, die daheim entstanden sind.
CP wäre nicht CP, wenn dies seine einzige seltsame Idee für diesen Roman wäre. Es geht außerdem noch um das Reisen, den Aufbau und den Fall diverser Kreuzzüge, es gibt AIDS, es gibt Transvestiten, es gibt die Schauerlichkeit des Badezimmers an sich, es gibt Medikamentenge- und -mißbrauch. Es gibt viel zu lachen, aber immer nur kurz. Wer ist unsichtbar, wer ist das Monster? Das lässt sich im Zeitalter der body modification nicht mehr wirklich sagen.
In diesem Roman entwirft CP außerdem wahrscheinlich die unangenehmsten Eltern-Figuren seiner Welt. Geschwindigkeit ist dabei ein Thema: es bleibt die Erkenntnis, daß niemand den entstellenden Narben entkommen kann, die daheim entstanden sind.
Hogg, Samuel R. Delany
Delany soll als engagierter Literat mit seinen Arbeiten die Grenzen von Sci-Fi ausloten, so liest man. Auf Bildern wirkt er wie die hawaiianische Version des Weihnachtsmanns. Bei der Lektüre von Hogg denkt man da aber weniger dran: es handelt sich um einen brutalen Roman, ein erschütterndes und geradezu schmerzhaftes Stück Text welches den Leser angeekelt, entnervt und fragend in die Leere entlässt. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Sci-Fi-Opera-Gemütlichkeit à la Hyperion zu tun.
Zur Sache, Schätzchen: ein blonder Junge, der Erzähler, wird von einigen widerwärtigen männlichen Subjekten als Sexsklave missbraucht, erniedrigt, verkauft, verprügelt und sonstwie besudelt. Hogg ist dabei der Schlimmste und eine Inkarnation der Ekelhaftigkeit sondergleichen. Als er einen Schuh verliert, wird die Ähnlichkeit zum Pferdefüßigen besonders deutlich. Geld wird durch Vergewaltigung verdient, und man ergeht sich in etlichen Formen der Paraphilie.
Zermürbend ist die Farbe der Hautfarbe. Bei aller Zügel- und Wahllosigkeit bleibt sie für die Charaktere ein Thema. Alle haben diversen Verkehr miteinander, aber die Frage nach dem Genom bleibt für alle relevant.
Nicht weniger erschreckend ist die Bereitwilligkeit des Protagonisten. Er wird nicht gekidnappt, er ist freiwillig bei Hogg und vermisst ihn sogar. Er zeigt weder Anzeichen eines Stockholm-Syndroms noch einer ironischen Schilderung der Dinge. Er findet es gut, da unten auf den Knien. Bezeichnenderweise bleibt er bis auf die letzte Zeile stumm: das eine Wort, das er schließlich äußert, ist für einen Roman wie Hogg *das* Schlusswort schlechthin.
Man könnte eine kulturgeschichtliche Einordnung des Romans versuchen. Er entstand gegen Ende der 1960er, also nach JFK's Tod und vor Deep Throat. Hogg könnte als weitere Attacke auf die Hautfarbe Weiß verstanden werden, ein versteckt-wütendes Zu-Ende-Denken von Anarchie. Vielleicht ist Hogg eine Meditation über veränderte Körperbildlichkeit in einer umstürzenden Gesellschaft. Der naive Ungeduldige aus der letzten Reihe ruft jetzt "Aber was hat das denn mit diesem Schund zu tun?" und hat nichts verstanden, den Schund ist längst überall.
An einer Stelle wird Hogg deutlich und bemerkt, dass alles, was er anstellt, "von Herzen" und bewusst getan (verbrochen) wird. Dies sei etwas ganz anderes als in Japan eine Bombe fallen zu lassen. Somit führt er die (letztlich schmerzhafte) Kümmerlichkeit einfacher Lebensethiken ganz gut vor.
Als Referenzen können Clockwork Orange und freilich Story of the Eye herhalten (bei Hogg wird allerdings noch mehr uriniert als bei letzterem). Außerdem wäre der furchbare Herr Pasolini zu nennen. Es muss allerdings auch vermerkt werden, dass ekelhafte Dinge (wiki nennt dazu den Hype um 2 girls 1 cup) seltsam oft auf vielseitiges Interesse stoßen. Nur gibt es bei Hogg keinerlei humoristisches Element, welches den Abstand zu dem Grauen gewährleistet.
Also kommt jetzt Dhalgren auf die Liste. Delanys gepriesenes SciFi-Werk, etwa zur gleichen Zeit wie Hogg entstanden.
Zur Sache, Schätzchen: ein blonder Junge, der Erzähler, wird von einigen widerwärtigen männlichen Subjekten als Sexsklave missbraucht, erniedrigt, verkauft, verprügelt und sonstwie besudelt. Hogg ist dabei der Schlimmste und eine Inkarnation der Ekelhaftigkeit sondergleichen. Als er einen Schuh verliert, wird die Ähnlichkeit zum Pferdefüßigen besonders deutlich. Geld wird durch Vergewaltigung verdient, und man ergeht sich in etlichen Formen der Paraphilie.
Zermürbend ist die Farbe der Hautfarbe. Bei aller Zügel- und Wahllosigkeit bleibt sie für die Charaktere ein Thema. Alle haben diversen Verkehr miteinander, aber die Frage nach dem Genom bleibt für alle relevant.
Nicht weniger erschreckend ist die Bereitwilligkeit des Protagonisten. Er wird nicht gekidnappt, er ist freiwillig bei Hogg und vermisst ihn sogar. Er zeigt weder Anzeichen eines Stockholm-Syndroms noch einer ironischen Schilderung der Dinge. Er findet es gut, da unten auf den Knien. Bezeichnenderweise bleibt er bis auf die letzte Zeile stumm: das eine Wort, das er schließlich äußert, ist für einen Roman wie Hogg *das* Schlusswort schlechthin.
Man könnte eine kulturgeschichtliche Einordnung des Romans versuchen. Er entstand gegen Ende der 1960er, also nach JFK's Tod und vor Deep Throat. Hogg könnte als weitere Attacke auf die Hautfarbe Weiß verstanden werden, ein versteckt-wütendes Zu-Ende-Denken von Anarchie. Vielleicht ist Hogg eine Meditation über veränderte Körperbildlichkeit in einer umstürzenden Gesellschaft. Der naive Ungeduldige aus der letzten Reihe ruft jetzt "Aber was hat das denn mit diesem Schund zu tun?" und hat nichts verstanden, den Schund ist längst überall.
An einer Stelle wird Hogg deutlich und bemerkt, dass alles, was er anstellt, "von Herzen" und bewusst getan (verbrochen) wird. Dies sei etwas ganz anderes als in Japan eine Bombe fallen zu lassen. Somit führt er die (letztlich schmerzhafte) Kümmerlichkeit einfacher Lebensethiken ganz gut vor.
Als Referenzen können Clockwork Orange und freilich Story of the Eye herhalten (bei Hogg wird allerdings noch mehr uriniert als bei letzterem). Außerdem wäre der furchbare Herr Pasolini zu nennen. Es muss allerdings auch vermerkt werden, dass ekelhafte Dinge (wiki nennt dazu den Hype um 2 girls 1 cup) seltsam oft auf vielseitiges Interesse stoßen. Nur gibt es bei Hogg keinerlei humoristisches Element, welches den Abstand zu dem Grauen gewährleistet.
Also kommt jetzt Dhalgren auf die Liste. Delanys gepriesenes SciFi-Werk, etwa zur gleichen Zeit wie Hogg entstanden.
Get Smart, Peter Segal
Whoa, "Action-Komödie" - was für eine Drohung. Zum Konsum überhaupt überredete dann Steve Carell, weil er bei der 40jährigen Jungfrau so überzeugte. Insgesamt kann von Reue keine Rede sein.
Der ganze Agentenquatsch ist freilich sehr leicht zu persiflieren. Get Smart schafft dies, muss dafür aber nicht gelobt werden. Was erfreut, sind die Dialoge, die nicht auf Pointen aufbauen sondern die drollige Schädeligkeit der Charaktere herausstellen. Höhepunkte sind die Probleme mit der Mini-Armbrust im Flugzeug und die Bemerkung bezüglich einer auf Fäkalien surfenden Ratte. Humor wächst mit seinen Aufgaben. Und der Mini-Auftritt von Bill Murray tut da freilich sein übriges. Glück gehabt, Mr. Segal.
Der ganze Agentenquatsch ist freilich sehr leicht zu persiflieren. Get Smart schafft dies, muss dafür aber nicht gelobt werden. Was erfreut, sind die Dialoge, die nicht auf Pointen aufbauen sondern die drollige Schädeligkeit der Charaktere herausstellen. Höhepunkte sind die Probleme mit der Mini-Armbrust im Flugzeug und die Bemerkung bezüglich einer auf Fäkalien surfenden Ratte. Humor wächst mit seinen Aufgaben. Und der Mini-Auftritt von Bill Murray tut da freilich sein übriges. Glück gehabt, Mr. Segal.
7/21/2008
Slither, James Gunn
Tentakel herrschen. Das tun sie seit je her, doch nur in diesem Film wird dem Tentakel an sich endlich ordentlich gehuldigt.
Freilich gehts um extraterristrischen Schleim und Infektion und den allgemeinen und den speziellen Hunger auf Fleisch. Ganz toll die fetten Amerikanerinnen: die eine explodiert, die andere singt Karaoke. Eine Schau sondergleichen. Nach dem Konsum von Slither fühlt man sich besser, wenn auch nicht hungriger. So soll es sein.
Ein hinreißender Film ist das, mit spürbarer Spielfreude dargeboten und professional arrangiert. James Gunns Buch vom Spielzeugsammler wurde bereits konsumiert und der Herr scheint ein wunderbarer Kulturschaffender zu sein.
Freilich gehts um extraterristrischen Schleim und Infektion und den allgemeinen und den speziellen Hunger auf Fleisch. Ganz toll die fetten Amerikanerinnen: die eine explodiert, die andere singt Karaoke. Eine Schau sondergleichen. Nach dem Konsum von Slither fühlt man sich besser, wenn auch nicht hungriger. So soll es sein.
Ein hinreißender Film ist das, mit spürbarer Spielfreude dargeboten und professional arrangiert. James Gunns Buch vom Spielzeugsammler wurde bereits konsumiert und der Herr scheint ein wunderbarer Kulturschaffender zu sein.
Crank, Mark Neveldine & Brian Taylor
Hell yes, wie direkt. Endlich hat sich mal jemand sinnvoll dem Muster und dem Vermächtnis von Computerspielen angenommen: Ego-Shooter sind eben doch nicht nur Krücken zum besseren Erleben eines Actionfilms, sondern etwas eigenes. Dabei ist Crank keineswegs die Umsetzung eines Spiel-Franchise: dieser Film hat die Prinzipien des hektischen Zockens verstanden und sie ohne parentale Ironie umgesetzt Gemeinsamer Nenner ist "Noir auf Amphetaminen", vielleicht.
Wir haben doch keine Zeit. Bei diversen Spielen wendet sich die zu steuernde Figur bei Untätigkeit gern mal fragend an den Verantwortlichen: Stillstand ist nicht der Sinn. Hat Mario das nicht gemacht? Sonic? Rick Dangerous? Bei Egoshootern wurde dann immer nervös die Waffe gecheckt. War das nicht so?
Statham kann für die uneitle (weil herrlich dumpfe) Rolle durchaus gelobt werden. Und weil es so schön war: das Sequel lauert bereits.
Wir haben doch keine Zeit. Bei diversen Spielen wendet sich die zu steuernde Figur bei Untätigkeit gern mal fragend an den Verantwortlichen: Stillstand ist nicht der Sinn. Hat Mario das nicht gemacht? Sonic? Rick Dangerous? Bei Egoshootern wurde dann immer nervös die Waffe gecheckt. War das nicht so?
Statham kann für die uneitle (weil herrlich dumpfe) Rolle durchaus gelobt werden. Und weil es so schön war: das Sequel lauert bereits.
Duell, Stephen Spielberg
Das Debüt von Herrn S. wirkt gar nicht wie eins. Sehr mutig ließ sich der junge Regisseur auf eine archaisch-simple Geschichte ein und unterließ angekünsteltes Gefrickel.
Warum ist das Duell auf der Landstraße so gruselig? Weil solche Selbstverständlichkeiten wie Verkehrsregeln und das Miteinander der Reisenden als zerbrechliche Riten enttarnt werden - und weil der Fahrer des monströsen Trucks bis zum Schluss anonym bleibt. Die Straße ist die letzte große Grenze, scheint es: in diesem Grenzgebiet muss aufgerüstet werden (und wird des auch). Heil dem Wagen.
Warum ist das Duell auf der Landstraße so gruselig? Weil solche Selbstverständlichkeiten wie Verkehrsregeln und das Miteinander der Reisenden als zerbrechliche Riten enttarnt werden - und weil der Fahrer des monströsen Trucks bis zum Schluss anonym bleibt. Die Straße ist die letzte große Grenze, scheint es: in diesem Grenzgebiet muss aufgerüstet werden (und wird des auch). Heil dem Wagen.
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