6/02/2011

Tourism, Nirpal Dhaliwal Singh

Ah, England. Hier und hier. Der Held ist nicht weißer Britenstandard und leidet trotzdem am Ennui der Gegenwart. So grob formuliert hätte der Text durch die Lektorate gepitcht werden können. Hier hält der Inder eben nicht für eine Auffrischung des nationalen Lebensgefühls her, indem er einen Breitensport o. ä. gut ausführt und voll gut und menschlich daher kommt. Hier leidet der Held nicht ein bißchen in vorgefertigtem Rahmen, um dann kurz vor Schluss zum (natürlich herkunftsübergreifenden) Mittelstandsoptimismus zurückzufinden, der sich durch gelungene Mahlzeiten und eine kollektive Genügsamkeit auszeichnet.

Deshalb kann Tourism gefallen. Weil es das eben nicht tut. Es schnoddert sich stattdessen dem ganzen Ethno-Gutmensch-Gebräse entgegen. Sein Held ist zynisch, faul und hedonistisch, er hängt so rum und ab und bemüht eben nicht explizit die große Metaerzählung der Wurzellosigkeit. Was er sieht, ist nicht wirklich beeindruckend. Modern, globalisiert, ok, aber eben nichts von Dauer oder Wert. Die Slogans des guten Lebens in der westlichen Zivilisation erkennt der Tourist als Farce und würdigt die Schablonen des Ethno-Gemurmels mit ein paar schnellen Abwertungen.

Mit Houellebecq kann man als Vergleich nicht kommen, so wie es die Verlage bestimmt gern hätten. Es gibt ja mehr als zwei Touristen auf der Welt. Karte und Gebiet harrt noch der Konsumierung hier.

Double Indemnity, James M. Cain

Das Buch zu diesem Film. Ganz alte Schule. Eine viel zu selbstbewusste Krankenschwester will das große Ding reißen und konspiriert mit einem Versicherungsagenten auf den Unfalltod ihres reichen Gatten hin.

Kann man das so sagen, Versicherungsagent? Das klingt schon fast zu mondän. Eigentlich ist dieser ruhmreiche Klassiker auf die kleineren Menschen ausgelegt, auf eine amerikanische Massengesellschaft die in Kalifornien angekommen ist und seit kurzem das Frauenwahlrecht verstehen muss. Das ist gar nicht höhnisch gemeint: es muss ja faszinierend sein, wenn die heiratsfähigen Damen politische Entitäten sein können wobei doch bei Muddi noch die Fronten klar geregelt waren. Die männlichen Protagonisten müssen auf einmal aufpassen und können Frauen nun weniger als Ware und Lebensstilutensil sondern als patente Mitkonsumentin sehen. Obacht, die Blonde hat Gefühle. Und Begierden. Fatale Frau.

Der Held schleudert sich durch einen moralischen Limbus und robbt schließlich sogar zur Stieftochter der Wahnsinnigen (oder Konsequenten). In irgendeinem Alter muss man die Damen doch kontrollieren können! Herrje! Und das Geld, das schöne Geld? Das hat nichts mit Arbeit und Erfolg zu tun, nur mit Raffinesse. Es ist Belohnung für kühne Taten zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Was soll der Angestellte da nur tun, bei dem die jährlichen Provisionen nur seine Sackgasse beleuchten? Es ist zum aus-dem-Zug-springen.

5/29/2011

Postcards from the Future: The Chuck Palahniuk Documentary, Joshua Chaplinsky & Kevin Kolsch

Hier. Das Dokument, die Dokumentation, ist ziemlich alt - fast eine Dekade. Ernüchternd die Freundlichkeit des gefeatureten Autoren, der in Socken auf Mensatischen verstummten amerikanischen Wonneproppen Lyotard erklärt, ohne "Lyotard" zu sagen.

Noch ein Wort. Es ist ja eine Art Fan-Film und ebendieses Wort, das im Englischen durchaus auch "Luftbeschleuniger" meint, steht ganz gruselig im Mittelpunkt. Menschen erzählen, wie und warum sie zu CP gekommen sind. Folgerichtig gestehen der Autor und die Dozentin, die ihn auf den Campus lud, dass solche Literatur für Nichtleser geeignet ist. Menschen, die sonst gar nicht lesen, könnten von Fight Club und Lullaby und Invisible Monsters abgeholt werden und dann vielleicht sogar für Poe und King (aber wohl nie für James oder Updike) gewonnen werden. Bah, Pädagogik wie man sie von den Postern in der South Park Elementary kennt. Aber mit einem sehr charmanten Conferencier mit kniffligem Nachnamen.

Fans sind stets Quelle zeitgemäßem Ungemachs. Die steigern sich in etwas hinein. Die übertreiben. Die verbinden zwei Räume, deren Trennwand CP immer wieder bearbeitet: das Private und das Öffentliche. Wann kann man von Geheimnissen sprechen, wann von einer inconvenient truth und wann von Fan-Treffen im Gegensatz zu Terrorzellen? Project Mayhem besteht aus so einer Gegenöffentlichkeit. Wann wird mein Dreck unser Dreck? Wann haben wir alle Ichs kontaminiert und sind wir es längst? Wiegenlied vs. Virus, Aufzucht vs. Abtrieb. Falsches Leben im richtigen bzw. umgekehrt. Sehr breite Themen: und wenige stellen sie so entschieden und unterhaltsam dar wie CP. Selbiger gesteht auch irgendwann, dass er nicht jeden Fan versteht. Ein guter Moment.

Gut und erfreulich ist auch der Videobeweis zu Guts. Freilich hat der Medienkonzern diesen Schauwert erkannt und lässt die Dokumentation genüsslich hinein und hinaus argumentieren. Sei's drum. Worte gegen Bewusstsein, fast zu gut um kein Hoax zu sein.

Die Palme des Konsumenten heißt übrigens auch Chuck. Aber nicht als Referenz zu Herrn P., sondern zu LucasArts. Ihm/Ihr geht es gut und er/sie säuft seit Wochen wie ein Loch.

5/28/2011

American: The Bill Hicks Story, Matt Harlock & Paul Thomas

Hier und hier. Die stumpfeste Erkenntnis zuerst: manchmal sieht Bill Hicks aus wie Bret Easton Ellis. Die Pausbäckchen sind es. Inhaltliche Ähnlichkeiten gibt es auch, aber eine nähere Analyse dessen wäre sogar für den Konsumgraben zu gewollt und erzwungen.

Hicks ist einer dieser ekelhaft mutigen Menschen. Wie schon bei der Biographie von Steve Martin beobachtet gibt es anscheinend Kinder, die den Traum von der individuellsten aller Bühnenarbeiten haben und den auch nicht aufgeben. Sapperlot. Die Dokumentation beschreibt einen Menschen, der an allen Enden brennt und der mit Hingabe von Texas nach LA und dann nach NYC rast, um dann viel zu früh zu sterben.

Es ist eine Dokumentation und keine Komödie. Freilich ist es lustig. Aber noch eher geht es um die Art und Weise der Lustigkeit, die mit diesem Menschen verbunden ist. Ist das noch lustig? Vielleicht ist Hicks der Erfinder der inconvenient truth, er beschreibt den ganzen menschlichen Alptraum ohne Geiseln zu nehmen. Denken macht traurig, sagt man. Wer Hicks zuhört, könnte ohne ein Lächeln nach Hause gehen, aber doch mit einem latent guten Gefühl, irgendwo.

Der Film lebt von den vielen Fotos, die ein Nordamerikaner jener Generation wahrscheinlich erzwungenermaßen von sich hat. Das bringt ein bündiges, moderatorenfreies Seherlebnis und hat sogar einen zeitgeisty Beigeschmack. Herr Hicks hatte noch so viel vor. In ein bis zwei Jahrzehnten hätte man die ollen Bilder nicht mehr gebraucht, da gäb es 96 Blu-rays voller frenetischem Beifall.

Die nächste Doku auf der Liste: Conan O'Brien Can't Stop. Ob die sich verstanden hätten?

5/27/2011

The End of Alice, A. M. Homes

Hell, yes. Hier. Der Typ steckt halt gern Finger in Mädchen rein. Und es gibt auch noch Mädchen, die es drauf anlegen. Klingt schlimm, oder? Wieder ist es der Verweis auf Nabokovs Lolita, der diesen Päderastenroman verkaufen soll. Hat er das nötig? Nicht wirklich.

Denn hier ist das Übel noch verwirrender polarisiert: eine junge Frau wird Brieffreundin eines Kinderschänders und läuft selbst den minderjährigen Jungs der Nachbarschaft hinterher. Der unheilbare Triebtäter (was für ein Wort), längst an die Abgründe der Einkerkerung gewöhnt, sieht die Briefe von draußen als Lohn, Hohn, Strafe. Vor langer Zeit war es Alice, die ihn hinter Gitter brachte und ein Unfall, der in den Augen der Obrigkeit keiner war, gab seiner traurigen Biographie den Rest.

Klar ist das ein derbes Ding. Aber die sorgsam arrangierten Worte schaffen feine Haarrisse in der Schauergeschichte und reißen sie aus der bloßen Thriller-Schublade heraus. Es ist ziemlich einleuchtend, dass die Marke Lolita ob der Schwere des Tabus immer bedient/zitiert werden muss. Und ihre Qualitäten will auch keiner verneinen. Aber TEOA macht klar, dass da noch so viel zu beschreiben ist: das Unaussprechliche ringt weiterhin nach Worten. Ein dumpfer Grund-Slogan aller Poesie: seek the unseekable, speak the unspeakable. Mannigfaltige Penetrationen bestärken das nur. Menschen haben verwirrend viele Geschlechtlichkeiten zu durchleben.

Wer hängt von wem ab und wie hängen wir drin? Eigentlich ist Homes Roman ein Blick nach Suburbia, in das beschauliche Inselreich der Kinderaufzucht und der sanft-rigiden Lattenzäune (Ha! "Lattenzäune"... hihi... sorry). Was sind Nachbarn eigentlich für Wesen? Wie weit hinein lässt man ihre Blicke und Begierden? Und wie verknüpft das Gewebe der Medien (der "Maschendrahtzaun", ha!) das Ganze? Nur schauen, nicht anfassen. Alice wollte es anders. Sie wollte es doch, oder? Ach, Alice.

5/22/2011

The Blues: Warming By the Devils Fire, Charles Burnett

Diese Dokumentation ist fast schon für den Schulunterricht geeignet. Sie ist die erste konsumierte aus der Reihe, die Martin Scorcese produzierte (und hier und hier). Das schadet ihr gar nicht. Mit Originalaufnahmen verschaltete Spielszenen beleuchten Originalschauplätze und -stimmen. Der Konsument hier ist unschlüssig, ob man das als US-Bürger vielleicht als "zu volkstümlich" abtun kann, ob dieser Erzählstil Sinn macht. Gibt es vergleichbares? Nö.

Kulturwissenschaftlich ultrainteressant: ist das schon Pop, ist das echte Sub? Sind Armut und Kreativität notwendig verknüpft? Das grundlegend Literarische am Blues schüttelt wiederum Hirne und Herzen: ja, die Geschichte ist alt und zu Ende erzählt, aber sie muss noch einmal intoniert werden. Ja, der Lebenssinn wird fraglich und trotzdem können Menschen zum fertigen Produkt tanzen, weinen, vögeln, saufen.

Tell No One, Harlan Coben

Was war das denn? Und die Werke von dem Herrn kommen ins Kino? Warum denn? Das war einer der unspannendsten sogenannten Thriller, die dem Konsumenten je untergekommen sind. Nach einem lau-dumpfen Beginn steigert sich das Ganze gar nicht und endet in einer ausgerundeten Harmonie. Fast zwei Stunden Lebenszeit verschwendet.

5/21/2011

Bukowski: Born into This, John Dullaghan

Hier. Ah, eine Biographie. Wenn Menschen nicht mehr da ist, kann man das ja machen. Geht ja nichts mehr. Hier findet sich eigentlich nicht viel Neues: Buke war genauso gebrochen und ruiniert wie die Mehrheit, nur hat er es eben beharrlich auf die Seiten gehackt, ohne Rücksicht auf verstreichende Lebensdekaden. Interessant der Gedanke an ihn als Demokraten: vielleicht ist es vorher nie einem Poeten (was für ein Wort) gelungen, sein Werk aus der akademischen Formsprache zu reißen und tendentiell JEDEM Inhalte mitteilen zu können. Und, man glaubt es kaum, aber es gibt tatsächlich irgendwelche Deppen die ihn als späten Beat-Autoren begreifen - ein weiterer Versuch, seine Strahlkraft zu beschränken und das (viel zu echte?) Elend zu kategorisieren.

Ist das jetzt erzwungenermaßen "authentisch" und "echt" und "wahr"? Taugt dieser wichtige anthologisierte Autor des zwanzigsten Jahrhunderts zur Melodramatik? Kann da ein franchise draus werden? In Bukowskis Werken ist vielleicht ein Satz für den Leser versteckt, den viele als zu harsch empfinden mögen. Der könnte lauten: "Ich brauche euch nicht." Grandios. RIP, CB.

Weiter: Post Office und Ham on Rye. Man kann gar nicht so viel fressen wie man kotzen möchte.

5/19/2011

A Million Little Pieces, James Frey

Das hier, noch einmal mit Gefühl. Wunderlicherweise ist die sehr geradlinige Geschichte äußerst geradlinig aufgebaut. Zack, vier Teile, zack, der Abspann. Es hätte gar nicht wahr sein können. Das ist viel zu professionell aufgebaut. Das wurde mit Filmrechten im Kopf geschrieben. Erfüllt nach wie vor seinen Zweck, das Vehikel, und führt niemanden von der Couch ins Museum. Aber welches Buch schafft das schon?

Der Konsument gibt zu, dass er bereits auf
Bright Shiny Morning schielt. Es funktioniert bestimmt genau wie MLP, es ist bestimmt auch wie ein sehr fein gedrechseltes Tischchen, wie eine genau berechnete Maßarbeit für Verzweiflungsbegeisterte.

5/15/2011

Helvetica, Gary Hustwit

Hier. Eine Dokumentation über eine Schriftart. Was sich anhört wie eine verlorene Wette steigert sich fix zu einer seltsamen Einsicht in den ominösen Berufsstand der Graphiksklaven, der ehemaligen Setzer und Beschrifter.

An der Holunderbionade nippend kann man sich nun über das alte Schlachtross "Inhalt|Form" unterhalten und kulturpessimistisch umherpropagieren. Von wegen alles ist nur Schrift und Neon und laut und so. Aber der Film folgt keinem Elitismus sondern erläutert sachlich Herkunft und Richtung und Nutzen einer Sprachform. Industrielles Lesen erfordert anscheinend ein Werkzeug, auf das man sich einigen kann. Und es stimmt: jeder Mist sieht einigermaßen OK aus in Helvetica bzw. Arial (der MS-Klon). Wahrscheinlich sogar dieses Blog. Warum? Weil die Buchstaben sich gleichmäßig in die Seite graben - es bleibt genug Weiß zwischen dem Schwarz und umgekehrt. Optimaler Kontrastkontrast. Metakontrast?

Wohnen mit Zeug

Eben aufgeräumt. Volle Kanne Bücher auf den Schädel bekommen. Die Regalfrage stellt sich immer mehr... deshalb und weil das Vertrauen in blogger.com wieder stärker werden muss hier ein Bild des Paradieses.



Zu finden beim obligatorischen|notorischen The Selby.

Although Of Course You End Up Becoming Yourself, David Lipsky

A Road Trip with David Foster Wallace. Hier. Dies ist ein Interview, eine mehrteilige Transkription dessen. Rahmen ist die Promo-Tour für Infinite Jest.

Zunächst zur Form. Es ist sehr ungewöhnlich, eine Konversation in voller Bandbreite mitgeteilt zu bekommen. Man redet ja nicht auf Themen hin sondern um sie herum und schlittert so hinein. Normalerweise sind markige Zitate ja in einen redaktionell erstellten und lektorierten Text eingebunden. Für die Publikation in einer Zeitschrift oder sonstwo gäbe es dann Zwischenüberschriften, die für die browsenden Augen des Lesers klebrig sein sollen. Hier nicht, hier ist alles O-Ton, hier lief das Band und wenn einer sagt "Ich glaub, das Band ist gleich alle" dann beredet man das oder der Text wird unterbrochen und beginnt erneut mit "So, hier ist das neue Band, wo waren wir doch gleich?". Minimale Redaktion gibt es doch, so dass Lipsky manchmal erläuternd eingreift wenn die Wortspiele und Anspielungen ein wenig speziell werden. Ist das jetzt besonders authentisch und echt? Das ist ja immer so eine Sache. Es ist ein Produkt, es ist Sekundärliteratur für die Fans, es ist vielleicht Ausbeutung eines Hypes ohne Grund.

Klar dürfte sein: die mäandernde Unterhaltung ist keinesfalls DFWs literarischen Texten auch nur ähnlich. Aber sie sind teilweise fordernd und fast immer intertextuell unterwegs, so dass dieses Tonband hier ziemlich gut hineinpasst. Diese Lektüre ist einmalig - zwar schwieriger als die Durchschnittsnovellette (und ein wenig leichter als Infinite Jest o. ä.), aber auch gruselig, so wie ein lange vermisstes Heimvideo. Stimmen des Toten, aus einem toten Amerika, in Linienflugzeugen, deren Flugrhythmen vielleicht gar nicht mehr existieren. Ein wenig schaurig, aber nicht zwangsläufig dadurch "echter".

Dann zum Inhalt. Man kann DFW nichts anderes als vermissen. Fertig. Das Ding endet mit einer Liste der erwähnten Populärprodukte, also Serien, Bücher, Filme, Konzepte, sonstwas. Ein Einkaufszettel - die wahrste Form der Literatur, gleich nach der Tonbandtranskription.

5/14/2011

Kontrolliert, Rainald Goetz

Bei der Recherche wurden Autor und Werk viel zerrissen und zerredet, von wegen dass das Wort mit P nicht wirklich satt macht (als könnte man das je hoffen). Und dass der Autor mit gewagter Lesungstheatralik Auflagen anfachte. Also eigentlich optimal für den Konsum geeignet, vor allem, da dies hier erstens deutsch ist und zweitens letztens tatsächlich ein Textlein von Wolfgang Hohlbein durch den Graben ging. Kontrastprogramm muss her. Was fällt dem prüfenden Kennerblick zuerst auf? Nanu?!?! Keine Return-Taste gab es damals, im zwanzigsten Jahrhundert! Ein Absatz ist ein Kapitel! Wie radikal und frisch! Oder etwa nicht? Keine Ahnung, wessen Buchmesse vor siebenundachtzig Jahren das gerockt hat. Form folgt aber auch dem Inhalt, denn der besteht aus recht atemlosen Gedankenfahrten vom heimischen Schreibtisch in den Siebzigern zu Zellen in Stammheim und deutschem Herbstlaub in all seiner Rötlichkeit. Manchmal ist es komisch, manchmal eher knifflig zu verfolgen. Der Rückzug ins allzu Private löst bei Dritten und anderen gesunden Konsumenten ja meist Klaustrophobie aus. Vielleicht geht es darum und der Titel ist tatsächlich ein Hinweis: wie kann der Zivilist sich von der Umwelt abbinden (oder mit ver-)? Richtiges Leben im falschen ist ja eh egal, aber kann man mit solchen Boxen wie drinnen und draußen überhaupt denken? Die da draußen, ich hier drinnen? Es ist kontrolliert, getreu der religiösen Tröstlichkeit klassischer Konstruktivisten. Alles ist verknüpft, Algorithmen fließen ineinander, und es ist zwar alles kontrolliert, aber der Kontrolleur ist ein teils unbekanntes Kollektiv, eins das Semmeln schmiert und bierselig vom Fahrrad fällt und in der Straßenbahn von Meinhof liest. Ist schon ein feines Teil, so eine deutsche Sprache und eine Return-Taste. Da kann man viele Dinge hinein tun und draußen lassen. Kontrollieren eben.

Best Worst Movie, Michael Stephenson

Hier und hier. Hier wurde Troll 2 nie konsumiert. Sollte man das nachholen? Ist es so wie Plan 9 From Outer Space? Diese Dokumentation beleuchtet erst die Verantwortlichen für den ihr zufolge schlechtesten (Horror-) Film aller Zeiten und macht dann etwas erstaunliches: sie begleitet selbige auf einer Promo-Tour, um das Produkt mit einem cheesy bzw. campy Charme unter die Leute zu bringen. Allen voran der damalige Hauptdarsteller, heute Zahnarzt (!). Auf einer Fan-Messe in der Ferne kommt er zu der Erkenntnis, dass die lokale Begeisterung für sein Arbeit in den frühen 1980ern vielleicht doch nicht so mächtig ist. Verstörend auch die Aussagen des Originalregisseurs, der den Reiz seines Werkes für viele nicht wirklich begreifen kann oder will.

Die kleinen Ausschnitte von Troll 2 machen schon neugierig. "Pissing on hospitality"? "Nilbog|Goblin"? Wer denkt sich so etwas aus? Wie soll man das in der persönlichen Biographie verarbeiten? Peter Jackson hat ja auch schöne schreckliche Filme gemacht. Ist Troll 2 ähnlich?

Gruselige Filme, die in ihrer Machart gruselig sind, sind viel lokaler und deshalb schön: man kann *gemeinsam* die Unmöglichkeiten erörtern und über die unglaublich dumpfe Machart spotten. Endlich soziales Kino. Rec hat damals mit Aufnahmen des ächzenden Publikums geworben. In der Gruppe entsteht der Reiz. Wenn man im Kino sitzt, kann ein beeindrucktes Publikum einen subjektiv als durchschnittlich erachteten Film aufwerten und das Schauen zu einem Erlebnis machen. Horror kann Fussball sein, genau so wie umgekehrt.